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Regenbogennetzwerk der Berliner Verwaltung: „Es ist nicht selbstverständlich, offen mit der eigenen Identität am Arbeitsplatz umzugehen“
Seit einem Jahr gibt es in der Berliner Verwaltung ein Netzwerk für queere Mitarbeitende. Jenny Bluhm, eine der Sprecher*innen, erzählt, was es damit auf sich hat – und was sich in Behörden ändern muss.
Stand:
Jenny Bluhm, seit genau einem Jahr gibt es das Regenbogennetzwerk der Berliner Verwaltung, Sie sind eine der Sprecher*innen. Was ist das Netzwerk genau?
Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss von queeren Menschen, die in verschiedenen Bereichen der Berliner Verwaltung arbeiten. Ziel ist es, den Austausch untereinander zu fördern, aber auch eine höhere Sensibilität für queere Lebensweisen in der Verwaltung zu erreichen und diese Lebensrealitäten sichtbar zu machen. Wir wollen auch Ansprechpartner*innen sein. Zudem vertreten wir Forderungen und Wünsche des Netzwerks gegenüber der Verwaltung.
Festgelegt wurde die Einrichtung eines solchen Mitarbeitenden-Netzwerks in der Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“. Die ersten Grundlagen hat die Finanzverwaltung, die im Land Berlin für Personal zuständig ist, gelegt. Im November vor einem Jahr gab es dann ein großes erstes Treffen und das Netzwerk ist gestartet.
Wie viele Menschen sind in dem Netzwerk mit dabei?
Wir sind etwa 250 – eine großartige Zahl dafür, dass wir erst vor einem Jahr so richtig losgelegt haben, ein fulminanter Start. Die Mitglieder kommen aus den unterschiedlichen Gliederungen der Berliner Verwaltung, also aus Senatsverwaltungen, Bezirksverwaltungen und nachgeordneten Behörden.
Was hat sich in diesem Jahr bisher getan?
Am wichtigsten war es zunächst einmal, eine Struktur zu etablieren. Es haben sich verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, etwa zu den Themen Kommunikation, Veranstaltungen oder für Forderungen an die Verwaltung.
In diesem Jahr waren wir zusammen mit dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg und den Queerbeauftragten der Bezirke mit einem Wagen beim CSD dabei. Im Regenbogennetzwerk geht es auch viel um Sichtbarkeit. Das hat eine Wirkung nach außen, aber das wirkt vor allem auch nach innen – Stichwort Empowerment.
Einmal im Monat haben wir einen Stammtisch. Das ist immens wichtig für ein Mitarbeitenden-Netzwerk – es geht um Austausch, um Zusammenkommen. Beim Stammtisch treffen sich in lockerer Atmosphäre Menschen, die ähnlich ticken und die ähnliche Probleme umtreiben. Es geht darum, sowohl Leid als auch Freude zu teilen, sich gegenseitig zu stützen – was als queerer Mensch in der heteronormativen Gesellschaft schwierig ist. Gerade im Arbeitsumfeld, wo sich viele nicht outen, ist das nochmal schwerer. Wie soll ich über eine erfahrene Diskriminierung sprechen können, wenn gar keiner weiß, dass ich schwul, lesbisch, bi, inter oder trans bin?
Alle sechs Wochen haben wir zudem ein Orgateamtreffen für die, die sich stärker engagieren wollen – und können.
Das klingt, als wäre das nicht immer ganz einfach …
Das ist ein Knackpunkt. Es gibt eine Empfehlung der Finanzverwaltung, dass die Teilnahme an diesem Treffen während der Arbeitszeit ermöglicht werden soll – aber nicht muss. Abhängig ist das von der jeweiligen Führungskraft. Es gibt Behörden, die es den Mitarbeitenden erschweren. Es gibt andere, wo das leichter möglich ist. Wir als Regenbogennetzwerk fordern, dass es eben nicht abhängig sein darf von der Führungskraft, ob jemand teilnehmen kann oder nicht.
Welche weiteren Forderungen hat das Netzwerk?
Wir haben immer noch keine Transitionsrichtlinie für das Land Berlin, in vielen Unternehmen gibt es das. Wir als Regenbogennetzwerk wünschen uns eine Richtlinie, die den Umgang mit einem neuen Geschlechtseintrag oder Vornamen bei Bewerbenden und Mitarbeitenden regelt. Außerdem fordern wir die Verwendung geschlechtergerechter Sprache und verbindliche Regeln zur Verwendung von Namen und Pronomen.
Den Queerspiegel gibt es auch im Video
Zudem gibt es auf Bezirksebene immer noch nicht überall eine Ansprechperson für Queers. Stand heute haben wir nur in vier von zwölf Bezirken eine queerbeauftragte Person.
In diesem Jahr gab es auch „Pride Office Days“ in der Verwaltung. Was verbirgt sich dahinter?
