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Erstes queeres Museum in Polen: „Wir wollen die Geschichte unserer Community so umfassend wie möglich darstellen“
Das Museum zur Geschichte der LGBTIQ-Bewegung Polens eröffnet Ende der Woche in der Hauptstadt. Ein Gespräch mit dem Direktor Krzysztof Kliszczyński über die Sammlung, die neue Reife der Community und den Dialog der Generationen.
Stand:
Krzysztof Kliszczyński, was wird in Polens erstem queeren Museum zu sehen sein?
An den Wänden wird ein Zeitstrahl die Geschichte von LGBTIQ-Bewegungen mit Fotos und Scans illustrieren. Es geht los mit einem Kodex aus dem 16. Jahrhundert im heutigen Polen, eines der ersten Dokumente, das Sex unter Männern verbot.
Dazu kommen rund 50 Ausstellungsstücke, wie die wahrscheinlich älteste queere Zeitung Polens von 1956, „Efeb polski czyli Nowe Ateny“. Alle Ausstellungsstücke sind Spenden von Menschen aus der Community. Als bekannt wurde, dass wir ein Museum eröffnen, haben uns viele Leute Objekte gespendet.
Das Museum haben Sie und Ihre Kolleg*innen von Lambda Warszawa initiiert, Polens größter Organisation für Queer-Rechte. Was haben Leute Ihnen noch gespendet?
Zum Beispiel die offizielle Ernennungsurkunde von Politikerin Anna Grodzka, die 2011 als erste trans Person ins polnische Parlament gewählt wurde. Oder eine Fotosammlung eines damaligen Angestellten der Botschaft der DDR in Warschau. Er war Deutscher und mit einem Polen zusammen.
Mit seiner Kamera dokumentierte er das soziale und intime Leben ihrer Freunde und Bekannten. Aus den Foto-Alben machte er eine aufwendige Collage, eine Art Facebook aus der Zeit. Das hat auch eine große künstlerische Qualität.
Die Spenden ergänzen das riesige Archiv von Lambda, das ebenfalls ins Museum einziehen wird. Es besteht aus mehr als 100.000 Zeitungsartikeln, Fotos und anderen Dokumenten ab 1945.
Mittlerweile haben wir sogar fast 120.000 Objekte. Genug Material, um zusätzlich in temporären Ausstellungen die Kulturen und Erfolge der unterschiedlichen Buchstaben von LGBTIQ zu zeigen. Damit sollen Communities mehr Aufmerksamkeit bekommen, die vielleicht in der Geschichte bisher weniger sichtbar waren.
Die Geschichte der Rechte für trans Personen ist anders als für lesbische cis Frauen oder schwule cis Männer. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass sich alle Gruppen vom Museum einbezogen fühlen?
Wir versuchen, so umfassend wie möglich zu sein und nicht nur Geschichten von cis Personen und schwulen Männern darzustellen. Das Programm gestalten wir gemeinsam als Programmrat in einem diversen Team aus Expert*innen und Künstler*innen. Uns ist bewusst, dass wir dabei vielleicht Fehler machen. Im Land gibt es viele verschiedene Gruppen innerhalb der LGBTIQ-Community, und wir wollen so viele wie möglich erreichen.
Warum wollten Sie ein Queer-Museum in Polen schaffen?
Es ist wichtig, queeres Leben sowie Aktivismus zu dokumentieren und so verständlich wie möglich abzubilden. Gleichzeitig versammelt das Museum sehr persönliche Gegenstände wie diese Fotografien des Botschafts-Angestellten, Liebesbriefe aus den 60er Jahren oder Fotos von lesbischen Gruppen aus den 80ern. Das ist uns wichtig, weil die älteste Generation queerer Menschen in Polen größtenteils nicht offen ihre Identität lebt. Wir wollen ihnen signalisieren, dass wir ihre Geschichten pflegen.
Wenn wir sie nicht erreichen, besteht die Gefahr, dass historisch relevante Materialien im Müll landen. Außerdem wollten wir einen sicheren und einladenden Ort mitten im Warschauer Zentrum schaffen, der gleichzeitig als formelle Institution dient. Wo Leute etwas über ihre Geschichte erfahren. Oder sich Verbündete und interessierte Bürger*innen mit der Geschichte der polnischen LGBTQ-Gemeinschaften vertraut machen können.

