zum Hauptinhalt
Hunderttausende durchqueren auf ihrer Reise nach Europa Libyen.

© Fotos: Kate Thomas/dpa

Gefährliche Flucht nach Deutschland: „In der Wüste hatte ich aufgegeben“

Als Filimon Mebrhatom Eritrea verlässt, ist sein Ziel: Freiheit. In einem Buch über seine gefährliche Flucht steckt auch viel Wut.

Er lag im Sand der Sahara, unter einem improvisierten Sonnenschutz, mit großem Durst. Und niemand ringsum hatte mehr Wasser. Und niemand wusste, wo sie genau waren. Die Männer und Frauen, die mit ihm auf die Schlepper warteten, begannen ihm Geschichten zu erzählen, Gedichte und Witze. Er sollte bloß nicht einschlafen.

„In der Wüste hatte ich aufgegeben.“ Der junge Mann, der das sagt, blickt freundlich in die Kamera seines Smartphones. Filimon Mebrhatom ist 20 Jahre alt und wohnt in München. Mit 14 floh er aus seinem Heimatland Eritrea. Gut sechs Jahre liegen also zwischen seinem Beinahe-Sterben in der Sahara und diesem Videotelefonat im August 2020.

Erst neulich habe er versucht, sich an den genauen Inhalt der Erzählungen zu erinnern, sagt Filimon Mebrhatom. Es gelang ihm nicht. Aber wie ihm Hände und Füße einschliefen, wie ihm jemand vorschlug, in eine leere Flasche zu pinkeln und den eigenen Urin zu trinken. Wie er das gern getan hätte, wenn er es gekonnt hätte. Das vergisst er nicht.

Seite um Seite handschriftlich notiert

Er hat alles aufgeschrieben, Seite um Seite handschriftlich notiert, nachts, wenn er vor lauter Albträumen nicht schlafen konnte. Erst in Tigrinya, seiner Muttersprache, schließlich auf Deutsch. Ein Bruchteil dieser Hunderte von Seiten umfassenden Notizen, so sagt er, sind nun ein Buch geworden, dessen Titel ihm seit jeher aus der Seele spricht: „Ich will doch nur frei sein“.

In seinem Buch geht Filimon Mebrhatom Fragen nach, mit denen sich seiner Meinung nach auch die Menschen in seiner neuen Heimat Deutschland mehr auseinandersetzen sollten. Warum gibt es keine sicheren Fluchtwege? Warum sehen die Europäer nicht das Leid, das die Menschen aus ihren Heimatländern treibt? Warum entscheidet der Zufall der Geburt über Glück oder Unglück?

Filimon Mebrhatom ist heute 20 Jahre alt.
Filimon Mebrhatom ist heute 20 Jahre alt.

© privat

Jedes Jahr kommen mehrere Tausend minderjährige Geflüchtete ohne Begleitung in Deutschland an. Die meisten von ihnen sind junge Männer, zwischen 14 und 17 Jahre alt. Sie fliehen, weil in ihrer Heimat Krieg herrscht, weil sich ihnen keine Perspektive bietet, weil sie befürchten, von brutalen Militärs oder terroristischen Gruppen zum Dienst gezwungen zu werden, oder es bereits wurden. Viele sind traumatisiert – durch das, was sie zu Hause erlebt haben und auf der Flucht.

„Wenn ich mich erinnere, kommen mir manchmal die Tränen“, sagt Filimon Mebrhatom zu Beginn des Telefonats. Im Gespräch erklärt er geduldig seine Gedanken, freundlich und ernst. Er muss jetzt ständig Interviews geben, alle wollen alles wissen. Dabei hat er das Buch auch deswegen geschrieben, damit er nicht andauernd gefragt wird wie das war, auf der Flucht.

