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Besuch beim Union-Spiel.: Talentescout David Winter (Itay Tiran).

© ARD Degeto/Sommerhaus Serien GmbH/Das Netz Gmbh/Stephan Rabold

ARD-Serie über Korruption im Weltfußball: Mord in der Alten Försterei

Eine Eventserie blickt hinter die Kulissen des Fußballs und bringt vor allem zum Vorschein: Korruption und Kommerz.

Ein kaltgrauer Marmorblock am Rande der Züricher Berge, die Zentrale des Weltfußballverbandes WFA. Was geht dahinter vor sich? Liegt hier die Seele des Fußballs begraben? Der ARD-Event-Mehrteiler „Das Netz“ verspricht nichts weniger als einen Einblick in die korrupten Machtstrukturen des glamourösen, internationalen Spitzenfußballs. Dass das Ganze wenige Wochen vor Start der umstrittenen Fifa-WM in Katar ausgestrahlt wird, lässt erahnen, dass die Schere zwischen Fiktion und Realität hier nicht ganz so groß ist wie bei Eventserien üblich.

Dazu kommt einem bei der Rolle des alerten WFA-Präsidenten Jean Leco, der mithilfe dubioser Methoden und Netzwerke, an den Interessen vieler Einzelverbände vorbei, eine World League ins Leben rufen und gleich auch noch selbst kommerziell vermarkten will, recht bald Fifa-Boss Infantino in den Sinn. Dessen Ideen zum Weltfußball bis hin zur WM in Katar werden bekanntlich nicht von allen mitgetragen, um es vorsichtig auszudrücken.

Raymond Thiry gibt diesem Leco eine smarte, geradlinige Schmierigkeit, shakespearehaft sinister, dass es dem Zuschauen kalt den Rücken runterläuft („Das Netz: Spiel am Abgrund“, ab Freitag, 21. 10., in der Mediathek, am 3. 11., ARD, 20 Uhr 15. „Das Netz: Prometheus“, ab 28. 10., ARD-Mediathek, ab 17. 11. im Ersten, jeweils acht Folgen).

Um Aufstieg und Fall (?) dieses Weltmannes entspinnt das Drehbuch (Headautor: Bernd Lange; Regie: Rick Ostermann) zwischen Berlin-Köpenick, Zürich und Südafrika über satte acht Folgen einen Thriller mit vielen, manchmal zu vielen Volten. Da ist der Fußballscout David Winter (Itay Tiran), der am Rande eines Spiels der Eisernen in der Alten Försterei ermordet wird.

Da ist seine Freundin Lea Brandstätter (Birgit Minichmayr), eine Anwältin, die infolge der Ermittlungen nach dieser Tat Lecos weltweiten Machenschaften auf die Spur kommt. Ihr zur Seite: Winters Geschäftspartner Richard (Tom Wlaschiha) und die Frage, ob Talentscouting so selbstlos ist.

Tausende afrikanische Jugendliche werden Jahr für Jahr mit dem Versprechen einer Profikarriere nach Europa gelockt. Einem Bruchteil gelingt es, mit Fußball Geld zu verdienen, das meiste Geld landet woanders.

Ein Dorn im Auge auch für den gerade aus dem Gefängnis entlassenen Hooligan Marcel (Max von der Groeben als fleischgewordene Wut), dessen bester Freund beim Anschlag auf Winter ebenfalls ums Leben kam. Marcel wiederum ist verstrickt mit dem Russen Mikhail (Surho Sugaipov), Chef in einem Fightclub, der in den Mord an Ritter und Marcels Kumpel verwickelt zu sein scheint. Über allem thront der piekfeine Leco, der Kasse mit einer eigenen Weltliga machen will.

„Wo kriegt man einen guten F... in Zürich?

Ein Mitglied der Weltfußball-Asssociation (WFA) in „Das Netz“

Ein großes Tableau für den großen Kampf: vermeintlich Gut (Fußballfans, Fußballscouts, „Dritte Welt“, Investigativjournalisten) gegen Böse (WFA-Boss, WFA-Rat, Russen auch). Mancher Erzählfaden versandet. Etwas dick aufgetragen die widerständige Rolle von Jeanne Awona (Joy Anwulika Alphonsus), Ghanas stellvertretender Sportministerin, derer sich Leco kolportagenhaft leicht habhaft macht. Frei nach dem WFA-Motto, alles ist erlaubt, solange es aus dem Marmorbau nicht nach außen dringt: Scheinheiligkeit, Bestechung, sogar Mord.

So schlängelt sich „Das Netz“ über 280 Minuten der großen Frage entgegen, ob Leco mit alldem durchkommt, und bildet damit eines der Serienhighlights des Herbstes im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Den acht Folgen, die ab Freitag in der ARD-Mediathek zu sehen sind, folgt ein weiterer Mehrteiler zum großen Thema Fußball und Geschäfte: „Prometheus“, unter anderem mit Tobias Moretti (ab 28. 10. in der Mediathek).

Die einzelnen Serien sollen für sich stehen und eine eigene Geschichte erzählen – verbunden durch Handlungsstränge und wiederkehrende Figuren – und dabei tiefere Einblicke in die Geschehnisse hinter den Kulissen des Weltfußballs mit all seinen Facetten geben.

16 Teile Fußballgeschäft, 16 Teile Schweinereien („Wo kriegt man einen guten F... in Zürich?“) – weniger wäre mehr gewesen. Dass es seitens des Weltfußballverbands bei der Vergabe von großen Turnieren schon mal mit Kuckucksuhren und Goldarmbanduhren in Richtung Afrika und Asien abgehen dürfte, haben wir uns gedacht. Zürich kann sehr kalt sein. Für einen halbwegs spannenden Bingewatch-Abend reicht diese Thrillerserie aber allemal. Bis uns die große Fußball-Realität ab 20. November einholt: mit der Fifa-Fußball-WM in Katar.

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