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Polen gilt als eines der queerfeindlichsten Länder Europas. Sind Sie beim Aufbau des Museums auf viele Widerstände gestoßen?
Seitdem wir 2022 mit der Planung des Museums begannen, haben wir keinen Widerstand gehabt. Zumindest nicht von Lokalpolitiker*innen oder der Stadtverwaltung. Die Stadt Warschau und der Stadtteil, in dem das Museum steht, unterstützen uns auch offiziell.
Der einzige Gegenwind waren einige negative Artikel in der rechten Presse. Bisher ist es schwer zu sagen, ob nach der Eröffnung am 6. Dezember noch etwas kommt. Aber ich glaube nicht, dass wir im Zusammenhang mit dem Museum physisch angegriffen werden.
Steht das Museum auch für eine zunehmende Öffnung gegenüber queeren Menschen in Polen? Dieses Jahr liefen zum ersten Mal Regierungsmitglieder des neuen Ministerpräsidenten Donald Tusk bei der Warschauer Pride mit.
Es ist eher so, dass wir als LGBTQ-Gemeinschaften in Polen reifer geworden sind. Wir sind endlich bereit, neue Projekte zu schaffen, die jahrzehntelange harte Arbeit mit sich bringen. Wir wollen nicht unbedingt auf die Zustimmung aus der Politik warten. Natürlich hat sich auch gesamtgesellschaftlich etwas getan. Aber es geht eher um die Community und ihre Fähigkeiten als um generelle Akzeptanz. Wenn jedoch das QueerMuzeum dazu beiträgt, dass sich in der Welt das Bild von Polen in Bezug auf die Akzeptanz queerer Menschen ändert, wären wir da natürlich stolz darauf.
Wir haben viele Nachrichten von sehr jungen Leuten aus der Community erhalten, dass die Eröffnung des Museums ihnen viel bedeutet.
Krzysztof Kliszczyński, Direktor des QueerMuzeum
Meinen Sie mit „reifer geworden“, dass dies die Errungenschaft der Kämpfe mehrerer Generationen ist?
Damit meine ich, dass mehrere Generationen viel gearbeitet haben. Und wir darauf jetzt aufbauen können. Unsere Organisation Lambda Warszawa etwa gibt es nun seit fast 30 Jahren. Und wie auch in anderen Ländern war jede Generation sichtbarer im Ausleben ihrer Identität als die vorherige.
Die jüngste Generation ist international vernetzt, identifiziert sich eher als queer und nicht-binär. Außerdem haben wir jetzt mehr Kontakt zwischen den Generationen als je zuvor. Wir haben viele Nachrichten von sehr jungen Leuten aus der Community erhalten, dass die Eröffnung des Museums ihnen viel bedeutet. Damit hatten wir gar nicht gerechnet.
Wird dieses größere Selbstbewusstsein von Leuten aus der Community dabei helfen, dass Ministerpräsident Tusk seine Wahlversprechen von eingetragener Lebenspartnerschaft und leichterer Geschlechtsanerkennung für trans Personen einlöst?
Ich hoffe, dass das Selbstbewusstsein der LGBTIQ-Community, aber auch die jüngere Generation von Politiker*innen diesen Wandel bringen wird. Die derzeitige Regierung hat den Prozess hin zur eingetragenen Lebenspartnerschaft immerhin angestoßen.
Europaweit werden Sie nach Berlin, London und Amsterdam das vierte Museum zu queerer Geschichte sein. Tauschen Sie sich mit diesen anderen Museen aus?
Ja, die ersten informellen Gespräche gab es bereits. Unser Programmrat besteht aus polnischen Künstler*innen und Aktivist*innen, die international arbeiten und dementsprechend gut vernetzt sind. Sie haben Erfahrung mit Projekten in Deutschland, den Niederlanden oder England.
Auch mit anderen Partnern wie dem Háttér-Archiv in Ungarn, das ebenfalls queere Geschichte dokumentiert, sind wir in engem Kontakt. Diese Verbindungen würden wir gerne ausbauen und formalisieren.
Gibt es etwas, das Sie sich vom Schwulen Museum in Berlin abgeschaut haben?
Ähnlich wie das Schwule Museum würden wir gerne ein Ort für queere Kultur werden. Also Künstler*innen einladen oder für kulturelle Veranstaltungen unsere Räumlichkeiten bereitstellen. Bisher sind wir aber recht klein und als Organisation noch im Aufbau.
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