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Threads: Elon Musks Dienst X hat Konkurrenz bekommen.

© Fotos: dpa, Montage: Tagesspiegel

Threads-FAQ zum EU-Start: Das Wichtigste zu Metas neuem Twitter-Klon

Seit Donnerstag ist Threads vom Instagram-Konzern Meta auch in Deutschland und der EU verfügbar. Was ist von dem neuen sozialen Netzwerk zu erwarten? Muss Musk zittern? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

„Go fuck yourself!“ Mit diesen Worten richtete sich X-Chef Elon Musk Ende November an abtrünnige Werbekunden. Große Unternehmen wie Disney, Apple und IBM hatten ihren Rückzug von der vormals als Twitter bekannten Plattform erklärt, die seit der Übernahme durch den erratischen Tech-Milliardär vor gut einem Jahr massiv wegen der gestiegenen Verbreitung von Hass und Hetze in der Kritik steht.

Allerdings werden nicht nur Firmen abtrünnig. Auch Nutzende haben dem 2006 gestarteten sozialen Netzwerk inzwischen abgeschworen, weil sie dem dort herrschenden toxischen Diskussionsklima entfliehen wollen oder mit einer der vielen unter Musk eingeführten Neuerungen nicht einverstanden sind.

Donnerstag startete eine weitere Alternative zu X in der EU: Threads, ein neues soziales Netzwerk für kurze Textbeiträge, Videos und Fotos. Es kommt aus dem Hause Meta von Mark Zuckerberg, das für Facebook, WhatsApp und Instagram bekannt ist.

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Threads wurde als schnelle Antwort auf das neue Twitter veröffentlicht. Es dauerte nach Musks Übernahme nur acht Monate, bis Meta den Dienst freischaltete – zumindest außerhalb der Europäischen Union. Bei uns hingegen mussten Nutzer länger warten. Laut eigener Aussage wollte Meta zuvor noch rechtliche Unklarheiten beseitigen, womit wahrscheinlich gemeint war, den im Vergleich strengeren Datenschutzanforderungen in der EU gerecht zu werden.

Nun können auch Menschen in Deutschland Threads nutzen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Start und gehen dabei auch auf die Besonderheiten, Unzulänglichkeiten und Erfolgsaussichten von Threads ein.


Wie melde ich mich bei Threads an?

Hier sind wir gleich bei einer Besonderheit des neuen sozialen Netzwerks. Voraussetzung für eine Anmeldung bei Threads ist ein Account bei Instagram, dem auf Videos und Fotos spezialisierte Netzwerk von Meta. Ohne Account kann man sich zwar auch auf Threads bewegen, aber weder Inhalte posten, noch mit Inhalten interagieren.

Den Usern der populären Foto-App Instagram wird der Einstieg also sehr leicht gemacht. Das dürfte ganz im Interesse von Meta liegen. So konnte sich der Konzern über die Erfolgsmeldung freuen, dass nach dem Start in nur fünf Tagen schon 100 Millionen User gewonnen wurden – so schnell wuchs zuvor keine andere Plattform.


Was ist (fast) gleich wie bei X?

Die kleinen Buttons unter den Posts (unter anderem zum Teilen und Liken) sind in einer anderen Reihenfolge angeordnet, man kann 500 Zeichen schreiben statt 280, aber nicht mal Mark Zuckerberg höchstpersönlich dürfte abstreiten, dass Threads wie eine Kopie von X aussieht.

Threads sieht nicht nur auf den ersten Blick aus wie X.
Threads sieht nicht nur auf den ersten Blick aus wie X.

© IMAGO/NurPhoto

Wie bei X können Beiträge kommentiert, gelikt oder geteilt werden. Die Posts können Links, Fotos und Videos enthalten – wobei Threads Längen von bis zu fünf Minuten erlaubt. Bei X sind sie auf zwei Minuten und 20 Sekunden beschränkt.

Ähnlich wie X bietet Threads zwei unterschiedliche Feeds an. Man kann sich die Beiträge in einer Reihenfolge ansehen, die von einem Algorithmus bestimmt wird und auch Posts von Personen enthält, denen man (noch) nicht folgt. Oder man wählt die chronologische Variante des Feeds. Dort tauchen Beiträge von Accounts auf, denen man folgt, in der Reihenfolge ihres Erscheinens.

Zum internationalen Start von Threads im Juli fehlten sie noch, nun sind sie da: Tags. Ähnlich wie bei X lassen sich Posts mit Schlagwörtern versehen, damit man sie leichter finden kann. Diese Funktion wird auf X besonders bei Diskussionen genutzt, oder wenn User gemeinschaftlich ein TV-Ereignis kommentieren, zum Beispiel ein Fußballspiel oder die neue Folge Dschungelcamp.

Allerdings ist auf Threads nur ein Schlagwort pro Beitrag erlaubt. Meta verspricht sich davon, Spam im Zusammenhang mit Tags zu vermeiden. Auf X werden mitunter Beiträge mit vielen, unzusammenhängenden Schlagwörtern versehen, um in möglichst vielen Suchen aufzutauchen.


Was ist anders als bei X?

Zumindest bisher gibt es in der Threads-App keine Sektion, die anzeigt, welche Tags gerade besonders häufig verwendet werden. Auf X hingegen sind die Trends eine beliebte Funktion, gerade bei Menschen, die das soziale Netzwerk als Nachrichtenplattform nutzen – oder wissen wollen, über welches Thema die X-Gemeinde derzeit am heftigsten diskutiert.