Flucht ist keine freiwillige Sache

„Wenn ich bei Geburtstagfeiern von deutschen Freunden eingeladen war, kamen immer Leute und fragten: Wie viel hast du bezahlt? Wie bist du geflüchtet?“ Während die anderen feierten, sei er immer trauriger geworden.

„Mein Buch können nun alle lesen“, sagt Filimon Mebrhatom. Es gibt viel Blut, viel Erbrochenes, Menschen werden verkauft, gequält und erschossen, sie ersticken und ertrinken. „Aber das muss man schreiben“, sagt er, „man muss es erklären.“

Weil offenbar immer noch nicht alle Menschen verstanden haben, dass Flucht keine freiwillige Sache ist.

Filimon Mebrhatom stammt aus einem kleinen eritreischen Dorf namens Bihat. Es liegt an der Grenze zu Äthiopien, rund 2000 Menschen leben dort. Auf Google Maps ist es schnell zu finden. Für den Fußweg ohne Umwege von dort nach Bayern berechnet Google eine Marschdauer von etwas mehr als 50 Tagen. Google hat keine Ahnung.

[Die Coronavirus-Krise ist auch für die Politik eine historische Herausforderung. Jeden Morgen informieren wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserer Morgenlage über die politischen Entscheidungen, Nachrichten und Hintergründe. Zur kostenlosen Anmeldung geht es hier.]

Als Filimon Mebrhatom aufbricht, in einer Nacht im Januar 2014, ist das der Beginn einer zehn Monate dauernden Flucht. Sie führt ihn durch Äthiopien und den Sudan, die Sahara und Libyen – und in einem Holzboot übers Mittelmeer nach Italien. Die Erlebnisse auf dieser Reise schildert er im Buch detailliert, nachprüfen lassen sie sich nicht.

Per Whatsapp schickt er ein Foto von sich. Es wurde in Äthiopien aufgenommen, ganz zu Beginn seiner Flucht. Es zeigt einen sehr dünnen Jungen mit kurzen Haaren in einem blauen Unterhemd, einer braunen Hose und Turnschuhen. Die Arme hält er vor der schmalen Brust gekreuzt.

„Unser Ziel war: raus aus dem Land, einfach abhauen.“

Heute hat Filimon Mebrhatom die Haare zum Zopf gebunden, im Gespräch zupft er sich manchmal mit den Fingern der rechten Hand am Bart. Um seinen Hals hängt eine silberne Kette, daran ein Kreuz. An seinem linken Unterarm steht eintätowiert: Only god can judge me. Nur Gott kann über mich urteilen.

Als er in der Januarnacht gemeinsam mit einem Cousin abhaut, ohne seiner Familie Bescheid zu sagen, hat er eine Jeansjacke bei sich und ein bisschen Geld in der Tasche, 500 Nakfa, umgerechnet etwa 30 Euro. „Unser Ziel war: raus aus dem Land, einfach abhauen.“ Eine Vorstellung von der Reise, die vor ihm lag, hatte er nicht. Auch Europa, wo die Flucht enden sollte, war für ihn weniger ein konkreter Ort als eine Idee: Freiheit.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Eritrea ist seit Langem eine Diktatur, wer sich in dem ostafrikanischen Staat regierungskritisch äußert, muss damit rechnen, verhaftet zu werden. Auf Landesverrat oder Spionage steht die Todesstrafe. Jungen Männern und Frauen droht in Eritrea zudem ein unbefristeter Militärdienst, laut Amnesty International eine Art staatliche Zwangsarbeit. Wer versucht, sich zu entziehen, endet oft in menschenunwürdigen Gefängnissen, in unterirdischen Räumen oder alten Schiffscontainern.

Auch Filimon Mebrhatom sollte zum eritreischen Nationaldienst „eingezogen“ werden. In seinem Buch erzählt er, wie eines Nachts im Sommer 2010 Militärs sein Dorf überfielen, Jugendliche und junge Männer auf einem Feld in der Nähe zusammentrieben. Als er, damals gerade 11 Jahre alt, daran scheiterte, das schwere Gewehr eines Soldaten zu halten, ließen die Männer ihn ziehen. Es war der Punkt, an dem ihm klar wurde: Hier kannst du nicht bleiben.

