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Auf der Luftwaffenbasis Al-Asrak in Jordanien steigen Soldaten der Bundeswehr in eine Bundeswehrmaschine, um in den Sudan zu fliegen.

© dpa/Neumann

Deutsche Sudan-Evakuierung verzögert?: Großbritannien weist Vorwürfe zurück

Im Sudan spitzt sich die Lage weiter zu, die Evakuierung läuft weiter. Derweil kommen Berichte auf, wonach die Briten die Aktion der Bundeswehr behindert haben sollen.

Das britische Verteidigungsministerium hat Vorwürfe zurückgewiesen, die deutsche Evakuierungsmission im Sudan durch eigenwilliges Vorgehen verzögert zu haben. Die BBC hatte zuvor unter Berufung auf hochrangige Quellen in der deutschen Politik berichtet, das britische Militär sei am Wochenende ohne Zustimmung der sudanesischen Armee auf dem Flugfeld nahe der Hauptstadt Khartum gelandet.

Das habe die Gastgeber so verärgert, dass sie den Zugang zunächst gesperrt hätten, so der Bericht. Dadurch sei ein halber Tag verloren gegangen. „Es ist nicht korrekt, nahezulegen, dass die britischen Bemühungen, vergangenes Wochenende Botschaftsmitarbeiter zu evakuieren, die deutschen Pläne verlangsamt haben“, hieß es am Donnerstag in einer Stellungnahme des Verteidigungsministeriums in London.

Man habe „extrem eng“ mit den französischen, US-amerikanischen und besonders deutschen Partnern zusammengearbeitet und sei den sudanesischen Streitkräften dankbar. Unter der Hand wurden die Vorwürfe in London als „kompletter Unsinn“ bezeichnet. Man habe wohl eine Erlaubnis der sudanesischen Armee gehabt, hieß es in Verteidigungskreisen.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenministerin Annalena Baerbock auf ein unterschiedliches Vorgehen einzelner Nationen hingewiesen. Die USA hätten von ihrer stärkeren Präsenz in der Region profitiert, sagte er. „Und die Briten waren letztlich so früh, weil sie sich, wie soll ich das formulieren, diplomatisch über das hinweggesetzt haben, was die Sudanesen vorgegeben haben.“

780
Menschen wurden bislang von der Bundeswehr ausgeflogen

Bei der noch laufenden Rückverlegung aus dem Sudan nahm die Bundeswehr zuletzt weitere 65 Menschen mit nach Jordanien. Insgesamt seien damit im Rahmen des Evakuierungseinsatzes nun etwa 780 Menschen aus über 40 Nationen aus dem Sudan ausgeflogen worden, darunter 230 deutsche Staatsbürger, teilte das Einsatzführungskommando am Donnerstag mit.

Die Luftwaffe ist auf der Strecke weiter mit Transportflugzeugen unterwegs, um Soldaten, Waffen und Material von einem Militärflughafen bei Khartum über Jordanien zurück nach Deutschland zu bringen.

Wir hatten alle Fähigkeiten, die erforderlich sind, um uns gegen stärkere Feindkräfte vor Ort durchzusetzen.

Generalmajor Dirk Faust über die Evakuierungsaktion im Sudan

Die Bundeswehr war nach Angaben des Befehlshabers zur Absicherung ihres Evakuierungseinsatzes in den vergangenen Tagen auch mit Waffen zur Panzerabwehr ausgerüstet. Die Kräfte seien so aufgestellt gewesen, „dass wir jederzeit ein Gefecht hätten aufnehmen und uns verteidigen können und dabei durchhaltefähig gewesen wären“, sagte Generalmajor Dirk Faust am Mittwoch der „Bild“-Zeitung.

„Wir hatten alle Fähigkeiten, die erforderlich sind, um uns gegen stärkere Feindkräfte vor Ort durchzusetzen – von der Handwaffe bis hin zur Panzerabwehrfähigkeit.“ Faust schilderte in dem Interview: „Wir mussten nicht aus dem Flughafen raus, da die zu Evakuierenden dorthin kommen sollten. Wir wären dazu aber in der Lage gewesen.“ Der Flughafen liege außerhalb der Stadt.

„Daher haben wir von Gefechtshandlungen nichts mitbekommen“, sagte der Befehlshaber der Division Schnelle Kräfte, der den Rettungseinsatz führte. Mit Blick auf den Zustand der Evakuierten sagte der Generalmajor, die Menschen seien nach Tagen der Bedrohung „unglaublich angespannt und erschöpft“ gewesen.

Zahlreiche Länder fliegen ihre Staatsbürger aus dem umkämpften Sudan aus.
Zahlreiche Länder fliegen ihre Staatsbürger aus dem umkämpften Sudan aus.

