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Seit es den Hashtag #IchBinArmutsbetroffen gibt, twittert die alleinerziehende Mutter Elke K. über die Sorgen und Nöte ihres Alltages.

© Tagesspiegel/Sophie Peschke

Armutsbetroffen – Bekenntnis einer alleinerziehenden Mutter: „Wegen der Heizkostenerhöhung landen wir womöglich auf der Straße“

Bei Elke K. reicht das Geld oft nicht für Käse auf dem Schulbrot der Tochter. Statt sich weiter zu schämen, demonstriert sie jetzt.

Im Mai startete die Twitter-Nutzerin „Finkulasa“ eine virale Bewegung, völlig ungeplant und schlichtweg, weil sie wütend war. Die alleinerziehende Mutter Anni aus NRW nutzte unter ihrem Tweet den Hashtag #IchBinArmutsbetroffen und berichtete aus den Nöten ihres Alltages. Zehntausende tun es ihr mittlerweile gleich. Aus der viralen Bewegung ist längst auch eine analoge geworden.

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Im Internet beschreiben Menschen weiterhin unter dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen ihr Leben mit sehr wenig Geld und ihre Schwierigkeiten wegen steigender Preise. Elke K. aus Berlin-Oberschöneweide bekam kürzlich wie viele Menschen derzeit ein Schreiben, in dem sie über die gestiegenen Heizkosten informiert wurde.

Ich muss mich wegen der Preise zwischen Butter und Käse entscheiden und lasse oft den Käse weg. Meine Tochter kann dann wenigstens ein Brot mit Butter mit in die Schule nehmen.

Elke K., Armutsbetroffene

Seitdem fürchtet sie, dass sie mit ihrer Tochter auf der Straße landet. Über ihre Sorgen twittert sie, ihre Wut trieb sie zuletzt auch zu einer Demonstration vor dem Kanzleramt. Seit es #IchBinArmutsbetroffen gibt, ist ihr erklärtes Ziel, die mit Armut verbundene Scham zu überwinden.

Im Video spricht Elke K. über ihre Situation:

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Wenn Elke K. durch den Supermarkt läuft, geht sie strategisch vor. Sie bleibt vor den Paprika stehen und legt ihren Finger auf das Preisschild: 1,29 Euro für 500 Gramm rote Paprika. Sie seufzt und schüttelt den Kopf: „Das macht wirklich keinen Spaß“, sagt sie. Die gelben und orangefarbenen Paprika esse ihre Tochter lieber, in der Packung seien für 70 Cent mehr aber 200 Gramm weniger.

„Das macht wirklich keinen Spaß.“ Für Elke K. bedeutet ein Einkauf vor allem Vergleichen und Rechnen.
„Das macht wirklich keinen Spaß.“ Für Elke K. bedeutet ein Einkauf vor allem Vergleichen und Rechnen.

© Tagesspiegel/Sophie Peschke

Ein Mann schiebt seinen Einkaufswagen neben den von Elke K.. Seine Entscheidung ist schnell getroffen, er greift sich mehrere Packungen Paprika, wirft sie in seinen Wagen – ganz ohne den Preis zu checken. Für Elke K. ist das keine Option, erst recht nicht seit die Preise gestiegen sind: „Der Regelsatz reicht vor allem bei den aktuellen Preisen für mich und meine Tochter einfach nicht aus“, erzählt sie. Ab dem 20. des Monats müsse sie bei jedem Einkauf überlegen, ob sie überhaupt irgendetwas an Obst oder Gemüse leisten könne: „Meist knapse ich dann bei mir, damit ich meine Tochter versorgen kann.“

Butter und Käse sind kaum bezahlbar

Nachdem Elke K. sich für die rote Paprika entschieden hat, stoppt sie bei den Milchprodukten. Sie hockt sich vor das Kühlregal: „Die günstigeren Produkte sind meist in den untersten Regalen“, sagt sie und legt wieder ihren Finger auf das Preisschild. Die günstigsten Pakete Butter greift sie sich heraus und vergleicht diese. Elke K. checkt die Grammzahlen, rechnet im Kopf den Gesamtpreis ihres bisherigen Einkaufs zusammen.

„Die günstigeren Produkte sind meist in den untersten Regalen“, sagt Elke K.
„Die günstigeren Produkte sind meist in den untersten Regalen“, sagt Elke K.

© Tagesspiegel/Sophie Peschke

„Ich muss mich wegen der gestiegenen Preise zwischen Butter und Käse entscheiden und lasse oft den Käse weg. Meine Tochter kann dann wenigstens ein Brot mit Butter mit in die Schule nehmen“, sagt K. Das esse die Tochter gerne, vor allem mit Gurken und Tomaten. Der Käse sei dann nicht so wichtig: „Und ich muss kein schlechtes Gewissen haben.“ Sie schmunzelt: „Verrückt ist das alles trotzdem“, meint Elke K. Vor allem wenn vorbeilaufende Einkäuferinnen und Einkäufer Produkte völlig sorgenfrei in deren Einkaufswägen laden.

Armut macht einsam

Weil sie das traurig macht und in Zeiten der Inflation mittlerweile auch wütend, steht K. nun regelmäßig auf der Straße. Seit es den Hashtag #IchBinArmutsbetroffen gibt, sei sie wieder politisch aktiver: „Das tut gut, auch weil ich dadurch neue Freunde gefunden habe, die dieselben Probleme haben wie ich.“ Zuletzt sei sie einsam gewesen, weil sie zum Beispiel nicht mit ins Kino konnte, wenn sich andere Freunde getroffen haben. „Noch so ein Nebeneffekt der Armutsbetroffenheit.“

Anfangs demonstriert sie noch mit Sonnenbrille und Corona-Maske: „Ich musste erst über meinen eigenen Schatten springen und lernen, dass ich mich nicht zu schämen brauche.“
Anfangs demonstriert sie noch mit Sonnenbrille und Corona-Maske: „Ich musste erst über meinen eigenen Schatten springen und lernen, dass ich mich nicht zu schämen brauche.“

© Privat

„Armutsbetroffenheit“, das Wort wählt Elke K. mit Absicht. „Wenn Politiker und Politikerinnen arm oder sozialschwach sagen, macht mich das sauer, weil es das nicht trifft“, so die alleinerziehende Mutter. Sie sei weder arm, noch sozialschwach, noch bildungsfern. „Ich habe weniger Geld zur Verfügung als andere, das ist alles.“

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Gesicht zeigen für Veränderung

Dafür habe sie sich lange geschämt. Bei der ersten Demonstration trug sie Sonnenbrille und Corona-Maske, auch um nicht erkannt zu werden. „Ich musste ganz schön über meinen eigenen Schatten springen“, erklärt Elke K.. Heute setzt sich Elke K. mit ihrer Armut regelmäßig auf Twitter auseinander – und mit den Armutsursachen.

Über ihre finanziellen Schwierigkeiten kann Elke K. heute sprechen: „Ich musste meine Ausbildung zur Erzieherin abbrechen. Zwei Todesfälle haben mir die Füße unter dem Boden weggezogen. Ich bin in eine Depression gefallen.“ Sie wünschte, dass es anders wäre: „Dann könnte ich meiner Tochter auch mal ohne zu überlegen einen Camembert kaufen. Aber weil es eben anders ist, laufe ich im Supermarkt lieber schnell daran vorbei.“

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