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„Auch, wenn andere Länder anders entscheiden“: Scholz lehnt Taurus-Lieferungen erneut ab
Die Ukraine bittet immer wieder um westliche Waffen, um diese auf russischem Gebiet einzusetzen. Während London und Washington sich bewegen, bleibt Berlin bei seinem Nein.
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In seinen Bemühungen um hochpräzise Waffen mit großer Reichweite kann Kiew weiterhin nicht auf Bundeskanzler Olaf Scholz hoffen. Bei einem Bürgerdialog im brandenburgischen Prenzlau schloss der SPD-Politiker eine Lieferung weitreichender Präzisionswaffen an die Ukraine auch für die Zukunft und unabhängig von Entscheidungen der Bündnispartner aus.
Scholz bekräftigte sein Nein zur Lieferung der Marschflugkörper Taurus mit einer potenziellen Reichweite von der Ukraine bis nach Moskau (etwa 500 Kilometer) mit der Begründung, dass dies „eine große Eskalationsgefahr“ mit sich bringen würde.
„Da habe ich Nein gesagt. Und das gilt natürlich auch für andere Waffen, wenn wir sie geliefert hätten, die in dieser weiten Distanz dort hineinschießen könnten“, sagte Scholz. „Das bleibt so. (.) Auch wenn andere Länder anders entscheiden.“
Fünf ehemalige britische Verteidigungsminister der Konservativen und der frühere Premierminister Boris Johnson haben laut einem Zeitungsbericht den Labour-Vorsitzenden Keir Starmer aufgefordert, der Ukraine den Einsatz von Langstreckenraketen auf russischem Gebiet zu gestatten. Das solle auch ohne die Unterstützung der USA gelten, berichtet die Sunday Times. Sie hätten den amtierenden Premierminister gewarnt, dass „jede weitere Verzögerung Präsident Putin ermutigen würde“, heißt es in dem Bericht.
Der frühere britische Premier Boris Johnson bat Scholz unterdessen, seine Haltung zu überdenken. „Wir brauchen definitiv auch eine Taurus-Lieferung, definitiv“, sagte Johnson der „Süddeutschen Zeitung“ bei einer Sicherheitskonferenz in Kiew. Mit Blick auf die deutsche Geschichte könne er Scholz zwar verstehen, aber es gehe nun um eine klare Haltung in einer ganz entscheidenden Phase.
Wolfgang Ischinger und Roderich Kiesewetter für Lockerungen
Auch der ehemalige Chef der Münchener Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat sich für eine grundsätzliche Lockerung von Auflagen an die Ukraine für die Nutzung westlicher Waffen ausgesprochen. „Es wäre für alle klarer und leichter, wenn wir schlicht und ergreifend sagen würden: Wir verpflichten die Ukraine darauf, dass sie die von uns erhaltenen Waffensysteme ausschließlich in dem Rahmen einsetzt, der mit dem geltenden Völkerrecht vereinbar ist“, sagte Ischinger der „Süddeutschen Zeitung“.
Auch der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter kritisierte erneut die Taurus-Blockade des Kanzlers. „Die ganzen roten Linien lassen sich inzwischen zu einem roten Teppich für Putin verweben“, sagte Kiesewetter ebenfalls in Kiew der „SZ“. Er gehe zudem davon aus, dass es seitens der USA bald eine Freigabe zum Einsatz weitreichender Waffen gegen militärische Ziele in Russland geben werde, sagte der CDU-Politiker. Scholz habe dann die Wahl, „uneingeschränkt an der Seite der Bündnispartner“ zu stehen oder „er folgt dem Narrativ von Sahra Wagenknecht“.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bittet die Verbündeten immer wieder um weitreichende Waffen, um russische Logistik und Militärflugplätze der Luftwaffe weit hinter der Frontlinie auch auf russischem Territorium angreifen zu können.
Russische Drohungen gegen den Westen
Selenskyj berichtete in seiner abendlichen Videoansprache von einem Treffen mit US-Kongressabgeordneten in Kiew. „Es ist wichtig, dass unsere Partner auf allen Ebenen umfassend über unsere Bedürfnisse und unsere Positionen informiert werden“, sagte er. Bei den Unterredungen habe er die Abgeordneten „über die aktuelle Lage und die Aussichten informiert“.
Die Nato-Partner USA, Großbritannien und Frankreich haben der Ukraine bereits Marschflugkörper mit Reichweiten bis zu 300 Kilometern geliefert. Derzeit läuft eine Diskussion darüber, ob der Einsatz dieser Waffen gegen Ziele auf russischem Territorium grundsätzlich erlaubt werden soll. US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Keir Starmer waren bei einem Treffen am Freitag in Washington zu keiner Entscheidung gekommen.
Kremlchef Wladimir Putin hatte zuvor erklärt, dass er den Einsatz weitreichender westlicher Präzisionswaffen gegen Ziele tief auf russischem Territorium als Kriegsbeteiligung der Nato werten würde. „Das wird bedeuten, dass die Länder der Nato, die USA, die europäischen Länder mit Russland kämpfen.“ (dpa)
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