© REUTERS/U.S.AFRICA COMMAND

Weitere Länder evakuieren Menschen aus dem Sudan. Mehr als 1300 chinesische Staatsbürger wurden in Sicherheit gebracht, wie die Außenamtssprecherin Mao Ning am Donnerstag vor Journalisten in Peking sagte. Frankreich evakuierte nach eigenen Angaben 398 Menschen per Schiff aus dem umkämpften Sudan.

Darunter befanden sich neben fünf Franzosen auch Deutsche sowie Menschen aus insgesamt 50 Nationen, teilte das Außenministerium in Paris am Donnerstag mit. Seit dem Start der Evakuierungseinsätze habe die französische Armee 936 Menschen aus dem Sudan herausgeholt, darunter 214 Franzosen. 

Lage in Khartum wird immer schlimmer

In der Hauptstadt Khartum wird die Lage der Menschen immer schlimmer. Am Mittwoch teilte die Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf mit, dass ihre Einrichtung dort von Bewaffneten angegriffen worden sei. Die betreuten Kinder und Jugendlichen sowie die Mitarbeiter mussten demnach evakuiert werden.

Angesichts der anhaltenden Gewalt plant die Organisation Ärzte ohne Grenzen eine Ausweitung der Hilfe. Notfallteams stünden bereit, in das umkämpfte Land zu reisen, teilte die Organisation mit. Man stehe in engem Kontakt mit Krankenhäusern sowie sudanesischen Gesundheitsbehörden.

460
Menschen kamen im Sudan bisher mindestens ums Leben

Trotz einer Waffenruhe kam es auch in der Nacht zu Donnerstag in Teilen des Landes erneut zu Gefechten. Bei den Kämpfen, die vor knapp zwei Wochen begannen, kamen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mindestens 460 Menschen ums Leben, fast 4100 wurden verletzt. Die wahre Zahl der Opfer dürfte aber deutlich höher liegen.

Im Sudan kämpft de-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan mithilfe des Militärs gegen seinen Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo. Dieser ist Anführer der einflussreichen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF). Die beiden Generäle hatten die Führung des Landes mit rund 46 Millionen Einwohnern durch zwei gemeinsame Militärcoups 2019 und 2021 übernommen.

Für die Menschen spitzt sich die Lage in der Hauptstadt Khartum weiter zu.
Für die Menschen spitzt sich die Lage in der Hauptstadt Khartum weiter zu.

© REUTERS/UK MOD

Der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) per Haftbefehl gesuchte Langzeitmachthaber des Sudans, Omar al-Baschir, der 2019 gemeinsam vom Militär und der RSF gestürzt wurde, soll sich nach Armeeangaben in einem Militärkrankenhaus in Khartum aufhalten und von der Polizei bewacht werden. Unabhängig ließ sich die Mitteilung nicht überprüfen.

Der 79-Jährige, der den Sudan 30 Jahre lang autoritär regiert hatte, saß nach einer Verurteilung eigentlich im Kobar-Gefängnis in der Hauptstadt ein. Laut Medienberichten hatte die Gefängnispolizei am Wochenende die Häftlinge freigelassen, da sie deren grundlegende Versorgung nicht sicherstellen konnte.

Gesucht wegen Völkermords und Kriegsverbrechen

Über Al-Baschirs Aufenthaltsort wurde tagelang gerätselt. Der IStGH sucht Al-Baschir seit 2009 mit Haftbefehl wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Darfur-Konflikt. Seit Jahren kommt es in der Region im Westen des Landes zu Gewalt zwischen der Regierung und afrikanischstämmigen Minderheiten. Im Sudan wurde Al-Baschir wegen Korruption verurteilt, zudem läuft ein Verfahren wegen eines Putsches zu Beginn seiner Amtszeit 1989.

In der Nacht zu Dienstag war eine von den Vereinigten Staaten verhandelte Waffenruhe zwischen den beiden Konfliktparteien in Kraft getreten, die jedoch nur noch sporadisch hielt. Beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig, die Feuerpause immer wieder zu brechen.

Die USA und die Afrikanische Union (AU) wollen sich weiter gemeinsam für ein sofortiges Ende der Kämpfe im Sudan und ungehinderten Zugang zu humanitärer Hilfe einsetzen. US-Außenminister Antony Blinken sprach am Mittwoch (Ortszeit) mit dem Vorsitzenden der AU-Kommission, Moussa Faki Mahamat, über die Zusammenarbeit zwischen den USA und der AU, wie das Ministerium mitteilte.

Ziel sei es, eine dauerhafte Einstellung der Kämpfe zu erreichen. Beide seien sich einig, dass die AU dabei weiterhin eine führende Rolle spielen müsse. (dpa)

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