zum Hauptinhalt
Eine junge Frau mit einem iPhone.

© Peter Steffen/dpa

Ständig online: Wie verändert uns das Smartphone ?

Viele mögen ihr Handy nicht mehr weglegen. Das hat möglicherweise ernste Folgen – für unsere Gesundheit, unseren Schlaf und unsere Konzentration.

Mehr als zwei Stunden verbringt der deutsche Smartphone-Nutzer jeden Tag mit seinem Gerät. 41 Prozent schauen schon in den ersten 15 Minuten nach dem Aufstehen aufs Handy. Und 38 Prozent haben schon mal versucht, ihren Konsum einzuschränken, aber nur zwei Prozent hatten damit Erfolg.

Allein diese Zahlen aus einer Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens Deloitte aus dem Jahr 2017 zeigen: Das Smartphone ist aus dem Leben vieler Menschen nicht wegzudenken. Nachrichten schicken, telefonieren, Musik hören, navigieren und sich orientieren, sich informieren, Fotos machen: Die Liste der nützlichen Funktionen ist endlos. Doch mittlerweile stört es viele Menschen, dass sie so viel von ihrer wachen Zeit mit dem Gerät verbringen. Wer hat sich noch nicht ertappt, als er nur etwas auf dem Smartphone nachschauen wollte und dann zehn Minuten mit etwas ganz anderem verbracht hat? Mittlerweile beschleicht so manchen das Gefühl, dass all die Annehmlichkeiten, die das Smartphone mit sich bringt, einen Preis haben. Viele Eltern fürchten, ihre Kinder könnten sogar süchtig sein.

Viele Eltern fürchten, ihre Kinder könnten süchtig sein

Dass man ständig das Bedürfnis hat, auf sein Handy zu schauen, hat einen einfachen Grund: Apps sind so programmiert, dass wir möglichst viel Zeit in ihnen verbringen. Vor allem in den sozialen Medien ist unsere Aufmerksamkeit nämlich Geld wert. Das Geschäftsmodell von Facebook, Instagram und Co. ist es, Werbung zu verkaufen. Je mehr Werbung wir sehen, desto besser für die Tech-Giganten.

Gleichzeitig werden Social-Media-Nutzer das gute Gefühl kennen, wenn jemand unter ihrem Beitrag oder Foto auf „Gefällt mir“ klickt. Oder besser noch: Wenn das viele tun. Ähnlich wie bei einem Lob wird dann im Gehirn das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Und wenn – vereinfacht gesagt – das Gehirn lernt, dass ein bestimmtes Verhalten Glückshormone verursacht, entsteht ein Verlangen nach mehr davon.

„Um die Zeit, die wir mit unseren Geräten verbringen, zu maximieren, manipulieren ihre Designer unsere Gehirnchemie mit Methoden, die dafür bekannt sind, Suchtverhalten zu verursachen“, schreibt die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Catherine Price in ihrem Buch „How to break up with your Smartphone“.

[Testen Sie selbst, ob Sie süchtig sind nach Ihrem Smartphone? Zum Test geht es hier]

Das klingt düster. Doch dass die dauernde Nutzung von Smartphones gefährlich sein kann, ist belegt. Dafür muss man sich nur einmal Werner Herzogs halbstündige Dokumentation „From one second to the next“ ansehen, die im Netz frei zugänglich ist. Es geht dort um schwerste Verkehrsunfälle, die passierten, weil Autofahrer während der Fahrt SMS schrieben oder lasen.

Handy als Unfallursache schwer nachweisbar

Wie viele Unfälle tatsächlich so verursacht werden, weiß zwar niemand, „weil es eben schwer nachzuweisen ist, dass wirklich die Handynutzung den Unfall bedingt hat“, sagt der Sprecher der Berliner Polizei, Stefan Petersen. 2018 seien lediglich in 38 Fällen Mobiltelefone als „unfallursächlich“ nachgewiesen worden. Im gleichen Zeitraum wurden in Berlin allerdings fast 21.000 Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit verbotswidrig genutzten elektronischen Geräten eingeleitet.

Erschreckend ist auch, was Psychologen der TU Braunschweig feststellten, als sie eine Autobahnabfahrt beobachteten: Fast jeden zehnten Fahrer und jede zehnte Fahrerin knipsten sie beim Nutzen eines Smartphones am Steuer. Wobei man natürlich auch sagen muss: Seitdem es Handys gibt, ist es bei Unfällen sehr viel einfacher, Hilfe zu holen.

Die Frage, die – seit Handys vor etwa zwei Jahrzehnten allgegenwärtig wurden – deren Nutzer am meisten zu interessieren scheint, ist die, ob die elektromagnetische Strahlung der Geräte gesundheitsschädlich ist. Bis heute gibt es darauf keine klare Antwort. Die unklare Antwort lautet: Eher nicht.

Allerdings wurde zumindest bei männlichen Ratten in einer großen, von der US-Regierung finanzierten Studie nachgewiesen, dass hohe Dosen von Frequenzen von UMTS und dessen Vorgänger (2G) Herztumore auslösen können. Solche Tumore sind bei Menschen allerdings selten und scheinen, seit die Handys in unser Leben getreten sind, auch nicht häufiger geworden zu sein. Aber weil Ratten und Menschen unterschiedlich sind, ist es eben auch nicht auszuschließen, dass Handys doch Tumore fördern könnten. Und zu den neueren Standards LTE und 5G gibt es bisher kaum abgeschlossene Forschungsprojekte. Plausible Verdachtsmomente und Hinweise aus Experimenten, dass speziell 5G alles andere als unbedenklich sein könnte, existieren aber.

