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Rettungskräfte suchen in Mandalay nach Opfern des Erdbebens. Mindestens 1000 Menschen kamen allein in Myanmar ums Leben.

© AFP/SAI AUNG MAIN

Update

Nach starkem Erdbeben in Südostasien: Mehr als 10.000 Tote befürchtet – akuter Mangel an medizinischen Hilfsgütern in Myanmar

Minutenlang bebt im Bürgerkriegsland Myanmar die Erde, die Folgen sind verheerend. Die Militärregierung zählt viele Tote, Verletzte und Vermisste. Auch im benachbarten Thailand gibt es Opfer.

Stand:

Nach dem schweren Erdbeben in Myanmar ist die Zahl der Todesopfer nach Angaben der Militärregierung des südostasiatischen Landes auf mehr als 1644 gestiegen. In einer Erklärung der Junta vom Samstag war zudem von 3408 Verletzten und mindestens 139 Vermissten die Rede.

So werden nach dem teilweisen Einsturz eines Wohnblocks in der myanmarischen Stadt Mandalay unter den Trümmern mehr als 90 Verschüttete befürchtet. Das sagte ein Vertreter des Roten Kreuzes am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Einsatzkräfte suchten nach ihnen unter den Trümmern der ehemals zwölfstöckigen Wohnanlage Sky Villa Condominium.

Laut einer Schätzung der US-Erdbebenwarte USGS könnte die Opferzahl in die Tausende gehen. Das Institut befürchtet, dass in Myanmar und den anderen betroffenen Regionen insgesamt mehr als 10.000 Menschen ums Leben gekommen sein könnten.

Ein akuter Mangel an medizinischen Hilfsgütern erschwert nach Angaben der UNO die Rettungsmaßnahmen. Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen in Myanmar seien stark beschädigt oder zerstört worden.

Verschlimmert wird die Lage auch durch den Bürgerkrieg in Myanmar. Von der Erdbebenkatastrophe sind Gebiete betroffen, die teils unter der Kontrolle von Junta-Gegnern stehen und teils von der Militärregierung beherrscht werden. In Mandalay fehlt es als Folge des Militärputsches vor vier Jahren an Krankenhäusern und Ärzten. Die Junta habe dort private Krankenhäuser geschlossen und viele Ärzte verhaftet, erklärte die „Widerstandsbewegung des zivilen Ungehorsams“ am Samstag auf dem Portal X. Ein Mitglied der Rettungsmannschaften sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Militär unterbreche vielerorts oft die Internetverbindung wegen der dort andauernden Konflikte.

Am Freitag hatte die Erde in Südostasien heftig gebebt und schwere Zerstörungen angerichtet. Das Deutsche Geoforschungsinstitut (GFZ) in Potsdam und die US-Erdbebenwarte (USGS) geben die Stärke mittlerweile mit 7,7 an. Zudem registrierten beide Institute ein paar Minuten später etwas südlich ein weiteres Erbeben mit einer Stärke von 6,4. 

Auch aus Thailand gab es Berichte über Todesfälle. Mindestens neun Menschen sollen gestorben sein. Hinzu kommen demnach allein 101 Vermisste in der Millionenstadt Bangkok. Bei dem Einsturz eines im Bau befindlichen 30-stöckigen Hochhauses in der thailändischen Hauptstadt Bangkok sollen mindestens drei Menschen ums Leben gekommen, mehr als 80 Arbeiter würden vermisst. Die Regierung rief für die Stadt den Notstand aus.

Lebenszeichen unter Trümmern in Bangkok festgestellt

Berichten zufolge haben die Rettungskräfte unter den Trümmern mittlerweile Lebenszeichen festgestellt. Wie mehrere Medien unter Berufung auf die Behörden berichteten, befinden sich die rund 15 Eingeschlossenen in Gruppen zu je drei bis sieben Leuten unter dem Berg aus Stahl und Beton.

Die Rettungsteams versuchten Wasser und Lebensmittel zu den Menschen zu schaffen, zitierte der thailändische Rundfunksender Thai PBS den Direktor des Katastrophenschutzes, Suriyachai Rawiwan. Das Problem sei allerdings, dass manche in einigen Metern Tiefe eingeschlossen seien. „Wir haben etwa 72 Stunden Zeit, um ihnen zu helfen, denn das ist der ungefähre Zeitraum, in dem ein Mensch ohne Wasser und Nahrung überleben kann“, sagte er demnach. 