Vier Jahre später sind Eritreer die drittgrößte Gruppe unter allen Flüchtlingen, die Deutschland erreichen. 2014, als auch Mebrhatom hier ankommt, stellen 13 198 Eritreer einen Asylantrag. 4399 von ihnen sind minderjährig und unbegleitet, 1008 darunter jünger als 16.

Gefühl der Ohnmacht

„Ich muss tun, was ich kann – und das ist kämpfen“, sagt Filimon Mebrhatom heute. „Ich will nicht sehen, wie andere Kinder den gleichen Weg nehmen, den ich genommen habe. So viele sind auf dieser Flucht gestorben.“

München erreichte er vor der euphorischen Willkommensatmosphäre des Jahres 2015. Als er am Münchner Hauptbahnhof ankam, nach stundenlanger Fahrt versteckt unter einem Tisch, klatschte und winkte niemand. Der Empfang war kühl wie das bayrische Spätherbstwetter. Die Polizei, die ihn aufgriff, habe ihn mit Gewalt dazu gebracht, seine Fingerabdrücke abzugeben, erzählt er. Dabei wollte er doch noch weiter, vielleicht nach Dänemark.

Filimon Mebrhatom verbrachte die erste Nacht in München in einem Container vor einer Flüchtlingsunterkunft. „Ich dachte, in Europa lebt man frei und macht, was man will“, sagt er. „Hass und Gewalt hatte ich nicht erwartet.“

Ein Flüchtling in einem Münchner Unterkunftszelt im Herbst 2014. Um diese Zeit erreichte auch Filimon Mebrhatom Bayern.
Ein Flüchtling in einem Münchner Unterkunftszelt im Herbst 2014. Um diese Zeit erreichte auch Filimon Mebrhatom Bayern.

© Tobias Hase/dpa

Schnell stellte er nach seiner Ankunft fest, dass seine Umgebung einem afrikanischen jungen Mann vor allem mit Misstrauen begegnete. Dass nicht Mensch gleich Mensch ist, wie er gehofft hatte, sondern dass die Europäer durchaus einen Unterschied machen.

Dieses Gefühl der Ohnmacht hat schon in Afrika begonnen, nach den ersten Stunden auf der Flucht. In Äthiopien werden Filimon Mebrhatom und sein Cousin von Soldaten aufgegriffen und in ein Sammelcamp für Flüchtlinge gebracht, es heißt Endabaguna. Rund ein halbes Jahr vor seiner Ankunft, das hat er für sein Buch recherchiert, lebten in Äthiopien laut UN-Flüchtlingswerk mehr als 70 000 eritreische Flüchtlinge. Von Endabaguna werden sie auf andere Lager im Land verteilt. Filimon Mebrhatom wird von seinem Cousin getrennt – und es beginnt für ihn das gefährliche Geschäft mit Schlepperbanden.

In den Fängen der Schlepper

Immer wieder wird er während seiner Reise gezwungen, Verwandte anzurufen. Er schreibt: „Diesen Verwandten wird über Verbindungsleute Geld abgepresst.“ Haben sie gezahlt, geht es weiter – oder auch nicht. Denn wo einmal Geld gezahlt wurde, passiert das vielleicht auch ein zweites Mal. Flüchtlinge sind eine lukrative Einnahmequelle. Das ist im Grunde auch der einzige „Schutz“, der ihnen bleibt und der dafür sorgt, dass – gelegentlich – ein kleines Interesse aufseiten der Schlepper besteht, dass sie überleben.

