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Mai 2018: Vor dem Spiel Hamburger SV gegen Borussia Mönchengladbach brennen Feuerwerkskörper vor dem Abpfiff auf der Tribüne.

© picture alliance/dpa/Axel Heimken

Polizeikosten bei Hochrisikospielen: Öffentliche Sicherheit ist eine staatliche Aufgabe – aber es gibt Grenzen

Es ist richtig, dass die DFL einen Teil der Polizeikosten tragen muss. Bestimmte Verhaltensweisen gehen über das hinaus, was die Gesellschaft mit Steuergeldern finanzieren muss.

Charlotte Greipl
Ein Kommentar von Charlotte Greipl

Stand:

Wie viel Krawall muss die Allgemeinheit tolerieren? Und wer trägt bei Ausschreitungen die Kosten? Das Bundesverfassungsgericht hat nun geklärt: Wer eine potenziell gewalttätige Veranstaltung durchführt, die von der Polizei personalintensiv und teuer gesichert werden muss, kann für die dadurch entstehenden Kosten zur Kasse gebeten werden

Geklagt hatte die Deutsche Fußballliga, um sich gegen die Kosten, die ihr das Land Bremen für den Mehraufwand der Polizei bei einem Hochrisikospiel im Jahr 2015 in Rechnung gestellt hatte, zu wehren. Bei der Entscheidung geht es jedoch um weit mehr als um Fußball und Ausschreitungen am Spielfeldrand: Wer soll für die Sicherheit einer Veranstaltung zahlen, wenn dabei private Organisationen – etwa die Fußballliga – Geld verdienen?

Die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten ist eine wichtige, vielleicht sogar die wichtigste, staatliche Aufgabe. Aber bestimmte Verhaltensweisen gehen über das hinaus, was die Gesellschaft akzeptieren und mit Steuergeldern finanzieren muss.

Wir haben uns daran gewöhnt, dass es jedes Jahr bei Fußballspielen zu körperlichen Auseinandersetzungen rivalisierender Fangruppen kommt, bei denen auch Polizisten verletzt werden. Das hat nichts mehr mit Sport und Fantum zu tun.

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Aber nicht nur das: Bei den Polizeieinsätzen entstehen enorme Kosten, etwa durch Überstunden und den Einsatz von Beamten aus anderen Bundesländern. Gerade in Zeiten klammer Kassen ist es richtig, neu darüber zu verhandeln, wer dafür aufkommen muss. Und es ist Zeit, den Verantwortlichen vor Augen zu führen: Bei konkreten Anhaltspunkten für drohende Gewalt wäre die Alternative, das Spiel ganz abzusagen oder das Publikum auszuschließen.

Natürlich geht die Gewalt nicht von den Fußballvereinen aus, auch nicht von gewöhnlichen Fans. Denjenigen, die über die Stränge schlagen, geht es in der Regel nicht einmal um Fußball. Aber trotzdem bietet das Spiel den Anlass und die Vereine haben durchaus Möglichkeiten, deeskalierend auf ihre Fans einzuwirken.

Die Kostenbelastung ist zumutbar

Die DFL und die Fußballvereine verdienen mit den Spielen sehr viel Geld. Dabei verlassen sie sich darauf, dass sie ihre Stadien füllen können – und im Notfall die Polizei bereitsteht und einschreitet. Die Kosten, die Bremen der DFL für das Hochrisikospiel aus dem Jahr 2015 in Rechnung gestellt hatte, belaufen sich auf gerade einmal 385.000 Euro. Für einen Verband mit einem jährlichen Umsatz von rund fünf Milliarden Euro eine durchaus zumutbare Summe.

Kritiker der Entscheidung warnen nun vor einer Privatisierung der öffentlichen Sicherheit. Das aber greift zu kurz. Denn Polizeieinsätze werden auch weiterhin mit öffentlichen Geldern finanziert, auch bei Fußballspielen. Die Fußballliga und die Vereine sollen nur den Risikozuschlag für die zusätzlich eingesetzten Polizeikräfte übernehmen.

Es ist richtig, dass die Polizei durch die Allgemeinheit finanziert wird – aber es gibt Grenzen.

Charlotte Greipl

Bei jedem öffentlichen Ereignis, der einen Polizeieinsatz erforderlich macht, gibt es Stimmen, die gerade diese Veranstaltung für nicht unterstützenswert halten und gerne sehen würden, dass der Veranstalter dafür blecht – sei es der Christopher Street Day oder der erst am vergangenen Wochenende nur dank massiven Polizeieinsatzes ermöglichte AfD-Parteitag in Riesa.

Aber all diese Veranstaltungen werden weiterhin bedingungslos geschützt. Das Bremer Gebührengesetz betrifft nur gewinnorientierte Veranstaltungen mit über 5000 Teilnehmern. Synagogengemeinden oder Demonstrationsteilnehmer müssen sich also gerade keine Sorgen machen, für ihren Schutz demnächst privat aufkommen zu müssen.

Außerdem darf die Gebühr nur wegen „erfahrungsgemäß zu erwartender Gewalthandlungen“ erhoben werden, die im räumlichen Umfeld der Veranstaltung stattfinden. In erster Linie sind damit Fußballspiele gemeint, aber auch Rockkonzerte oder das Oktoberfest könnten betroffen sein. Den Polizeieinsatz in diesen Fällen vollumfänglich von der Allgemeinheit zahlen zu lassen, ist kaum vermittelbar.

Wer eine Veranstaltung organisiert, bei der mit Gewalt gerechnet werden muss, der nimmt öffentliche Ressourcen in einem über das Übliche hinausgehenden Maß in Anspruch. Und wenn der Organisator damit Geld verdient, verfügt er in der Regel auch über die Mittel, um zumindest einen Teil der Kosten selbst zu übernehmen.

Es ist richtig, dass die Polizei durch die Allgemeinheit finanziert wird – aber es gibt Grenzen.

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