Berichten zufolge blieb die genaue Zahl der unter den Trümmern begrabenen Opfer unklar. Vor dem Unglücksort warteten Menschen auf Neuigkeiten zu ihren Angehörigen. Die Polizei rief dazu auf, den Unglücksort zu meiden, um die Rettungsarbeiten mit schwerem Gerät nicht zu behindern.

Thailändische Wetterbehörde verzeichnet Nachbeben

Die thailändische Wetterbehörde verzeichnete einen Tag nach dem schweren Erdbeben außerdem weitere Erdstöße. Von den 77 gemessenen Erdstößen, die sich hauptsächlich auf dem Gebiet des im Norden angrenzenden Myanmars ereigneten, waren allerdings die meisten deutlich schwächer und mitunter kaum zu spüren, wie es hieß. 

Die Europäische Kommission teilte am Freitagabend mit, den Copernicus-Satellitendienst zu aktivieren, um die Folgen des Erdbebens besser beurteilten zu können. 

Auch die US-Erdbebenwarte USGS verzeichnete bei dem Beben eine Stärke von 7,7. Das Beben ereignete sich etwa 50 Kilometer östlich von Monywa in der Landesmitte – laut USGS in nur zehn Kilometern Tiefe.

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Nach Angaben der geschäftsführenden Bundesregierung gibt es vorerst keine Hinweise auf deutsche Opfer. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es keine Erkenntnisse über betroffene Deutsche, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Mittag in Berlin. Die Lage sei noch sehr unübersichtlich.

Minutenlanges Erdbeben in Bangkok

Bangkok liegt etwa 1000 Kilometer vom Epizentrum entfernt. In der Stadt bebte minutenlang die Erde, Menschen verließen in Panik ihre Häuser. Im Stadtteil Silom im Zentrum der Hauptstadt waren Tausende Menschen auf der Straße, viele rannten.

Wegen eines Erdbebens haben Menschen in Bangkok ihre Häuser verlassen und stehen im Zentrum der Stadt auf einer Straße.

© dpa/Carola Frentzen

Sofort waren auch Helfer im Einsatz, die die Menschen anleiteten, sich unter freien Himmel zu begeben und die Gebäude zu verlassen. Aus den Krankenhäusern wurden Patienten auf die Straßen gebracht. Ein Büroturm in der Innenstadt von Bangkok schwankte mindestens zwei Minuten lang hin und her, wobei Türen und Fenster laut knarrten, wie Zeugen berichteten.

Nach Erdbeben: Ärzte in Myanmar am Limit

Nach dem schweren Erdbeben in Myanmar sind so viele Verletzte zu behandeln, dass selbst eines der größten Krankenhäuser in der Hauptstadt Naypyidaw völlig überlastet ist. „Das ist ein Massen-Opfer-Gebiet“, ruft ein Krankenhausmitarbeiter, als er versucht, Platz für die Verletzten und das medizinische Personal zu schaffen.

Rund um die 1000-Betten-Klinik wurden Verletzte unter freiem Himmel behandelt. Durch das Erdbeben war der Eingang der Notaufnahme eingestürzt. 

Viele Menschen auf dem Krankenhausgelände waren blutverschmiert und mit Staub bedeckt, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Einige saßen auf dem Boden, den Kopf zwischen den Armen verborgen. Manche wanden sich oder schrien vor Schmerzen, andere liegen in Schockstarre da und warteten auf Hilfe. Angehörige versuchten zu trösten.

Wie die Nachrichtenagentur weiter berichtete, stürzte in Taungoo ein Kloster ein, in dem Vertriebene untergebracht waren. Fünf Menschen starben demnach, darunter auch Kinder. Mehrere Menschen sollen noch eingeschlossen sein, hieß es unter Berufung auf Augenzeugen.

Die Kliniken benötigen demnach dringend Blutkonserven. Im von der Junta autoritär regierten Krisenland Myanmar dringen Informationen oft nur schwer nach außen.

WHO bereitet Lieferungen medizinischer Güter vor

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereitet indes die Lieferung medizinischer Güter vor. Insbesondere Ausrüstung zur Behandlung von Verletzungen wie Knochenbrüchen solle angesichts der „vielen, vielen Verletzten“ bereitgestellt werden, sagte Sprecherin Margaret Harris. Aufgrund der Erfahrungen nach dem schweren Erdbeben 2023 in der Türkei und Syrien wisse die WHO „sehr gut, was zuerst geliefert werden“ müsse.