Das waren Aktionstage der Leitstelle Diversity der Finanzverwaltung, zusammen mit den Diversity-Beauftragten der einzelnen Verwaltungen. Im Kern ging es darum, ansprechbar für alle Mitarbeitende zu sein, Fragen zu beantworten, Ängste zu nehmen, sich auszutauschen. Manche haben ein gemeinsames Mittagessen organisiert, in Pankow hatte ich als Queerbeauftragte einen Stand, zu dem Kolleg*innen kommen konnten. Denn viele haben immer wieder mit queeren Themen zu tun, beispielsweise Mitarbeitende des Jugendamts.
Bei den „Pride Office Days“ ging es auch darum, zu sensibilisieren. Was bedeutet es, offen schwul, lesbisch, bi, trans, inter am Arbeitsplatz zu sein? Was hat das mit der beruflichen Rolle zu tun? Queerness gehört ins Arbeitsleben wie alle anderen Lebensrealitäten auch.
Gibt es spezifische Probleme, die queere Menschen in der Verwaltung haben?
Die Probleme sind, wie in anderen Unternehmen auch, vielfältig. Ein Punkt ist etwa die Frage, ob man als queerer Menschen in der Mittagspause ganz entspannt erzählen kann, wie man das Wochenende mit dem oder der Partner*in verbracht hat. Leider ist es immer noch nicht selbstverständlich, offen mit der eigenen Identität am Arbeitsplatz umzugehen. Viele haben Angst vor Diskriminierung und Benachteiligung.
Trägt das Netzwerk in Ihren Augen auch dazu bei, das Land Berlin als Arbeitgeber attraktiver zu machen?
Definitiv. Es sollte aber nicht dafür genutzt werden, es sollte kein Pinkwashing-Instrument sein, mit dem das Land Berlin offensiv wirbt. Aber das Regenbogennetzwerk kann dazu beitragen, dass sich Menschen an ihrem Arbeitsplatz noch wohler fühlen und dann vielleicht nicht so schnell die Verwaltung in Richtung Wirtschaft verlassen.
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Was plant das Netzwerk für die Zukunft?
Der Enthusiasmus ist groß, ganz, ganz viel zu machen. Da vieles aber ehrenamtlich läuft, müssen wir kleine Brötchen backen und schauen, was möglich ist. Einmal im Monat diesen Stammtisch umzusetzen, zu dem immer wieder neue Menschen kommen, ist schon großartig und sehr nachhaltig. Dieses persönliche Netzwerk ist wichtig. Wir werden aber auch weiter an Forderungen und Empfehlungen arbeiten, damit sich etwas für queere Mitarbeitende in der Verwaltung verbessert.
Sie sind seit Sommer Queerbeauftragte in Pankow. Wie steht es um die queere Szene im Bezirk?
Da muss man sehr unterscheiden zwischen den einzelnen Teilen. Weißensee und Pankow sind nicht sehr gut versorgt mit queerer Infrastruktur. Da sehe ich Handlungsbedarf: Ich sehe es als meinen Auftrag zu schauen, wie man queere Menschen etwa in Buch oder Weißensee besser unterstützen und Angebote schaffen kann.
Alles ist sehr konzentriert auf den Prenzlauer Berg. Hier gibt es immer noch stabile Strukturen. Etwa den Sonntagsclub als einer der ältesten queeren Orte im Bezirk, der sich immer weiterentwickelt und Anlaufpunkt für viele Menschen unterschiedlichsten Alters ist – von Menschen im letzten Abschnitt ihres Lebens hin zu Jugendlichen. Oder das Jugendzentrum von Lambda – ein klassischer Jugendclub für Queers, ein Safe Space, in das Jugendliche aus ganz Berlin und zum Teil aus Brandenburg kommen. Die machen dort eine großartige und wichtige Arbeit, wir können froh sein, dass wir dieses Haus haben.
Es entstehen aber auch neue Orte wie etwa das Tipsy Bear, das eine jüngere und internationalere Zielgruppe anspricht.
Und es gibt das Tuntenhaus, das vor dem Aus gerettet wurde.
Ich freue mich sehr, dass es geschafft wurde, das Tuntenhaus zu erhalten. Es ist ein unheimlich schützenswerter Raum. Wir haben im Bezirk so viele einzigartige Orte, die nicht nur innerhalb des Bezirks, sondern weltweit mit Achtung angesehen werden. Da gehört das Tuntenhaus dazu – es ist ein Ort, wo Menschen, die einen alternativen Lebensentwurf haben, nicht nur zusammenleben, sondern noch dazu queere Projekte auf die Beine stellen, Partys veranstalten, Begegnungen ermöglichen. Insofern bin ich sehr froh, dass es weiter Bestand hat.
Trotzdem macht die Gentrifizierung auch vor queeren Orten nicht Halt. Jüngstes Beispiel: Die Marietta-Bar, die nun schließen muss.
In der Tat ist die Gentrifizierung im Prenzlauer Berg seit Jahren auch ein Problem für queere Orte. Immer wieder mussten etwa Clubs dicht machen. Dass die Marietta nun verdrängt wird, reiht sich leider in die Entwicklung des Prenzlauer Bergs ein.
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