Für politische Diskussionen war X ein einzigartiger digitaler Ort. Nirgendwo sonst konnten sich Menschen aus Politik, Medien und Wissenschaft so schnell und direkt miteinander austauschen. Bei allen Problemen, die die oft verkürzte digitale Kommunikation mit sich bringt, war das eine historische Leistung des sozialen Netzwerks. Es ist fraglich, ob Threads diese Funktion ersetzen wird – oder ob das überhaupt gewollt ist.

Zumindest zum ersten Start im Juli sagte Threads-Chef Adam Mosseri, dass er seine App nicht als Ort für Politik und Nachrichten sieht. Man wolle diese Inhalte nicht aus Threads heraushalten, aber es werde nichts unternommen, um sie zu fördern, schrieb er auf Threads.

Bei der Begründung war Mosseri erstaunlich offen: „Ich denke, aus der Perspektive einer Plattform ist jedes zusätzliche Engagement oder jeder zusätzliche Umsatz, den [Politik und Nachrichten] bringen könnten, nicht im Geringsten die Überprüfung, die Negativität (seien wir ehrlich) oder die Integritätsrisiken wert, die mit ihnen einhergehen.“

Mosseri sieht Threads stattdessen als Ort für den Austausch über Sport, Musik, Mode, Beauty und Unterhaltungsthemen. In dieser Vorstellung ist Threads also eher eine Verlängerung von Instagram und kein Ersatz für X.


Wie sind die Erfolgsaussichten von Threads?

Diese Frage ist derzeit nur schwer zu beantworten. Die Probleme beginnen damit, zu definieren, was in diesem Zusammenhang überhaupt als Erfolg gilt. Wenn es darum geht, sich als weiteres soziales Netzwerk für kurze Textbeiträge neben X zu behaupten, hat Threads gute Chancen. Vor allem wegen der vielen weltweiten Instagram-User, die die potenzielle Nutzerbasis für den neuen Dienst bilden, der nun auch in der EU verfügbar ist und damit an Reichweite gewinnt.

Das ist ein gewichtiger Startvorteil von Threads im Unterschied zu anderen X-Alternativen wie etwas Bluesky oder Mastodon

Wer sich neu bei Threads anmeldet und zuvor schon länger ein Instagram-Profil gepflegt hat, wird davon profitieren. Man kann auf Threads denselben Konten folgen wie auf Instagram, sodass der Threads-Feed sehr wahrscheinlich direkt mit Beiträgen gefüllt ist. Bei anderen sozialen Netzwerken muss man hingegen von null anfangen. 

Das gilt auch umgekehrt für die eigene Gefolgschaft: User, denen auf Instagram viele Menschen folgen, dürften auch bei Threads schnell eine größere Anzahl von Followern beisammen haben.

Die Zersplitterung des Social-Media-Marktes

Ob Threads aber zu einem Ersatz für X wird, bleibt abzuwarten. Zumindest derzeit stehen die Zeichen auf dem Markt der sozialen Netzwerke eher auf Zersplitterung. Bei X ist – aller Kontroversen zum Trotz – noch kein großer Rückgang der Nutzerzahlen zu verzeichnen. Elon Musk behauptete im September, es seien 550 Millionen User, die mindestens einmal pro Monat aktiv sind. 

Neben X sind aber andere Netzwerke entstanden. Von denen ist Threads mit Abstand das größte, es hatte vor dem EU-Start knapp unter 100 Millionen aktive User pro Monat, wie Mark Zuckerberg im Oktober sagte. Bluesky und Mastodon liegen weit dahinter. Bluesky hat insgesamt gerade mal zwei Millionen User (wie viele davon monatlich aktiv sind, ist unbekannt), Mastodon steht bei insgesamt 14,5 Millionen und zwei Millionen monatlich aktiven Nutzenden.

Gut möglich also, dass sich bei den sozialen Netzwerken der Sorte X eine Insellandschaft verfestigen wird. Statt eines großen Dienstes gibt es mehrere, die jeweils andere Gruppen ansprechen.

Musk macht die beste Werbung für Threads

Fest steht immerhin: Es ist Elon Musk, der indirekt die beste Werbung dafür macht, X zu verlassen und zu einem anderen sozialen Netzwerk zu wechseln. Jüngst ließ er den seit 2018 gesperrten Account des rechten US-Verschwörungstheoretikers Alex Jones wieder freischalten, der Mann wurde in mehreren Verfahren wegen falschen Behauptungen zur Zahlung von Schadenersatz in Milliardenhöhe verurteilt.

Zuvor wurden auf X bereits andere Accounts wieder freigeschaltet, die wegen Hassrede oder der Verbreitung potenziell gefährlicher Unwahrheiten blockiert waren. Und zur Erinnerung: Eine der ersten Amtshandlungen von Musk bestand 2022 darin, massenhaft Mitarbeitende zu entlassen – darunter auch solche, die für die Moderation von Inhalten verantwortlich waren. Musk selbst sagt, dass er die Redefreiheit auf X auf einem möglichst breiten Spektrum zulassen will.

Es lässt sich argumentieren, dass ein solches soziales Netzwerk durchaus Erfolg haben kann, gerade wenn es rechtspopulistischen und kruden Themen Platz bietet. Die entsprechende Nachfrage ist im Internet jedenfalls vorhanden.

Fakt ist jedoch: Das Unternehmen X steht wirtschaftlich schlecht da und das Vergraulen der Werbekunden hat sicher nicht geholfen. Auf die ist X nämlich nach wie vor angewiesen, auch wenn es Bemühungen gibt, Nutzende für bestimmte Funktionen zur Kasse zu bitten.

Es ist daher zumindest kein ausgeschlossenes Szenario, dass der nun auch in Deutschland gestartete Dienst Threads eines Tages schlicht und ergreifend deswegen die Marktführerschaft übernehmen wird, weil X pleitegeht.

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