Indien hat bereits erste Hilfsgüter in das Nachbarland Myanmar geschickt. Ein Flugzeug der indischen Luftstreitkräfte sei mit einer 15 Tonnen schweren Ladung mit Hilfsmaterialien wie etwa Zelte, Decken, Generatoren und Arzneien in der Stadt Yangon gelandet, teilte das Außenministerium in Neu-Delhi auf der Plattform X mit. 

Begleitet wurde die Lieferung demnach von einer Gruppe von Such- und Rettungskräften sowie von einem medizinischen Team. Indien beobachte weiter die Entwicklungen nach dem Erdbeben und es werde mehr Hilfe folgen, kündigte Außenminister Subrahmanyam Jaishankar an.

Menschen begutachten die Trümmer eines eingestürzten Gebäudes in der Stadt Mandalay.

© AFP/STR

In sozialen Medien waren einstürzende Gebäude in Mandalay zu sehen und auf den Straßen liegende Trümmer. Ein Augenzeuge aus Mandalay sagte: „Wir sind alle aus dem Haus gerannt, als alles zu beben begann. Ich habe gesehen, wie ein fünfstöckiges Gebäude eingestürzt ist. Alle Menschen in meiner Stadt sind auf der Straße, und niemand traut sich, in die Gebäude zurückzukehren.“

Auch in der Hauptstadt von Myanmar, Naypyidaw, gab es zahlreiche Opfer. Wie Behördenvertreter mitteilten, waren in der Nähe eines der wichtigsten Krankenhäuser der Stadt zahlreiche Straßen beschädigt, es kam zu Staus und Verzögerungen bei Krankentransporten. Verletzte wurden teilweise auf den Straßen versorgt.

Ein buddhistischer Mönch steht in den Trümmern eines beschädigten Gebäudes in einer Klosteranlage in Myanmar.

© dpa/AP/Aung Shine Oo

In dem Ort Aung Ban im Landesinneren Myanmars kollabierte ein Hotel, viele Menschen sollen dort eingeschlossen sein, wie Rettungsteams in sozialen Medien berichteten. In Sagaing brach eine alte Brücke ein.

Auch in der Stadt Rangun – etwa 500 Kilometer südlich des Epizentrums – gerieten Menschen in Panik. Ein Vertreter der Feuerwehr sagte Reuters: „Wir haben mit der Suche begonnen und fahren durch Rangun, um nach Opfern und Schäden zu suchen. Bislang haben wir noch keine Informationen.“

Weiteres Erdbeben erschüttert China und Indien

Ein weiteres Beben ereignete sich wenig später nordwestlich des ersten Bebens. Es hatte laut USGS eine Stärke von 6,4. Auch in Teilen Chinas und Indien sei das Beben zu spüren gewesen.

Wie das chinesische Staatsfernsehen berichtete, waren beide Beben auch in der an Myanmar angrenzenden Provinz Yunnan in Südwestchina deutlich zu spüren. Betroffen waren unter anderem die Großstadt Kunming oder die bei Touristen beliebten Orte Lijiang und Dali.

Der Katastrophenschutz in der Stadt Ruili sprach von Schäden an Häusern und Verletzen, wie chinesische Medien unter Berufung auf die Behörde berichteten. Auch in den chinesischen Provinzen Guizhou und Guangxi waren die Erdstöße zu spüren – ebenso in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi.

Die Volksrepublik, einer der wenigen Verbündeten Myanmars, schickte nach Angaben staatlicher Medien ein kleines Team des Katastrophenschutzes mit Spezialgeräten über die Grenze nach Myanmar. Zudem sagte das chinesische Außenamt weitere Hilfe zu. Staats- und Parteichef Xi Jinping sprach Militär-Junta-Chef Min Aung Hlaing sein Mitgefühl aus. 

Myanmar liegt in einer seismologisch aktiven Zone. Das Land ist zwischen vier tektonischen Platten eingeklemmt – der Indischen, Eurasischen, Sunda- und Burma-Platte, die aufgrund aktiver geologischer Prozesse interagieren. (Tsp, Agenturen)

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