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Das Mullah-Regime nach dem Krieg: Wo sich der Iran Hilfe für sein Atomprogramm holen könnte
Irans Herrscher wollen trotz der Warnungen aus den USA und Israel am Nuklearprogramm festhalten. Teheran könnte versuchen, sich Technik und Expertise zu verschaffen. Welche Wege kommen infrage?
Stand:
Der zwölftägige Krieg gegen Israel und die USA war kaum durch eine Waffenruhe beendet, da meldete sich Abbas Araghtschi zu Wort. Der Außenminister der Islamischen Republik verkündete, sein Land werde auf jeden Fall am Atomprogramm festhalten.
In einem Interview mit dem US-Sender CBS bekräftigte Teherans Chefdiplomat jetzt: „Man kann die Technologie und die Wissenschaft der Anreicherung nicht durch Bombenangriffe auslöschen.“
Und er fügte hinzu: „Wenn der Wille auf unserer Seite vorhanden ist, wieder Fortschritte in dieser Industrie zu machen, werden wir in der Lage sein, die Schäden schnell zu beheben und die verlorene Zeit aufzuholen.“
Dass die iranische Führung diesen Willen hat, daran zweifeln Beobachter nicht.
Auf die Zentrifugen kommt es an
Während das Regime die Schäden durch die israelischen und amerikanischen Attacken als gering bezeichnet, gehen Beobachter im Westen davon aus, dass viele der empfindlichen Zentrifugen zur Urananreicherung ersetzt werden müssen.
Angriffe auf den Iran zwischen dem 13. und dem 24. Juni
Unter Mitarbeitern der Nachrichtendienste europäischer Nato-Staaten wird deshalb darüber gemutmaßt, wo sich der Iran jetzt Hilfe dafür holen könnte. Die Machthaber in Teheran würden „vorfühlen lassen“, mit wem entsprechende Gespräche möglich sein könnten, sagt ein mit der Region vertrauter Nato-Vertreter.
Helfen Russland oder Nordkorea?
Kommt dafür womöglich Russland infrage? Teheran und Moskau sind wirtschaftlich und militärisch schon seit Jahren eng verbunden. Erst Anfang des Jahres unterzeichneten beide Staaten ein auf 20 Jahre angelegtes Partnerschaftsabkommen.
Damit soll die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen wie Verteidigung, Terrorismusbekämpfung und Energiewirtschaft vertieft werden. Das Abkommen umfasst auch eine engere Kooperation der Geheim- und Sicherheitsbehörden sowie einen verstärkten Rüstungshandel.
Doch bei aller ideologischen Nähe wie dem Kampf gegen den Westen und der daraus resultierenden gemeinsamen Interessen gilt es als unwahrscheinlich, dass der Kreml den Iran dabei unterstützen würde, in den Besitz einer Atombombe zu gelangen.
Russland mag die Mullahs zwar als Verbündete schätzen, nicht zuletzt im Angriffskrieg gegen die Ukraine. Aber eine nukleare Bewaffnung könnte den Iran aus Moskaus Sicht zu sehr stärken.

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Wäre die Atommacht Nordkorea für Teheran ein möglicher Partner? Wie eng die Verbindungen zwischen Machthaber Kim Jong Un und den Mullahs sind, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Doch es ist keinesfalls auszuschließen, dass beide Regime auf dem Gebiet der Militärtechnologie gemeinsame Sache machen.
Allerdings haben harte Sanktionen Nordkorea auch wirtschaftlich sehr isoliert. Das könnte das dortige Know-how für Teheran weniger interessant machen.
Kommt Pakistan infrage?
Auf Pakistan trifft das nicht zu. Deshalb kommt das Land einem Nato-Analysten zufolge als möglicher Helfer Irans infrage. Es gehe dabei allerdings kaum um offizielle Stellen, wenngleich sich die Beziehungen zwischen beiden Staaten seit den Gefechten in der Grenzregion Belutschistan im Januar 2024 erholt hätten.
Andreas Krieg, Militäranalyst an der School of Security Studies am King’s College London, hält es allerdings für höchst unwahrscheinlich, dass Pakistan den Iran aktiv beim Wiederaufbau seines Atomprogramms unterstützen würde – vor allem in den sensiblen Bereichen, die zur Waffenfähigkeit beitragen könnten, wie er dem Tagesspiegel sagt.
Eine Unterstützung des iranischen Atomprogramms hätte für Pakistan schwerwiegende diplomatische, wirtschaftliche und möglicherweise militärische Folgen.
Andreas Krieg, Militäranalyst am King’s College London
„Erstens ist Islamabads strategisches Kalkül maßgeblich von seiner Rivalität mit Indien, seiner Abhängigkeit von Golfstaaten wie Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie seiner kritischen Sicherheitsbeziehung zu den USA geprägt, die alle einen nuklear bewaffneten Iran ablehnen“, sagt der Nahostexperte.
Eine offene oder verdeckte pakistanische Unterstützung des iranischen Atomprogramms hätte aus seiner Sicht schwerwiegende diplomatische, wirtschaftliche und möglicherweise militärische Folgen. Wichtige Partnerschaften würden gefährdet, Sanktionen wären denkbar.
Zweitens sei die Führung in Islamabad darum bemüht, das Land als „verantwortungsvolle Atommacht“ zu präsentieren und beschränke die nukleare Zusammenarbeit strikt auf zivile Bereiche unter internationaler Aufsicht, sagt Krieg. Hinzu komme, dass Pakistans Sicherheits- und Wirtschaftskrisen wenig Spielraum ließen, „sich in riskante regionale Nukleardynamiken verwickeln zu lassen“, die zu Isolation oder Instabilität führen könnten.

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„In der Praxis bedeutet dies, dass sich der Iran anderweitig umsehen muss“, sagt Krieg. Infrage kämen geheime Netzwerke oder illegale Märkte.
Nach dem Kalten Krieg wurde über diese Vertriebswege durchaus Atomtechnologie und entsprechende Expertise gehandelt – auch aus Pakistan.
So gab vor 20 Jahren der Topingenieur Abdul Qadir Khan zu, geheime Informationen über Atomenergie an Nordkorea, Libyen und den Iran verraten zu haben. Khan gilt als Vater der pakistanischen Atombombe und sagte damals, er habe ohne Wissen der politischen Führung gehandelt.
Pakistans damaliger Präsident Pervez Musharraf begnadigte den Wissenschaftler. In der muslimischen Welt gilt Khan bis heute vielen als Held, weil er zur Nuklearbewaffnung von Glaubensbrüdern beigetragen habe.
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