Ein Cousin im Exil bezahlt für ihn. Geld, das er bei sich trägt, näht er in seine Kleidung ein. „Hier“, sagt Filimon Mebrhatom und hält den Bund einer Jacke in die Kamera. Er zeigt auf die feinen Nähte. „Die haben wir aufgetrennt, Geldscheine gerollt und hineingeschoben.“

Nachdem Filimon Mebrhatom aus Endabaguna in ein anderes Camp transportiert worden ist, versucht er mithilfe von Schleppern in den Sudan zu kommen, wird von Polizisten aufgegriffen, die ihn an andere Schlepper verkaufen wollen, landet in einem äthiopischen Gefängnis – und am Ende wieder im Camp, aus dem er geflohen war.

Überall Erbrochenes

Er ist noch immer nicht im Sudan angekommen, als ihn Schlepper zwingen, nachts einen Fluss zu durchqueren. Als Nichtschwimmer ohnehin verängstigt, wird ihm am Ufer klar, dass dies nur der Fluss Tekeze sein kann. Seine ältere Schwester ist Jahre zuvor darin ertrunken. Auch sie war auf der Flucht. Filimon Mebrhatom gerät in Panik – und wird schließlich von einem Schlepper durch das Wasser gezerrt.

Er wird geschlagen. Er sieht, wie mitreisende junge Frauen vergewaltigt werden.

Mit einem Konvoi von vier Pick-ups wird die Gruppe der Flüchtenden, zu der er gehört, schließlich in die Sahara aufbrechen, Richtung Libyen. Während die Schlepper sich mit kalten Getränken aus einer Kühltruhe versorgen, bekommen die Flüchtlinge lange gar nichts und dann ein Benzin-Wasser-Gemisch zu trinken. „Die Schlepper taten das, damit wir nicht zu viel tranken“, schreibt Filimon Mebrhatom. Auf der Weiterfahrt müssen sich alle davon übergeben. „Überall auf der Ladefläche und auf unseren Körpern war Erbrochenes, und dadurch wurde natürlich denjenigen, die sich nicht übergeben hatten, auch noch schlecht.“

Es ist nicht das erste und nicht das einzige Mal, dass der Transport so verläuft. Eine Fahrt in einem Kühltransporter überleben nicht alle seiner Mitreisenden.

Mehrere Monate in libyschen Gefängnissen

Banditen überfallen den Konvoi und verkaufen ihn an Kamelhirten. Die Kamelhirten verkaufen ihn ein paar Tage später an andere Schlepper. Mehrere Monate verbringt er in libyschen Gefängnissen. Eines wird von Dschihadisten überfallen, die ihn und einige andere entführen. Er wird gequält, gefoltert und gezwungen, zum Islam zu konvertieren. Über den Tag der Entführung schreibt Filimon Mebrhatom: „An diesem Tag hätte ich mich selbst getötet, wenn ich die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Doch mein Schicksal lag nicht mehr in meiner Hand.“

Am Mittelmeer ist er da noch lange nicht.

Flüchtlinge auf dem gefährlichen Seeweg in Richtung des italienischen Lampedusa.
Flüchtlinge auf dem gefährlichen Seeweg in Richtung des italienischen Lampedusa.

© Roberto Salomone/AFP

Filimon Mebrhatom hat sich damals gefragt, wie Menschen so brutal sein können. Er sagt, er werde es nie verstehen. Noch immer wecken ihn schlechte Träume. Er vergisst nicht das Gefühl, als sich eine Frau neben ihm auf seine Kleidung erbrach. Er vergisst nicht die Schmerzen. Er isst heute vor allem Gemüse, trinkt keine Milch. Er habe unterwegs Fleisch essen müssen, sagt er, dessen Herkunft er nicht kannte, dessen Konsistenz ihm fremd war, das ihn würgen ließ – bis der Hunger größer war.

