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Ein Mann schiebt sein Fahrrad vor einem Wohnhaus in Torezk, das durch einen russischen Luftangriff zerstört wurde (Archivfoto).

© dpa/Evgeniy Maloletka

„Jedes Haus dort kann als Festung genutzt werden“: Warum ist Torezk in der Ostukraine so wichtig für beide Kriegsparteien?

Russische Truppen sind in dieser Woche in die Außenbezirke der Stadt im Donbass vorgedrungen. Damit eroberten sie eine strategische Schlüsselposition in dem Gebiet.

Stand:

Am Dienstag gab das ukrainische Militär bekannt, dass russische Streitkräfte in die Außenbezirke der ostukrainischen Frontstadt Torezk vorgedrungen seien. „Die Lage ist instabil, Kämpfe finden buchstäblich an jedem Eingang zur Stadt statt“, erklärt Anastasia Bobownikowa, Sprecherin der Operativen Taktischen Gruppe „Luhansk“, im ukrainischen Staatsfernsehen. 

Auch das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) hatte anhand von Geolokalisierungsbildern aufgezeigt, dass es den russischen Truppen gelungen war, an der dortigen Front durchzubrechen. Die ukrainische Beobachtertruppe DeepState meldete ebenfalls die Anwesenheit von Angreifern in der Stadt. Analysten zufolge rücken die russischen Truppen von der Hauptstraße, wo sie am weitesten in die Stadt vorgedrungen sind, auf weitere Straßen vor.

Die Kämpfe finden buchstäblich in jedem Haus statt, die Situation ändert sich ständig“, sagte Bobownikowa. „Den russischen Truppen ist es gelungen, an den östlichen Stadtrand von Torezk vorzudringen und entlang der Zentralstraße in Richtung der Zentralmine vorzustoßen.“ Ihr zufolge setzen die Russen an dem Frontabschnitt gelenkte Luftbomben, Artillerie und weitere Waffen ein.

„Wir hatten bereits eine Situation, in der wir in einem Wohngebäude im Erdgeschoss arbeiteten und die Russen im zweiten Stock waren und wir versuchten, sie auszuschalten“, berichtet Artem Dzhepko, ein Sprecher der Brigade Liubov, Radio Liberty.

Warum ist Toretsk so wichtig?

„Torezk, das etwa zehn Kilometer vom durch Russland besetzten Horliwka entfernt liegt, nimmt eine wichtige Rolle ein, genau wie Tschassiw Jar“, erklärt der ukrainische Militär- und Politikexperte Dmytro Snegirjow im ukrainischen Fernsehsender „Freedom“. „Durch die Kontrolle von Torezk können die ukrainischen Streitkräfte Horliwka, was als operatives Hinterland der russischen Streitkräfte gilt, unter Beschuss halten.“

Iwan Tymotschko, Leiter des Reserverates der ukrainischen Streitkräfte, erklärte der Nachrichtenagentur RBC-Ukraine, was die Russen in Torezk seiner Ansicht nach vorhaben. Er glaubt, sie wollen in der Stadt Fuß fassen, um dann zusätzliche Kräfte in Richtung Pokrowsk oder Awdijiwka, Kramatorsk und Slowjansk verlegen zu können, die wiederum die Truppen in der Region Tschassiw Jar unterstützen könnten.

Außerdem wäre die Einnahme der Stadt ein weiterer Schritt in Richtung des Ziels von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, den gesamten Donbass einzunehmen.

Werden sich die ukrainischen Kräfte zurückziehen müssen?

Unter den derzeitigen Umständen besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich die ukrainischen Verteidigungskräfte aus Torezk zurückziehen müssen, erklärt der Militäranalytiker Oleksiy Hetman, ein Veteran des russisch-ukrainischen Krieges und Major der ukrainischen Streitkräfte, im ukrainischen Radiosender NV. Allerdings dürften die Straßenkämpfe in der Stadt seiner Ansicht nach viel länger dauern als in den Außenbezirken. „Es gibt dort verschiedene Ebenen der Kämpfe. Jedes Haus dort kann als Festung genutzt werden“, erklärte Hetman weiter.

Wie es mit der Stadt weitergehen könnte, hängt seiner Ansicht nach davon ab, ob die ukrainischen Streitkräfte ihre Reserven aufstocken können, ob genügend Granaten und andere Waffen vorhanden seien und wie viele Truppen Russland letztlich dort bündeln kann.

Hetman äußerte die Hoffnung, dass die ukrainischen Streitkräfte in der Lage sein werden, ihre Positionen zu verteidigen. „Aber wenn der Feind uns zahlenmäßig deutlich überlegen ist, müssen sich die ukrainischen Streitkräfte auch aus dem Gebiet um Torezk zurückziehen“, sagt er.

Daher stelle sich erneut die Frage nach einer Mobilisierung weiterer Kräfte und natürlich der Waffen, die die internationalen Partner der Ukraine zur Verfügung stellen. „Es sollten mehr sein, damit das Verhältnis der Artillerieschüsse nicht 1:10 zugunsten der Russen ausfällt. Das ist inakzeptabel“, so der Experte. Er betonte, dass sich das Blatt zugunsten der Ukraine wenden könnte, wenn es der Ukraine gelingen würde, die Kontrolle über den Luftraum zu erlangen.

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