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Senator J. D. Vance zusammen mit Ex-Präsident Donald Trump.

© REUTERS/ALAN FREED

„Idiotische deutsche Energiepolitik“: Deutsche Botschafterin in Washington kontert Deutschland-Bashing

US-Senator J.D. Vance nannte Deutschlands Beitrag im Ukraine-Krieg eine Schande. Botschafterin Emily Haber reagiert auf ungewöhnliche Weise.

Emily Haber gilt als vorbildliche Diplomatin. Seit 2018 vertritt die 67-jährige Botschafterin in Washington die deutsche Politik, knüpft Netzwerke, erklärt den Deutschen die Amerikaner – zweieinhalb Jahre lang hatte sie es dabei auch mit Donald Trump zu tun.

Der Dialog war nicht immer leicht, Haber hat schon einige Stürme erlebt. Deutschland-Bashing ist oft ein Instrument, mit dem sich in der amerikanischen Innenpolitik punkten lässt. Aber die Botschafterin versucht auf vielen Wegen, das Gespräch mit allen politischen Strömungen zu suchen, in- und außerhalb von Washington. Freundschaften pflegt sie auch zu vielen Republikanern.

Dass Haber, die in Gesprächen meist Leseempfehlungen für dicke Bücher gibt, für ihre Mission auch auf Twitter zugreift, ist für sie inzwischen selbstverständlich. Ihren ersten Tweet als Botschafterin setzte sie am 22. Juni 2018 ab, inzwischen hat sie auf der Plattform mehr als 40.000 Follower. Aber in der Regel ist sie bei ihren Äußerungen diplomatisch zurückhaltend.

Diplomatin Emily Haber.

© imago/allefarben-foto

Nicht so in dieser Woche. Am Montag reagierte sie auf einen Tweet des Trump-Vertrauten J.D. Vance, den auch in Deutschland als Bestseller-Autor („Hillbilly Eligy“) bekannten Republikaner, der den Bundesstaat Ohio seit den Zwischenwahlen 2022 im US-Senat vertritt. Der hatte ausgerechnet am Freitag, dem Tag, als US-Präsident Joe Biden Bundeskanzler Olaf Scholz im Weißen Haus empfing, den deutschen Beitrag im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine via Twitter scharf kritisiert.

„Deutschlands Verhalten in diesem Krieg ist eine Schande, und es ist beleidigend für unsere Wähler, dass zu viele Republikaner hier mitmachen“, schrieb Vance. Alle Versprechen der Deutschen hätten sich „in Mist verwandelt“.

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Es sei unverständlich, dass amerikanische Steuerzahler „idiotische deutsche Energie- und schwache Verteidigungspolitik“ subventionieren müssten, so Vance weiter. Mit seinem Tweet reagierte er auf einen Artikel im „Wall Street Journal“, der die von Scholz kurz nach dem russischen Einmarsch verkündete „Zeitenwende“ und den Zustand der Bundeswehr kritisch beleuchtete.

Botschafterin Haber ließ drei Tage verstreichen, dann reagierte sie direkt auf den Tweet von Vance. „Mist?“, fragte sie auf Twitter.„Wir sind der größte Waffenlieferant der Ukraine in der EU. Unsere russischen Energie-Importe sind auf null heruntergefahren.“ Das sei ein „nicht umkehrbarer Strategiewandel“, der fast über Nacht vollzogen worden sei.

„Wir haben zusätzliche 100 Milliarden Dollar für die Verteidigung zugesagt“, so Haber weiter. Aber man könne Panzer nicht bei Costco (einer amerikanischen Großhandelskette) kaufen. Außerdem sei der Kauf von F-35-Kampfjets vollständig finanziert, schrieb Haber. Darüber hinaus bedürfe es einer langfristigen und strategischen Neuausrichtung der Verteidigungspolitik – „und dies findet statt“.

Vance ätzt zurück

Vance reagierte umgehend. „,Wir haben uns verpflichtet.‘ ,Wir werden ausgeben‘“, ätzte er zurück. Und: „Wenn Ihre Politik nicht darin bestanden hätte, sich bei der Energieversorgung von Russland abhängig zu machen und sich zwei Jahrzehnte lang vor den Nato-Beiträgen zu drücken, würden Sie jetzt keine Panzer bei Aldi kaufen.“ Habers trockener Kommentar darauf: „Registriert. Keine Antwort auf die Argumente.“

Dieser Clash ist, so viel lässt sich sagen, diplomatisch ungewöhnlich. Befragt danach, warum es ihr wichtig war, an dieser Stelle und auf diese Art öffentlich zu widersprechen, sagte Haber dem Tagesspiegel: „Die sehr scharfe Attacke blendete die Wirklichkeit unserer Unterstützungsleistungen aus. Wenn deutsche Positionen und Entscheidungen kritisiert werden, ist das eine Sache. Wenn die Wirklichkeit unserer Leistungen und Unterstützung völlig ausgeblendet werden, ist es eine andere. An diese Wirklichkeit wollte ich erinnern.“

Habers Amtszeit endet in diesem Sommer, nachdem ihre Dienstzeit um ein Jahr verlängert worden war. Ihr Nachfolger ist längst benannt: Ab August wird der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis, die Residenz in Washingtons Nordwesten beziehen. Zur Frage, ob sie der baldige Abschied freier macht, auf die ständigen Provokationen aus dem Trump-Lager zu reagieren, würde die Profi-Diplomatin kaum antworten. Aber womöglich leise lächeln.

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