"Whatsappitis" - eine neue Form der Sehnenscheidenentzündung

Auch für andere, nachteilige Einflüsse von Handystrahlung gibt es Hinweise. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat man Studien ausgewertet, in denen es um Zusammenhänge zwischen Telefonnutzung und Haltungsschäden sowie Schmerzen ging. Ergebnis: Intensive Smartphone-Nutzung kann das Risiko für Muskel-Skelett-Erkrankungen erhöhen. Eine davon ist die „Whatsappitis“, eine Sehnenscheidenentzündung des zu viel tippenden und wischenden Daumens. Auch, dass spätabendliches Handysurfen die Schlafqualität und das Einschlafen negativ beeinflusst, gilt inzwischen als nachgewiesen. Eine Teilerklärung: Der hohe Blauanteil der Displays hemmt die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin.

Surfend in die Sucht? Kinder nutzen immer früher Tablets und Co.
Surfend in die Sucht? Kinder nutzen immer früher Tablets und Co.

© Getty Images/iStockphoto

Allein die Tatsache, dass viele selbst im ohnehin nicht gefahrfreien Straßenverkehr offenbar nicht anders können, spricht dafür, dass auch Sucht im Spiel ist. Tatsächlich sehen Experten eine Zunahme von Online-Sucht, seit das Handy nicht mehr nur ein Telefon, sondern „smart“ und ein veritabler Taschencomputer wurde. Bereits vor Jahren kam die sogenannte Pinta-Studie („Prävalenz der Internetabhängigkeit“) zu dem Ergebnis, dass vor allem jüngere Menschen gefährdet sind – Jungs und junge Männer vornehmlich durch Pornographie und Games, junge Frauen eher durch soziale Netzwerke.

In manchen Schulen herrscht ein Kulturkrieg

Mancherorts ist in Schulen ein Kulturkrieg um die Frage ausgebrochen, wie man mit den Smartphones der Schülerinnen und Schüler umgeht. In Deutschland gibt es nur ein Bundesland, dass ein Handyverbot im Unterricht und in den Pausen ausdrücklich im Schulgesetz verankert hat: Bayern. Mobiltelefone dürfen hier nur rausgeholt werden, wenn Lehrkräfte sie für eine Lehreinheit einsetzen. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, ist Direktor an einem bayrischen Gymnasium. In der Praxis lasse sich das Verbot kaum durchsetzen, sagt er. Denn einsammeln würden die Schulen die Geräte nicht. Und so würden Schüler diese oft nur auf lautlos schalten. Mit einem Blick würden sie dann eben doch darauf schielen, was gerade auf Instagram oder Whatsapp passiert, sagt Meidinger – und zitiert eine US-Studie, wonach auch ein stumm geschaltetes Handy 30 Prozent der Aufmerksamkeit von Jugendlichen in Anspruch nimmt.

Macht das Smartphone dümmer?

Deutschland steht bei der durchschnittlichen täglichen Online-Zeit – Smartphones und Tablets zusammengerechnet – weltweit an neunter Stelle. Spitzenreiter ist Brasilien mit im Durchschnitt fünf Smartphone-Stunden täglich. Von dort kommt auch eine Studie, die pro 100 Smartphone-Minuten am Tag eine Abnahme von 6,3 Prozent bei den schulischen Leistungen fand. Allerdings ist es hier wie so oft: Ob die Bildschirmzeit dümmer macht, oder ob Leute, die ohnehin nicht so smart sind, besonders viel ihr Smartphone nutzen, ist unklar.

Weil ein Tag nur 24 Stunden hat, haben Menschen, die viel aufs Smartphone schauen, auf jeden Fall weniger Zeit für echte Interaktionen mit anderen Menschen. Das soziale Leben wird auch dadurch beeinträchtigt, dass das Handy während Gesprächen gecheckt wird, oder ein Anruf oft wie selbstverständlich Priorität bekommt und die Konversation unterbricht. Psychologen stellen aber eben nicht nur fest, dass Leute durch ihr Smartphone oft abgelenkt und am Fokussieren auf anderes gehindert werden, sondern dass der Handy-Lifestyle auch generell ablenkbarer macht. Die Fähigkeit, sich zu fokussieren und länger als ein paar Sekunden auf eine Sache zu konzentrieren, scheint im Schnitt nachgelassen zu haben.

Auch Hinweise, dass bestimmte mentale Fähigkeiten durch Handynutzung direkt negativ beeinflusst werden, gibt es. So schnitten Teenager in der Schweiz, die viel das Handy am rechten Ohr hatten, in Erinnerungstests zu Formen und Mustern etwas schlechter ab als Altersgenossen, die ihr Telefon nicht so nutzten. Deutlich mehr Forschung dazu wäre nötig. Doch dass hier wirklich etwas passiert, halten Mediziner deshalb für plausibel, weil die für solche Aufgaben zuständige Region der Hirnrinde tatsächlich nahe dem rechten Ohr liegt.

Wissenschaftlich und auch medizinisch sind die meisten Fragen zu möglichen Risiken bislang insgesamt so ungenügend beantwortet wie die, welche echten Vorteile Smartphones etwa beim Lernen bringen können. Sicher ist nur eines: Nichts hat in den vergangenen 25 Jahren das menschliche Leben fast überall auf der Welt so verändert wie das Mobiltelefon – und in den letzten gut zehn Jahren speziell das Smartphone. Dass das nicht ohne Folgen für dieses Leben bleibt, ist so sicher wie die nächste Whatsapp-Nachricht.

Zur Startseite