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Elektronische Patientenakte für alle: Macht sie die medizinische Versorgung der Patienten sicherer?
Nach einer freiwilligen Probierphase wird ab Januar 2025 die elektronische Patientenakte für alle gesetzlich Versicherten ausgerollt. Bringt sie Vorteile für Diagnostik und Therapiesicherheit?
- Ruth Hecker
- Rosemarie Wehner
- Ingo Bach
Stand:
Wahrscheinlich haben auch Sie in den vergangenen Wochen oder Monaten Post von Ihrer Krankenkasse erhalten. Denn ab dem 15. Januar 2025 kommt für alle rund 75 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland die elektronische Patientenakte, kurz: ePA.
Die ePA funktioniert wie ein digitaler Ordner, in den Ärzte und medizinische Einrichtungen Ihre persönlichen Gesundheitsdaten wie Arztbriefe, Medikationspläne, Laborbefunde und Röntgenbilder gesammelt ablegen. Der Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen Leistungserbringern soll dadurch leichter werden, Ärzte sollen sich zudem schneller einen Überblick über die Krankengeschichte eines Patienten verschaffen können. Unnötige Doppeluntersuchungen sollen wegfallen.
Die Krankenkassen sind per Gesetz dazu verpflichtet, für jeden gesetzlich Versicherten eine Akte anzulegen. Wer das nicht will, muss bei seiner Krankenkasse widersprechen. Außerdem haben Versicherte die Möglichkeit, per App oder über den Kontakt zu Ihrer Kasse selbst festzulegen, wer wie lange auf die Gesundheitsdaten zugreifen darf. Auf diese Weise können auch einzelne Ärzte oder Einrichtungen vom Zugriff ausgeschlossen werden.
Wir haben Expertinnen und Experten gefragt, ob die Erwartungen an die ePA, dass sie die medizinische Versorgung für die Patienten sicherer mache, berechtigt sind.
Alle Folgen unserer Serie „3 auf 1“ lesen sie hier.
Die ePA könnte Leben retten
Wir sehen die elektronische Patientenakte, ePA, als wichtiges Instrument, um die Patientensicherheit zu erhöhen. Die ePA kann dabei helfen, Behandlungsfehler zu vermeiden, indem sie eine bessere Kommunikation und Datentransparenz zwischen medizinischen Fachkräften und Patient:innen ermöglicht. Durch den schnellen und strukturierten Zugriff auf wichtige Gesundheitsdaten und besonders bei chronisch Kranken oder in Notfallsituationen könnte die ePA Leben retten, wenn vollständige und aktuelle Informationen sofort verfügbar sind.
Der Erfolg der ePA hängt von der Akzeptanz und der aktiven Nutzung durch alle Beteiligten ab. Dafür müssen Patient:innen befähigt werden, ihre Daten aktiv zu verwalten und zu verstehen. Zudem muss der Datenschutz nicht als Hindernis, sondern als zentrale Voraussetzung für Vertrauen und breite Nutzung verstanden werden. Seit langem fordern wir mehr Investitionen in die technische Umsetzung und Schulungen für medizinisches Personal, um die ePA nahtlos in den Alltag zu integrieren. Entscheidend ist auch, die Akte als unterstützendes Werkzeug zu verstehen, das die Qualität der Versorgung verbessert, ohne den persönlichen Dialog zwischen Patient:in und Ärzt:in zu ersetzen.
Die Digitalisierung sollte selbstverständlich sein
Die Digitalisierung sollte inzwischen ein selbstverständlicher, notwendiger Teil der medizinischen Versorgung sein. In zahlreichen Nachbarländern gehört eine digitale Patientenakte mit entsprechender Infrastruktur zum Leben dazu. Denn sie ermöglicht endlich eine stringente und koordinierte Behandlung.
Für die Vernetzung der unterschiedlichen Sektoren und Leistungserbringer – von Krankenhäusern und Pflegeheimen über die Haus- und Facharztpraxen bis zur ambulanten Pflege – ist die elektronische Patientenakte ein entscheidender Hebel. Mit ihr hat die jahrelange Diskussion über sektorenübergreifende Versorgung im deutschen Gesundheitssystem jetzt die Chance, in die Umsetzung zu kommen.
Es gibt bereits Akteure und Vorbilder hierzulande, die sich den Wunsch nach Vernetzung durch eine elektronische Patientenakte schon vor über zehn Jahren erfüllt haben. Heute wissen wir: Das war eine gute Idee! Koordination und (Daten-)Austausch helfen nicht nur den medizinischen Professionen im Gesundheitssystem, sondern können Über- und Fehlversorgung verhindern.
Die bisherige Anamnese ist eine potenzielle Fehlerquelle
Wie oft geschieht es, dass man bei einem Arzt, den man zum ersten Mal besucht, mühsam die zum Teil mehrere Seiten umfassenden Fragebögen zur eigenen Krankengeschichte ausfüllen muss: Allergien, zum Teil ewig zurückliegende Operationen und Erkrankungen, zurzeit eingenommene Medikamente und so weiter. Und das oft mit einem Klemmbrett auf dem Schoß und handschriftlich. Das macht diese Form der Anamnese zu einer potenziellen Fehlerquelle: Erinnerungslücken können dabei fatale Folgen haben, genauso wie eine unleserliche Handschrift.
Diese Risiken kann die elektronische Patientenakte (ePA) bannen, wenn die behandelnden Ärztinnen und Ärzte darin ihre Therapien und Diagnosen akkurat vermerken und die Patientinnen und Patienten auch selbst die Einträge und Befunde im Auge behalten.
Noch eine weitere Gefahr kann die ePA bannen. Wechselwirkungen von Medikamenten sind in der Medizin ein großes Thema: Und nicht nur das: Auch einfach nur die schiere Anzahl von Medikamenten, die gleichzeitig genommen werden, können ein Problem werden. Laut Studien nehmen ältere Menschen, bei denen sich im Laufe der Zeit das eine oder andere chronische Leiden eingestellt hat – Mediziner nennen das multimorbide – im Schnitt sieben Medikamente gleichzeitig ein. Das im Blick behalten zu können, dabei hilft die ePA erheblich.
Also ja: Die ePA hat das Zeug, die Diagnostik und Therapie für die Patienten sicherer zu machen. Jetzt müssen allerdings die Ärzte diese Möglichkeiten, die ihnen ihre Patienten mit der Freigabe des Zugriffs auf die Akte einräumen, auch nutzen.
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