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Donald Trump, hier am Schreibtisch im Oval Office, hat zahlreiche Dekrete unterschrieben.

© Imago/MediaPunch/Jim LoScalzo/Pool via CNP

„America first“ ist naiv: Die Realität wird Donald Trump mäßigen

Jeder neue US-Präsident erbt eine Welt, die er selbst nicht zu verantworten hat. Auch Trump wurde gewählt, um zu gestalten. Eine Abkehr aus dieser Welt ist keine Option.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Was war das? Es gibt nur Männer und Frauen, verkündet per Dekret. An der Grenze zu Mexiko wird der nationale Notstand ausgerufen, das Militär in Bewegung gesetzt. Drogenkartelle sollen zu terroristischen Vereinigungen erklärt werden. Zölle auf Einfuhren werden erhoben. Und und und.

Donald Trump will erneut harte Kante zeigen. Dabei weiß er: Es wird ernst für ihn. Von jetzt an muss der 47. Präsident der USA liefern.

Zurückziehen von der Welt kann er sich nicht, darf er sich nicht. Migration, Nahost, Ukraine, China – da werden Taten verlangt, nicht nur Ankündigungen.

Auch wenn der isolationistische Flügel der Republikaner es gerne anders hätte: Der Slogan „America first“, den Trump in seiner Antrittsrede wiederholt, blendet die Welt und ihre Krisen aus. Das könnte sich rächen.

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Mit der Machtfülle wächst der Handlungsdruck. Trump hat keine Ausreden, um zu lavieren oder die Verantwortung zu delegieren. Er hat die Wahlen klar gewonnen, die Republikaner kontrollieren beide Häuser des Kongresses, im Kabinett sitzen Loyalisten, das Oberste Gericht ist mehrheitlich konservativ besetzt. Also nichts wie ran an die Lösung der Probleme!

Doch wie? Je tiefer die Trump-Regierung sich in die Komplexität der Krisen einarbeitet, desto radikaler wird der Realitäts-Kaltwasserschock sein. Ganz oben auf Trumps To-do-Liste stehen Massendeportationen sogenannter illegaler Einwanderer. Diesem Thema hat er zu einem wesentlichen Teil seinen Wahlsieg zu verdanken, daher ist er hier besonders in der Pflicht.

Nun will er an der Grenze zu Mexiko den nationalen Notstand ausrufen. Das klingt bedrohlich, ist aber auch Teil seiner Radikalrhetorik. In seiner ersten Amtszeit als Präsident hat er weniger Migranten abgeschoben als sein Vorgänger Barack Obama.

Sollen Familien auseinandergerissen werden?

Die Menschen, die Trump abschieben will, bilden inzwischen fünf Prozent der amerikanischen Arbeiterschaft. Viele Unternehmen, vor allem im Häuserbau, werden ohne sie pleitegehen. Vertreter der Wirtschaft reagieren ungehalten auf die Abschiebungspläne.

Hinzu kommt: Mehr als die Hälfte dieser Menschen lebt seit mehr als zehn Jahren in den USA. Sie haben Freunde und Familie, vor allem aber Kinder, die in den USA geboren wurden und daher Amerikaner sind. Sollen diese Familien auseinandergerissen werden?

Jeder neue US-Präsident erbt eine Welt, die er selbst nicht zu verantworten hat. Das zu beklagen, liegt nahe, nützt aber nichts. Auch Trump wurde gewählt, um zu gestalten. Eine Abkehr aus dieser Welt ist keine Option.

Malte Lehming

Außerdem sind Abschiebungen teuer. Richtung Mexiko und Kanada lassen sie sich per Bus organisieren. Für alle anderen Staaten müssen Flüge gechartert werden. Ein durchschnittlicher Abschiebeflug kostet pro Stunde 17.000 Dollar. Rund elf Millionen Migranten ohne Aufenthaltstitel leben in den USA. Auch die USA haben eine Schuldenobergrenze. Sie wird in diesen Tagen erreicht sein.

Stichwort Nahost. Auch hier türmen sich existenzielle Fragen auf. Hält das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Hamas? Wer soll künftig im Gazastreifen regieren und die Wiederaufbauarbeiten koordinieren? Die Bombardierungen haben Tausende Häuser zerstört und 40 Millionen Tonnen Schutt verursacht. Das reicht aus, um im New Yorker Central Park eine acht Meter hohe Geröllschicht zu errichten.

Rechtsnationalistische Kräfte in Israel dringen darauf, die Westbank zu annektieren und Siedlungen im Gazastreifen zu errichten. Trump wiederum träumt von einem Pakt zwischen Israel und Saudi-Arabien nach dem Vorbild der Abraham-Abkommen. Beide Ziele schließen einander aus.

Weltpolitisch steckt Trump im Dilemma

Stichwort Ukraine. Wladimir Putin, den Trump mit keinem Wort erwähnt, fühlt sich stark und stellt maßlose Bedingungen für ein Einfrieren des Konflikts. Der Westen müsse seine Sanktionen beenden und die Ukraine müsse sich aus vier von Russland annektierten Provinzen zurückziehen, auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten, die Abspaltung der Krim akzeptieren.

Trump hat angekündigt, die finanziellen und militärischen Hilfen für die Ukraine drastisch zu reduzieren. Kann er ein Abkommen anstreben, das den Aggressor belohnt? Kapituliert er vor Putin wie einst Joe Biden vor den Taliban in Afghanistan? Weltpolitisch steckt Trump im Dilemma: Das Image der Stärke, das er kultiviert, kollidiert mit seiner Ungeduld und dem Verzicht auf Diplomatie.

Stichwort China. Trump droht Xi Jinping mit drastischen Einfuhrzöllen. Das würde Importe verteuern, die Inflation steigen lassen. Außerdem hätte ein Handelskrieg gravierende globale Folgen. Elon Musk wiederum, Trump-Buddy und Tesla-Chef, unterhält seit Jahren beste Beziehungen zur Führung in Peking. Angeblich erwägt China sogar, das US-Geschäft von TikTok an Musk zu verkaufen.

Vor einigen Tagen führten Trump und Xi eine Art Entspannungstelefonat. „Ich erwarte“, schrieb Trump danach auf seiner Plattform Truth Social, „dass wir viele Probleme gemeinsam lösen werden, und zwar ab sofort.“ Das klang ungewohnt konziliant.

Und sonst? Trump bleibt unversöhnlich gegenüber den Demokraten, pfeift auf den Klimaschutz, will Friedensstifter sein und, das vor allem, Amerika mutiger, besser, wohlhabender, stärker, stolzer und patriotischer machen.

Jeder neue US-Präsident erbt eine Welt, die er selbst nicht zu verantworten hat. Das zu beklagen, liegt nahe, nützt aber nichts. Auch Trump wurde gewählt, um zu gestalten. Eine Abkehr aus dieser Welt ist keine Option. Mäßigen werden ihn weder Europa noch eine inneramerikanische Opposition. Mäßigen kann ihn allein die Realität.

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