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Kabinenspaß mit David Alaba und Kollegen.

© Amazon Prime

Doku über den FC Bayern: Die Fußballgötter müssen verrückt sein

Mehr als Fan-TV: Eine Doku bei Amazon Prime blickt hinter die Kulissen des FC Bayern München.

Februar 2021. Winter in Deutschland, sonniger Morgen in Katar. Eric Maxim Choupo-Moting, Stürmer des FC Bayern München, liegt in Badehose mit Kopfhörern am Pool. Mitspieler Serge Gnabry kommt vorbei, flaxt: „Schaut euch das an, wie sich der Choupo da aalt.“ Typischer Bayern-Luxus, gar Bayern-Arroganz? Wir sind hier aber nicht beim FC-Bayern-TV, sondern bei einer Doku-Reihe von Amazon Prime Video, die nichts weniger vorgibt, als das Innenleben des polarisierenden und populärsten Fußballclubs Deutschlands zu erkunden, mit Historie und Schicksalsmomenten.

Die Frage bei einem solchen Projekt war ja: Wird das Fan-TV oder doch ein bisschen „Frontal 21“? Kann das auch kritisch über den Schneidetisch gehen? Jein, so die Antwort nach Sichtung der ersten von sechs Folgen, die Anfang der Woche bei einem Medien-Event in einem Münchner Kino präsentiert wurden. Zu Gast dort nicht nur Regisseur Simon Verhoeven und Kameramann Nepomuk V. Fischer, die es geschafft haben, über acht Monate – seit dem Champions-League-Sieg in Lissabon im Herbst 2020 – in die Kabinen des Rekordmeisters zu kommen, sondern auch die gesamte Bayern-Entourage sowie Manuel Neuer und Thomas Müller. Die wurden am Roten Teppich empfangen wie Popstars.

In sechs Ländern soll die Doku laufen

Wer so was selten sieht, denkt, hier kommt gleich Adele oder Helene Fischer vorbei. Der Verein mit seinen zehn Millionen Fans alleine in Deutschland ist ein großer, fast globaler Deal für Amazon Prime Video, wie Geschäftsführer Christoph Schneider versichert. Win-Win-Situation, das sagt man wohl dazu. In sechs Ländern soll die Doku laufen („FC Bayern – Behind the Legend“, Amazon Prime Video, sechs Folgen ab Dienstag, 2. November).

Zurück zum Kameramann, zu Gnabry & Co., den Spielerkabinen, ins Heiligtum eines jeden Fußballvereins, ähnlich wie bei den Dokus über Borussia Dortmund oder Manchester City (die laut Prime Video sehr gut laufen; Streamingzahlen werden nicht genannt): Der Höhepunkt des neuen 270-Minüters ist die Ansprache von Trainer Hansi Flick im April an seine Spieler, in der er verkündet, dass er den Verein verlassen wird. Man kann die Stecknadel fallen hören. Die Spieler schauen ins Leere.

Der Mythos soll mit Privatem aufgeladen werden

Das wirkt authentisch, was man nicht von allen Sequenzen aus Massageräumen, Vorstandsbüros und Kabinen sagen kann. Wenn dort David Alaba seinen Sieg im Fußballtennis mit einem Tänzchen feiert, dann weiß er, welcher Player hier die Kamera laufen lässt. Das Drehbuch schrieb die jüngere Erfolgsgeschichte des FC Bayern im Grunde selbst: in der vergangenen Saison mit sechs Titeln. Nichtsdestotrotz wirken jene Passagen leicht überinszeniert, die den Erfolgsmythos Bayern-Familie mit Privatem aufladen, mit Stories von Manager Hasan Salihamidžic (Kindheit mit Krieg in Bosnien) oder Alphonso Davies (kam im ghanaischen Flüchtlingslager zur Welt, nachdem seine aus Liberia stammenden Eltern aufgrund des Bürgerkrieges geflohen waren). Sie fanden eine zweite Heimat beim FC Bayern, wie auch die kürzlich verstorbene Stürmerlegende Gerd Müller, dem die Reihe gewidmet ist.

„Mia san mia!“ aus allen Poren? Nein, das Ergebnis ist nicht nur Fan TV, selbst wenn Regisseur Verhoeven sagt: „Der Dreh war eine Ehre. Als Münchner Fußball-Jung war es eine surreale Erfahrung, so nah dran sein zu können. Ich war als Junge mit meinem Papa im Olympiastadion.“ Olympiastadion ist lange her. Da gab’s noch die D-Mark. Nun rollen Millionen Euros beim Unternehmen FC Bayern, wecken überall Begehrlichkeiten. Amüsanterweise spielen teils humorige Absprachen zwischen Salihamidžic und Vorstandsboss Oliver Kahn mit dem knallharten Image („Olli, den kaufen wir auch noch“), dass der Legende FC Bayern bei allem Familiären anhaftet.

Thomas Müller gibt wieder den Spaßmacher

Ist das Selbstironie? Arroganz? Entlarvend und klarer dann später Kahns Geständnis, in den 1990er Jahren wegen des steten Erfolgsdrucks depressiv gewesen zu sein. Oder die Art und Weise, wie sich Salihamidžic und sein scheidender Trainer Flick in der Kabine kaum ansehen. Sehenswert auch, wie dieser der Teammanagerin im Spiel gegen Dortmund von Erling Haaland vorschwärmt („Das ist eine Maschine!“) und scherzt: „Morgen ruf ich den Berater an.“

Fast möchte man den FC Bayern für den Deutschen Comedypreis vorschlagen. Allen voran Thomas Müller, der seinen Kollegen erzählt, wie er in der häuslichen Corona-Isolation irgendwie „gemeinsam“ mit Frau Lisa essen konnte, er im Keller des Hauses, sie auf der Treppe. Für Müller scheint dieses Format erfunden. Ja, klar, es habe schon mal gekracht mit dem Kamerateam, wenn’s in der Kabine zu intim wurde. „Nepomuk ist wie der FC Bayern: penetrant. Er eckt bewusst an, um zu sehen, wie weit er gehen kann.“ Es hat sich gelohnt. Was Verhoevens Team aus 2000 Stunden Roh- und Archivmaterial, Hunderten Drehtagen und 145 Interviews auf sechs Folgen verdichtet haben, von Wiedemann & Berg produziert, macht die Legende greifbarer. Ob das aus Bayern-Hatern Bayern- Fans macht, sei mal dahingestellt.

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