
© dpa/Hendrik Schmidt
Brandsätze in Paketen: Russland soll „Wegwerf-Agenten“ für Sabotageaktionen eingesetzt haben
Im Sommer 2024 brannten mehrere Paketsendungen in Leipzig, England und Polen. Recherchen deutscher Medien zufolge könnte der russische Geheimdienst GRU dahinter stecken.
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Vergangenen Sommer sind mehrere als Luftfracht versendete Pakete an europäischen Flughäfen in Flammen aufgegangen. Dahinter soll der russische Militärgeheimdienst GRU stecken, wie WDR, NDR und „Süddeutsche Zeitung“ („SZ“) recherchiert haben. Demnach sollen für die Sabotageaktionen sogenannte Wegwerf-Agenten im Einsatz gewesen sein.
Am 19. Juli hatte in der britischen Stadt Birmingham ein Paket gebrannt. Einen Tag später folgte ein ähnlicher Vorfall mit einer nach London adressieren Sendung auf dem Flughafen Leipzig/Halle und wieder ein Tag später brannte es nahe der polnischen Hauptstadt Warschau.
Ein Flugzeug kann auf einen Wohnort fallen und die Menschen, die dort leben, töten. Und genau aus diesen Gründen halten wir das für eine Eskalation.
James Appathurai, bei der Nato unter anderem für Strategien zur Abwehr hybrider Angriffe zuständig
In allen Fällen befanden sich die Frachtmaschinen gerade am Boden, der Schaden in der Luft dürfte ungleich höher gewesen sein. Europa könnte knapp an einer Katastrophe vorbeigeschrammt sein, berichtet die ARD-Tagesschau von einer Einschätzung britischer Anti-Terror-Spezialisten.
„Ein Flugzeug kann Feuer fangen und alle an Bord töten“, erklärte James Appathurai, der bei der Nato unter anderem für Strategien zur Abwehr hybrider Angriffe zuständig ist, gegenüber WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“. „Es kann auf einen Wohnort fallen und die Menschen, die dort leben, töten. Und genau aus diesen Gründen halten wir das für eine Eskalation.“
Auch der damalige Chef des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, geht davon aus, dass es bei einem Brand in der Luft zu einem Absturz gekommen wäre und herabfallende Trümmer möglicherweise Menschen getroffen hätten.
Europäische Sicherheitsbehörden gehen wohl davon aus, dass der GRU hinter den Brandsätzen in den Paketsendungen steckt, heißt es im Bericht des Rechercheteams. Etwa zehn Personen sollen demnach an der Planung und Umsetzung beteiligt gewesen sein – unter anderem hochrangige GRU-Mitarbeiter.
Überlegungen wohl seit 2014
Der GRU-Oberst Denis Smolyaninov soll sich schon länger damit auseinandergesetzt haben, wie der internationale Luftverkehr angegriffen werden kann, heißt es in dem Bericht. Dokumente eines vom Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski finanzierten Recherchezentrums würden demnach Überlegungen bereits 2014 belegen.
Zur Ausführung hätte der Geheimdienst schließlich auf „Wegwerf-Agenten“ gesetzt, die über Messengerdienste wie Telegram für einen geringen Geldbetrag angeworben wurden, berichtet die Tagesschau. Russland setze seit dem Beginn des Angriffskrieges vermehrt auf Personen ohne Verbindung zum eigenen Geheimdienstapparat.
Das habe zum einen ganz praktische Gründe: „Wegwerf-Agenten“ würden dazu dienen, den Urheber von unter anderem Sabotageakten zu verschleiern. Zum Anderen hätten etliche professionelle Spione ihre Posten in russischen Botschaften weltweit verlassen müssen.
Die russische Botschaft in Berlin bestritt dem Bericht zufolge auf Anfrage, dass Moskau hinter den Vorfällen steckt. Sie sprach von „Paranoia“ und „Verschwörungstheorien“, berichteten WDR, NDR und „SZ“.
Nicht nur die Person, die die entzündlichen Pakete in Litauen aufgegeben haben soll, als auch die Person, die die Sendungen von Polen ins Baltikum gefahren haben und dort scharfgestellt haben soll, sollen „Wegwerf-Agenten“ gewesen sein. Beide seien inzwischen verhaftet worden.
Offenbar Durchsuchung in Deutschland
Auch in einer ostdeutschen Großstadt soll es diesbezüglich eine Razzia gegeben haben, berichtet der Rechercheverbund. Ein Ukrainer, der hier lebt, habe mit dem Mann, der die Brandsätze verschickt haben soll, Kontakt gehabt.
Er habe auf Bitten eines Bekannten gehandelt, schreibt die Tagesschau. In der übermittelten Nachricht sei es darum gegangen, dass eines der Pakete verloren gegangen sei.
Unklar ist, ob der Versender selbst von den Brandsätzen in den Paketen wusste. Bei einer Kontrolle am Posttresen am Flughafen der litauischen Hauptstadt Vilnius seien weder die Zeitzünder noch die Brandsätze entdeckt worden. Stattdessen hätten die Angestellten bei Massagekissen, Kosmetiktuben und einem Sexspielzeug keinen Verdacht geschöpft.
Neben den Brandsätzen ins europäische Ausland sollen Anfang August 2024 weitere Pakete mit Ziel USA und Kanada verschickt worden sein, berichtet die Tagesschau. Den Recherchen zufolge sollen sich diesmal aber keine Brandsätze in den Sendungen befunden haben. Stattdessen soll ein Mann in Warschau Turnschuhe, T-Shirts und Tracker aufgegeben haben.
Sicherheitsbehörden prüfen demnach, ob die Sendungen als Vorbereitung dafür gedient haben könnten, Brandsätze auch nach Nordamerika zu versenden. Russland habe die Vorgehensweise jedoch gestoppt, nachdem unter anderem die USA keine weitere Eskalation geduldet hätten. (Tsp mit AFP)
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