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In der Platte zeigte nicht Adidas, sondern die Aktivistengruppe „Yes Men“, awas der Sportartikelhersteller anders machen könnte.

© Michael Wittig

Protest gegen Adidas bei Fashion Week : Aktivismus ist in der Mode angekommen

Die Aktivistengruppe „Yes Men“ führte die Branche mit der Ernennung einer Gewerkschaftlerin zur angeblichen Co-CEO von Adidas an der Nase herum.

Der erste Fashion-Week-Tag begann mit einer Sensation: Adidas will eine neue Co-CEO in Berlin vorstellen. Montagmorgen landete dazu eine Pressemitteilung von Adidas bei den Fachmedien. Der neue Chef Björn Gulden wolle nichts Geringeres als eine Revolution für mehr soziale und ökologische Verantwortung wagen.

Dafür habe sich Gulden die investigative Journalistin und Gewerkschafterin Vay Ya Nak Phoan an die Seite geholt. Sie kommt aus Kambodscha, dem Land, wo Adidas viele seiner Schuhe produzieren lässt. Seltsam, dass das Logo umgekehrt abgedruckt war – und klang das nicht ein bisschen zu idealistisch für einen weltweit operierenden Konzern?

Dass sich Adidas auch noch die Platte als Partner ins Boot geholt hat – Respekt. Der Berliner Verein Platte in der Memhardtstraße in Mitte ist eigentlich ein Ort, an dem junge, wilde und vor allem diverse Mode präsentiert und verkauft wird. Und es kam noch besser: Die Kollektion, die gezeigt wurde, habe Popstar Pharrell Williams entworfen. Der ist nicht nur Popstar, sondern kümmert sich darum, dass Plastik aus dem Meer recycelt und zu Kleidung, vorzugsweise für Adidas, verarbeitet wird.

Erst als die neue Chefin sich in einer Siegerpose auf den am Boden knienden Marketingchef stellte, wurde auch den meisten geladenen Gästen klar – das hier kann nicht Adidas sein. Hinter der Aktion steckt die Aktivistengruppe „Yes Men“, die auf Missstände hinweisen will. Zum Beispiel, den, dass in Kambodscha noch elf Millionen Euro Löhne von Adidas-Lieferanten ausstehen, so erklärte es „Yes Men“-Gründer Mike Bonnano dem Magazin „Der Spiegel“.

„Wir haben keinen Moment gezögert, diese Aktion zu machen“, sagt Arne Eberle von der Platte. Er war erstaunt, „wie viele Leute es gefressen haben“. Selbst als den Models das Adidas-Logo wie ein Brandzeichen in die Wange gestanzt wurde, glaubten viele noch an eine gelungene PR-Aktion von Adidas. „Für uns war es die beste Aktion, die wir je gemacht haben. Wir wollen etwas verändern“, sagt Eberle.

Spätestens mit dieser Aktion ist Aktivismus Teil der Fashion Week geworden.  Es ist nicht neu, dass auf Veranstaltungen darüber geredet wird, dass die Mode eine der größten Umweltverschmutzerinnen ist und für viel Übel auf der Welt verantwortlich. Darauf hat die Modeindustrie längst reagiert. Sie ist gut darin, sich schnell äußere Umstände und Stimmungen zu eigen zu machen. Das führt nicht selten zum Verdacht, „Greenwashing“ zu betreiben. Auch Adidas muss sich mit solchen Vorwürfen von Menschenrechts- und Umweltorganisationen herumschlagen.

Aktivistinnen der Tierschutzorganisation Peta halten während der Berlin Fashion Week Schilder mit der Aufschrift „Federn sind keine Mode“ in die Luft
Aktivistinnen der Tierschutzorganisation Peta halten während der Berlin Fashion Week Schilder mit der Aufschrift „Federn sind keine Mode“ in die Luft

© dpa / Gerald Matzka

Lange fanden die Aktionen von Aktivisten vor dem Fashion-Week-Zelt am Brandenburger Tor statt. Zum Beispiel übergoß sich Mitglieder der Tierschutzorganisation Peta mit Kunstblut und machte so darauf aufmerksam, dass auf dem Laufsteg Materialen präsentiert werden, bei denen Tierwohl wahrscheinlich keine große Rolle gespielt hat. Diesmal gab es eine Peta-Aktion gegen die brutalen Gewinnungsmethoden von Federn

„Mode und Aktivismus passen zusammen und es wird immer mehr“, sagt Friederike von Wedel-Parlow. Sie muss es wissen, schließlich ist sie nicht nur Professorin für nachhaltige Mode, sondern auch Mitveranstalterin der Konferenz für nachhaltige Mode „202030 The Berlin Fashion Summit“, die ab morgen auf der Modemesse Premium stattfindet.

Es wird also genau dort über faire Arbeitsbedingungen und die Bekämpfung von Greenwashing gesprochen, wo große Marken ihre Produkte für den nächsten Herbst vorstellen.

„Wir wissen nicht, ob es zusammengeht. Aber wir müssen es versuchen.“ So fasst es die Messechefin Anita Tillmann zusammen, dass der Modebranche gar nichts anders übrig bleibt, als sich zu öffnen und ihre Geschäftsmodelle anzupassen.

Schon weil Aktivismus vor allem junge Menschen umtreibt. Die will und muss man für sich gewinnen, weil es, wie in kaum einer anderen Branche, um immerwährende Erneuerung geht. Schaut man sich dieser Tage bei all den innovativen neuen Labels aus Berlin um, könnte das auch bedeuten, gerade möglichst nichts Neues zu produzieren, sondern alte Kleidung als Material für Mode zu verwenden.

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