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Die Urananreicherungsanlage in Isfahan im Jahr 2005.

© Getty Images/Getty Images

Das 408-Kilogramm-Rätsel: Der mysteriöse Verbleib der iranischen Uranvorräte

Noch immer ist unklar, wo sich das hochangereicherte Uran des Iran befindet. Donald Trump ist überzeugt, dass es zerstört wurde. Experten und seine Geheimdienste sind sich da nicht so sicher.

Stand:

Nach den heftigen Angriffen Israels und der USA auf den Iran ist es das vielleicht größte verbliebene Rätsel: Was ist mit den 408 Kilogramm Uran passiert, das der Iran so weit angereichert hatte, dass sich daraus innerhalb von Wochen zehn Atombomben bauen ließen? Zur Einordnung: Insgesamt besaß der Iran mehr als 8000 Kilogramm Uran, das meiste davon aber nicht hoch angereichert.

Donald Trump ist der Meinung, dass das hochangereicherte Uran bei den US-Angriffen auf Irans Atomanlagen in Fordo, Natans und Isfahan in der Nacht zu Sonntag vollständig zerstört wurde. Auf seinem sozialen Netzwerk „Truth Social“ schrieb er am Donnerstag: „Es wurde nichts aus (der) Anlage entfernt. Das würde zu lange dauern, wäre zu gefährlich und sehr schwer und schwer zu bewegen!“

So sicher, wie Trump es behauptet – man kann es sich denken – ist der Verbleib des Urans aber nicht.

Denn der Verdacht war schon früh, dass der Iran das Uran in Sicherheit gebracht hat. Einige Stunden bevor die 12 riesigen US-Bomben des Typs GBU-57 in der Atomanlage in Fordo einschlugen, waren 16 Trucks auf Satellitenbildern zu erkennen, die nahe der Anlage parkten. Auf weiteren Bildern waren Autos zu sehen und Fahrspuren. Es gab also noch während der israelischen Angriffe regen Verkehr.

Auf einem Satellitenbild der Atomanreicherungsanlage von Fordo vom 20. Juni sind Trucks nahe den Eingängen zu sehen.

© AFP/-

Was die Sache noch heikler macht: 2023 hatten Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Fordo Uran entdeckt, das bis auf 84 Prozent angereichert war. Bis zu den 90 Prozent Anreicherung, die für eine Atombombe nötig sind, ist es dann nur noch ein vergleichsweise kleiner Schritt. Das meiste hochangereicherte Uran, das der Iran besaß, war aber nur bis auf 60 Prozent angereichert.

Zweifel an der Zerstörung der Uranvorräte

Am Sonntag schon, also kurz nach den Bombenabwürfen, hatte US-Vizepräsident JD Vance erklärt, dass die USA mit dem Iran über den Verbleib der Uranvorräte sprechen würden. Also auch hier keine Sicherheit, dass sie zerstört wurden.

Am Donnerstag erklärten auch europäische Offizielle gegenüber der britischen Tageszeitung „Financial Times“, die über die bisherige Einschätzung der europäischen Geheimdienste informiert wurden, dass die Uranvorräte bei den US-Angriffen wahrscheinlich nicht zerstört wurden.

Ebenfalls am Donnerstag berichtete die „New York Times“ unter Berufung auf US-Geheimdienstbeamte, dass es bisher keine endgültig gesicherten Informationen über den Verbleib des Urans gebe. Denn Teile der zweiten großen iranischen Urananreicherungsanlage in Natans seien zwar beschädigt worden, aber nicht zerstört.

Ein Satellitenbild der Urananreicherungsanlagen in Natans

© dpa/PLANET LABS PBC

Außerdem hatten iranische Offizielle behauptet, dass der Iran inzwischen eine dritte geheime Anreicherungsanlage betreibe. Wo sich die befindet und ob auch sie vielleicht in einer Geheimoperation angegriffen wurde, ist unbekannt.

Zwar gab der iranische Außenminister mit Blick auf die Angriffe im iranischen Fernsehen zu: „Die Verluste sind nicht gering und unsere Anlagen wurden schwer beschädigt.“ Aber zu Details äußerte er sich in dem rund eine Stunde langem Interview nicht.

