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Erdogans Gruß aus Beton: Die Türkei will eine Mauer zu Griechenland bauen
Etwa 200 Kilometer lang ist die türkische Grenze zu Griechenland. Ankara will jetzt aus dem Zaun eine Mauer machen. Was sich der türkische Präsident davon erhofft.
Stand:
Die Türkei will einen wichtigen Transitweg für Flüchtlinge nach Europa schließen. Eine zwei Meter hohe Betonmauer entlang der Landgrenze zu Griechenland im Nordwesten der Türkei soll Migranten und Regimegegnern den Weg in die EU versperren.
Das Vorhaben ist eine Geste von Präsident Recep Tayyip Erdogan an EU-Länder wie Deutschland und Österreich, in denen der Streit um die Migration zu innenpolitischen Verwerfungen geführt hat. Erdogans Kritiker werfen dem Staatschef vor, er würde sich den Europäern unterwerfen.
Yunus Sezer, Gouverneur der nordwesttürkischen Grenzprovinz Edirne, gab den Beginn des Mauerbaus bekannt. In einem ersten Schritt soll ein 8,5 Kilometer langes Teilstück entlang der Maritza errichtet werden, dem Grenzfluss zwischen der Türkei und Griechenland; insgesamt ist die Landgrenze rund 200 Kilometer lang.
Im vergangenen Jahr kamen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR knapp 8000 Flüchtlinge über die Maritza aus der Türkei nach Griechenland, das waren rund 13 Prozent der Gesamtzahl von mehr als 60.000 Menschen; die meisten Flüchtlinge setzen über die Ägäis auf griechische Inseln über.
Im Flüchtlingsabkommen mit der EU im Jahr 2016 hatte sich die Türkei verpflichtet, Migranten auf dem Weg nach Europa aufzuhalten.
Seitdem hat die Türkei drei Millionen Syrer und Hunderttausende Afghanen aufgenommen. Erdogan setzte das Flüchtlingsthema mehrmals als Druckmittel ein.
Vor fünf Jahren ermunterte der Präsident Zehntausende Schutzsuchende, über die Landgrenze nach Griechenland auszureisen, um die EU zur Unterstützung für den geplanten Bau von Wohnungen für heimkehrende Flüchtlinge in Syrien zu zwingen.
Derzeit bemüht sich Erdogan um Entspannung im türkisch-europäischen Verhältnis, weil er sich davon wirtschaftliche und außenpolitische Vorteile für sein Land verspricht.
Erdogan signalisiere mit der Mauer, dass er das Thema Migration nicht mehr als Hebel gegen die EU einsetzen wolle, meint Ömer Murat, ein ehemaliger türkischer Diplomat, der im deutschen Exil lebt. „Zweifellos ist das eine Geste an Europa“, sagt Murat.
Erdogan wisse, dass die Migration eines der wichtigsten Themen für die neue Bundesregierung in Deutschland sein werde, und verspreche dem wohl nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz mit der Mauer, mehr gegen die irreguläre Migration unternehmen zu wollen. „Die Botschaft lautet, dass Erdogan bei diesem Thema zu einer engeren Zusammenarbeit mit der Merz-Regierung bereit ist“, sagt Murat.
Die neue Mauer ist vor allem ein Symbol. Schon jetzt schreckt die Landgrenze viele Flüchtlinge ab, die nach Europa wollen. Denn Migranten werden von griechischen Soldaten regelmäßig wieder über die Maritza in die Türkei zurückgetrieben, obwohl dies völkerrechtswidrig ist.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof verurteilte Griechenland im Januar wegen dieser illegalen „Pushbacks“. Die griechischen Behörden haben an Teilabschnitten entlang der Grenze zudem einen Zaun errichten lassen.
Die Zahl der Schutzsuchenden geht zurück
Auch aus der Erklärung von Gouverneur Sezer in Edirne ergibt sich die Frage, wozu die Mauer überhaupt gebraucht wird. Sezer betonte, der Ausbau von Patrouillenwegen und eine bessere elektronische Grenzüberwachung hätten die Zahl der Flüchtlinge an der Landgrenze schon um 93 Prozent im Jahresvergleich gesenkt.
Aktuelle Zahlen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) bestätigen, dass die Zahlen zurückgehen, wenn auch nicht so drastisch, wie Gouverneur Sezer sagt. In den ersten zwei Monaten des Jahres zählte die UN-Organisation 452 Flüchtlinge, die über den Evros nach Griechenland kamen. In Vergleichszeitraum 2024 waren es rund 700.

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Erdogan hat entlang der türkischen Grenzen zum Iran, zum Irak und zu Syrien bereits Mauern mit einer Gesamtlänge von mehr als tausend Kilometer bauen lassen, um Flüchtlinge aus dem Land zu halten.
Die türkische Opposition ist empört
Doch nun werde in Edirne eine Mauer errichtet, die Flüchtlinge nicht an der Einreise, sondern an der Ausreise hindern solle, kritisierte der Politiker Tanju Özcan von der Oppositionspartei CHP auf X: „Herr, gib ihnen Verstand.“
Die Türkei diene Europa als Auffanglager, sagte der regierungskritische Journalist Levent Gültekin auf Youtube. Erdogans Regierung handele „im Namen des Westens“.
Ankara will das nicht auf sich sitzen lassen. Die Mauer diene der Sicherheit des Landes, erklärte die türkische Migrationsbehörde, die dem Innenministerium untersteht.
Allein seit Anfang des vorigen Jahres seien entlang der Landgrenze mit Griechenland rund 2300 mutmaßliche Straftäter gefasst worden, darunter 887 Menschenschmuggler, 765 andere Kriminelle und 652 Mitglieder von „Terrororganisationen“ – gemeint sind die kurdische PKK und die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen.
Das bedeutet, dass die Mauer auch Regimegegner aufhalten soll, die der Verfolgung in der Türkei entgehen wollen.
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