Er erzählt das alles mit großer Ruhe. Tatsächlich hat er schon häufiger öffentlich über seine Erlebnisse gesprochen. 2019 sogar im Europaparlament. Dort verliest er, wie er schließlich in Libyen am Strand sitzt und darauf wartet, von den Schleppern per Schlauchboot zu einem größeren, hölzernen Boot gebracht zu werden. Wie seine Panik wächst. Wie er sich weigert, in den überfüllten Laderaum des Holzbootes zu steigen, und ans Heck flüchtet.

Sein Traum: die Flucht verfilmen

Durch die Handykamera zeigt er das gemütliche Zimmer, in dem er heute wohnt. Vor ein paar Jahren hat ihn ein deutsches Paar als Pflegesohn aufgenommen. Bei ihnen lebt er noch immer, autonom, wie ein Mitbewohner. Dort steht seine Krar, eine afrikanische Gitarre. In einer Vitrine bewahrt er sein Equipment auf: an einer privaten Schule hat er eine Ausbildung zum Cutter und Kameramann gemacht, schon in Eritrea wollte er Kameramann werden. Er hätte gern dokumentiert, wie schlecht es seinem Land und den Leuten geht.

Es ist sein Traum, die Route seiner Flucht noch einmal abzureisen und alles zu filmen. Doch wer sollte ihn dabei schützen? Nach seinen öffentlichen Auftritten riefen Afrikaner mit anonymen Nummern bei ihm an und drohten, er solle aufhören, gegen die Regierung zu kämpfen.

Er arbeitet nun als Gärtner. „Besser als zu Hause sitzen“, sagt er und klingt unfassbar enttäuscht. Auf keine seiner mehr als 50 Bewerbungen als Kameramann oder für eine Ausbildung als Mediengestalter habe er eine positive Rückmeldung bekommen, sagt er. Seine Pläne, seine Träume – geerdet, im wahrsten Sinne.

In seiner Freizeit dreht und schneidet er Musikvideos, er hat begonnen zu rappen. Wütende Texte, die auch seine Rassismuserfahrungen thematisieren. Er sagt: „Es gibt gute Menschen, die dir helfen. Aber die Mehrheit ist anders.“

Sein Geburtsdatum wird ersetzt

Dabei wirkt Filimon Mebrhatom so „integrationswillig“, wie es mehr nicht geht. Irgendwann hatte er sogar begonnen, selbst beim Jugendamt anzurufen und Termine zu vereinbaren. Mithilfe von Kindersendungen brachte er sich Deutsch bei, als noch nicht klar war, ob er bleiben und insofern auch noch nicht zur Schule gehen durfte. Wo immer es ging, sprach er fortan für sich selbst.

Es half nicht immer. Obwohl er sich seine Taufurkunde aus Eritrea organisiert hatte, die sein Geburtsdatum und seinen Namen dokumentiert, legten die deutschen Behör

den ein anderes Alter fest. Filimon Mebrhatom lacht bitter, wenn er davon erzählt: „Ein Arzt, eine Frau und ein Übersetzer sitzen in einem Zimmer. Ich rede mit ihnen, der Arzt schaut mir ins Gesicht. Ich habe ihnen mein Geburtsdatum genannt. Aber sie haben selber ein anderes bestimmt.“ Sein Geburtsdatum im Herbst wird ersetzt durch den 1. Januar, deutsche Behördenpraxis. Er wird ein Jahr älter gemacht. 1.1.1998.

Sein erster Asylantrag wird abgelehnt. Erst seit November 2019 sei er anerkannter Flüchtling mit blauem Reisepass für drei Jahre. Es muss schwer sein, ein Trauma zu bewältigen, wenn man sich niemals sicher fühlen darf. Filimon Mebrhatom, der aufgebrochen ist, weil er selbst über sein Leben bestimmen wollte, ist im Geflecht von aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen immer wieder abhängig von anderen.

Kurz schwenkt er die Kamera über den Pass vor sich auf dem Tisch. „Was sind drei Jahre?“, fragt er. „Die Flucht ist nicht zu Ende.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false