Ein weiterer Hinweis, dass die Uranvorräte den Krieg überstanden haben könnten: Am Donnerstag fand ein Geheimdienstbriefing für Mitglieder des US-Senats statt, das die US-Regierung um einige Tage verschoben hatte. Danach erklärte ein Teilnehmer, man solle nicht glauben „dass das Problem gelöst ist, denn das ist es nicht“. Zudem hieß es auch, die Zerstörung der angereicherten Uranvorräte sei gar nicht Teil der US-Mission am Wochenende gewesen.

Das liegt vielleicht auch daran, dass es kaum gesicherte Informationen darüber gab, wo genau sich das angereicherte Uran zu Kriegsbeginn befand. Infrage kommen laut Berichten die drei großen Urananlagen im Iran, Fordo, Natans und Isfahan.

Das meiste Uran habe sich gar nicht in Fordo befunden, berichtet die „Financial Times“ unter Berufung auf EU-Beamten. Die IAEA hatte die Vorräte zuletzt in Natans lokalisiert. Rund eine Woche vor dem israelischen Angriff hatten die IAEA-Kontrolleure die Vorräte zuletzt gesehen.

Die iranische Regierung hatte zudem immer wieder auch öffentlich erklärt, dass sie das Uran im Falle eines Angriffs schnell in Sicherheit bringen würden, um das Atomprogramm nach einem Angriff fortführen zu können.

Rafael Grossi ist Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Agentur. Er glaubt, dass das iranische Atomprogramm schwer beschädigt, aber nicht zerstört ist.

© dpa/ROLAND SCHLAGER

Der Chef der IAEA, Rafael Grossi, hatte kurz nach den israelischen Angriffen auf den Iran bei einer Sitzung der Agentur über einen Brief des iranischen Außenministers vom 13. Juni, also dem ersten Kriegstag, berichtet. Abbas Araghchi habe ihm geschrieben, man werde „besondere Maßnahmen zum Schutz der nuklearen Ausrüstung und Materialien ergreifen“.

Grossi, der die Uranvorräte im Rahmen der IAEA-Kontrollen immer wieder besichtigt hatte, erklärte in einem Interview vor dem Krieg, dass das Uran in Behältern untergebracht sei, die in den Kofferraum von zehn Autos passen würden.

Nun lässt sich einwenden, dass die Israelis schon kurz nach Beginn der Angriff die Lufthoheit im Iran hatten, es also für die Iraner schwer und risikoreich gewesen sein muss, unbemerkt größere Mengen Uran im Land in Sicherheit zu bringen. Zudem, so sieht es zumindest aus, haben die Israelis das iranische Atomprogramm so weit unterwandert, dass sie über den Verbleib des Urans informiert sein müssten.

Israels Premier Benjamin Netanjahu erklärte nach den Angriffen, seine Geheimdienste hätten „interessante Erkenntnisse“ über den Verbleib des Urans. „Sie werden es mir nachsehen, dass ich diese nicht mit Ihnen teile“, sagt er vieldeutig. Zudem soll es in Fordo kurz vor den US-Angriffen eine Bodenoperation der Israelis gegeben haben. Auch dabei könnten Informationen über den Verbleib des Urans gesammelt worden sein.

Aber selbst wenn der Iran größere Mengen seines angereicherten Urans gerettet haben sollte, bleibt die Frage, was er damit anstellen kann?

Denn darin sind sich die meisten Experten einig: Die Zentrifugen, die das Uran anreichern, und die sich in Fordo und Natans befanden, sind weitgehend unbrauchbar gemacht. Auf einen wichtigen Stoff, das Uranhexaflourid, der in den Zentrifugen zur Anreicherung gebraucht wird, besitzt der Iran nicht mehr. Und auch die Fabriken zur Produktion der Zentrifugen hat Israel zerstört. Tausende solcher Zentrifugen werden für die Anreicherung des Urans benötigt.

Insofern hat der Iran vielleicht sein Uran gerettet. Es von 60 Prozent auf waffenfähige 90 Prozent anzureichern und daraus seine Bombe zu bauen, dürfte dem Regime in Teheran aber wohl ersteinmal schwerfallen.

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