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Das Foto ist von einem Brandschlag auf die Kneipe Bajszel in Neukölln in der Nacht zu Sonntag,

© Bajszel

Update

„Wir sehen das als Mordversuch“: Mutmaßlich pro-palästinensischer Brandanschlag auf Neuköllner Kneipe „Bajszel“

Die Neuköllner Kulturschänke wurde innerhalb kurzer Zeit mehrfach antisemitisch und israelfeindlich angegriffen. In der Nacht zu Sonntag gab es einen Brandanschlag auf die Kneipe.

Stand:

In der Nacht zu Sonntag haben Unbekannte einen Brandanschlag auf die Neuköllner Kulturkneipe „Bajszel“ verübt und die Türschlösser zugeklebt. Zu dem Zeitpunkt befand sich einer der Betreiber noch in den Räumlichkeiten, die in einem Wohnhaus liegen. „Wir sehen das als Mordversuch“, sagte eine Betreiberin dem Tagesspiegel.

Aktuell werde die Kneipe quasi täglich antisemitisch attackiert, sagte sie weiter. Im Laufe der vergangenen Woche fanden sich unter anderem Parolen, die die Qassam-Brigaden und die Hamas glorifizierten, die für den Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 verantwortlich sind.

Los ging es bereits in der Nacht zu Montag: Die Täter beschmierten die Fassade der Kneipe a der Emser Straße mit antisemitischen und israelfeindlichen Hassbotschaften und einem roten Hamas-Dreieck.

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Nach mehreren Farbattacken in den vergangenen Tagen schmierten die Täter auch am frühen Sonntagmorgen wieder Hamas-Dreiecke auf die Fassade des Hauses. Zwischen 5 und 6 Uhr morgens verübten die Unbekannten dann einen Brandanschlag auf die Fenster der Kneipe, der auf Fotos dokumentiert wurde. Parallel wurden die Türschlösser zugeklebt.

Verletzt wurde bei dem Angriff auf das Geschäft niemand, auch der Innenbereich wurde nicht beschädigt. Der wirtschaftliche Schaden ist wohl dennoch hoch. Am Sonntagabend ab 19 Uhr haben Unterstützer:innen eine Solidaritätskundgebung vor der Kneipe angemeldet. Laut Polizei waren 200 bis 300 Teilnehmer angemeldet, bis zum Abend war alles friedlich, sagte ein Sprecher auf Nachfrage.

Wir sehen das als Mordversuch.

Eine der Betreiber:innen über die Brandattacke in der Nacht zu Sonntag

Laut einer Polizeimeldung hatte ein Feuerwehrmann zufällig gegen 6.15 Uhr einen brennenden Papierkorb direkt an der Fassade des Hauses entdeckt. Der Feuerwehrmann hat den Brand demnach mit einem Eimer Wasser gelöscht. An der Hauswand und der Schaufensterscheibe hatte sich da schon Ruß abgelagert. Weitere hinzugerufene Feuerwehrleute entsorgten die Reste des Korbes. Der Staatsschutz prüfe nun, ob zwischen dem Feuer und den Farbschmierereien ein Zusammenhang bestehe.

Außerdem hinterließen unbekannte Personen in den vergangenen Tagen Parolen wie „From the river to the sea, palestine will be free“, den Schriftzug „Hamas – mein Leben“ in arabischer Sprache sowie weitere israelfeindliche Botschaften. Auch Tische des Lokals wurden israelfeindlich markiert.

Tische des Lokals wurden israelfeindlich beschmiert.

© Bajszel

Die Betreiber:innen haben nach eigenen Angaben alle Fälle angezeigt. Zu den Attacken ermittelt der polizeiliche Staatsschutz, wie ein Polizeisprecher dem Tagesspiegel sagte.

Allerdings seien einige Farbschmierereien von der Polizei nur als Sachbeschädigung gewertet worden, sagte eine der Betreiberinnen dem Tagesspiegel – etwa der Spruch „Fuck Zionism“ mit roten Dreiecken. Eine Gefährdung oder einen politischen Inhalt habe der aufnehmende Polizist darin nicht erkennen wollen. „Das war sehr ernüchternd“, sagte eine der Betreiberinnen.

Auch der Brandanschlag am Sonntagmorgen wurde nur als Sachbeschädigung aufgenommen – das zeigt das Anzeigeprotokoll, das dem Tagesspiegel vorliegt.

In der Nacht zu Montag hatten Unbekannte etwa die Qassam-Brigaden auf Schriftzügen glorifiziert.

© Bajszel

Das war nicht der erste Angriff auf die Kneipe. Dort finden regelmäßig Veranstaltungen statt, auch immer wieder zum Thema Antisemitismus. Nur wenige Tage vor der erneuten Angriffswelle fanden etwa ein Vortrag über die als antisemitisch geltende BDS-Kampagne und eine Filmpräsentation über den Holocaust-Überlebenden Albrecht Weinberg statt.

Die Betreiber:innen des „Bajszel“ wollen sich von den Attacken nicht einschüchtern lassen. „Unsere Meinung zu dem, was in Israel und Gaza passiert, sollte eigentlich egal sein. Es geht um das, was auf Berlins Straßen passiert – und hier werden die Räume für jüdische Menschen gerade immer kleiner“, sagte sie dem Tagesspiegel schon im Mai.

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Mittlerweile hat sich eine breite Solidaritätsbewegung rund um die Kneipe formiert. In mehreren Statements, die unter anderem die Deutsch-Israelische Gesellschaft, das Mideast Freedom Forum Berlin und das Neuköllner Bezirksamt unterzeichnet haben, sprechen sie dem „Bajszel“ ihre Unterstützung aus.

Darin heißt es unter anderem: „Das ‚Bajszel‘ mit seinen sehr wichtigen und vielfältigen Bildungs- und Diskussionsformaten muss unbedingt geschützt werden! Wir solidarisieren uns mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des ‚Bajszel‘!“

Polizei sieht wachsendes Aggressionspotenzial in der Szene

Zuletzt häufen sich pro-palästinensische Ausschreitungen und antisemitische Farbattacken. Kürzlich wurde etwa das Wohnhaus von Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) mit Farbe attackiert. Zuvor war er auf einer Veranstaltung auch körperlich angegangen worden.

Benjamin Jendro, Sprecher der Polizeigewerkschaft GdP, sprach am Samstagmorgen nach mutmaßlich pro-palästinensischen Ausschreitungen in Kreuzberg von einer „wachsenden Bereitschaft, Berlin in Schutt und Asche zu legen sowie Polizisten mit körperlicher Gewalt, Steinen und Pyro massiv zu verletzen“.

Erst im Mai dieses Jahres waren rote Dreiecke an die Fensterscheibe des Lokals geklebt worden. Auf diese Art kennzeichnet die islamistische Terrororganisation Hamas ihre vermeintlichen Feinde und potenzielle Anschlagsziele.

„Unsere Bar ist ein öffentlicher Diskussionsraum, gerade bei Veranstaltungen darf auch kontrovers diskutiert werden“, sagte eine der Betreiberinnen dem Tagesspiegel damals am Telefon. „Leider mussten wir dabei feststellen, dass ein Teil der sich selbst als propalästinensisch bezeichnenden Bewegung immer mehr als autoritärer Mob auftritt. Dann muss man dem auch so begegnen, da bleibt kein Raum für Diskussionen mehr.“

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