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Tischlermeister Thorsten Schwemmler, der Inhaber von "Stephan Möbel", kämpft im Gewerbegebiet in Berlin-Spandau gegen seine Kündigung.

© Privat

Wohnungsbau verdrängt Firmen: Spandauer Tischlermeister wehrt sich gegen Kündigung

Berlins Senat operiert beim Kampf gegen steigende Gewerbemieten mit falschen Zahlen. So wird er Leuten wie dem Tischler Thorsten Schwemmler kaum helfen

Ob Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) oder Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke): Fast jedes Mitglied des Senats hat sich zum Kampf gegen die Verdrängung von Gewerbe aus der Stadt bekannt. In der Regel verweisen sie auf die bewährte „Berliner Mischung“ aus Wohnen im Vorderhaus und Gewerbe auf dem Hinterhof – ein noch relativ verbreitetes Modell, um das viele Städte Berlin beneiden dürfen.

Der Senat stellte im August im Bundesrat sogar einen Antrag auf Einführung einer Preisbremse für Gewerbemieten. „Wir alle lieben sie, kleine inhabergeführte Läden im Kiez“, hatte Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) damals zur Begründung erklärt.

Nun droht diese Initiative aber in der Länderkammer zu verpuffen – und das nicht nur, weil die Regierungen anderer Bundesländer derart tiefe Eingriffe in den Immobilienmarkt aus Prinzip ablehnen. Der rbb veröffentlichte am Montag eine Recherche, wonach der Senat mit falschen Zahlen operiert haben soll, um besagte Initiative zu begründen. Demnach habe sich die Höhe der Gewerbemieten in den Jahren 2009 bis 2018 nicht verdreifacht, wie behauptet, sondern sei „nur“ um 63 Prozent gestiegen.

Den Angaben zufolge stammen die dramatischen Zahlen des Senats vom Immobilienverband Deutschland, der nun aber erklärt habe, seine Daten seien aus statistischen Gründen für einen Mietpreisvergleich ungeeignet. Die moderatere Steigerung basiert auf einer Datenauswertung des Vermietungsportals Immobilienscout24.

Diese nun aufgeflogene Übertreibung in seinem Bundesratsantrag könnte dem Senat am Ende mehr geschadet als geholfen haben. Das Problem der Verdrängung bleibt. Neben den Clubs und Betreibern von Kindertagesstätten sind auch Gewerbe und auch Handwerk betroffen.

In Spandau hat die Gewobag Gewerbetreibenden und Vereinen gekündigt

Ein Beispiel dafür ist der Kampf der Tischlerei von Thorsten Schwemmler (Stephan Möbel) aus einem Gewerbegebiet an der Rhenaniastraße in Spandau (hier können Sie unseren kostenlosen Bezirks-Newsletter für Spandau abonnieren). Dort zahlt der Tischlermeister auf dem einst landeseigenen Gelände 3,50 Euro brutto pro Quadratmeter – und beschäftigt drei Gesellen und zwei Auszubildende. Insgesamt sind rund 160 Personen in diesem Gewerbegebiet bei Handwerkern, Händlern und Vereinen beschäftigt.

Der politisch gewollte Wohnungsbau gefährdet zunehmen kleine und mittelständische Gewerbetreibende - hier auf einem Symbolbild.
Der politisch gewollte Wohnungsbau gefährdet zunehmen kleine und mittelständische Gewerbetreibende - hier auf einem Symbolbild.

© imago images/Westend61

Allen Mietern hatte die neue Eigentümerin, die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag, zum Jahreswechsel gekündigt. Sie hatte das Areal für einen symbolischen Euro übernommen, um hier 200 Wohnungen zu errichten.

Schwemmler mobilisierte die lokale Politik und erwirkte immerhin einen Aufschub bis zum kommenden Sommer. Für Donnerstag haben sich zwei Vertreterinnen der Grünen aus der BVV-Spandau zum Rundgang angekündigt, so wie „überregionale“ Gäste wie Handwerkskammerpräsidentin Carola Zarth, Vertreter der IHK und der Senatswirtschaftsverwaltung. Können sie noch etwas ausrichten?

Für eine vergleichbare Gewerbefläche müsste Schwemmler heute wohl mehr als das Doppelte seiner bisherigen Miete zahlen. Fast schlimmer noch sei die übliche Befristung der Angebote der Mietverträge auf fünf bis zehn Jahre. „Ich brauche eine langfristige Perspektive. Denn allein der Umzug für meine bis zu 7,5 Tonnen schweren Maschinen kostet mich rund 20000 Euro.“

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