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„Glauben an die USA als verlässlicher Partner“: Selenskyj buhlt um Trumps Hilfe – und attackiert dessen Sondergesandten scharf
Wenn Amerika stark gegenüber Putin bliebe, könne sich sein Land weiter verteidigen, sagt der ukrainische Präsident vor einem Gipfel in Paris – und kritisiert Russland-freundliche Aussagen Witkoffs.
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Inmitten der Spannungen zwischen den USA und der Ukraine soll es heute beim Gipfeltreffen der sogenannten „Koalition der Willigen“ in Paris um Sicherheitsgarantien für den Fall einer Waffenruhe zwischen Kiew und Moskau gehen, wie der Élysée-Palast mitteilte. Festgezurrt werden soll ein mehrschichtiges Konzept militärischer Garantien und Hilfen für die Ukraine, das unter Federführung von Frankreich und Großbritannien erarbeitet wird.
Dafür werden Spitzenvertreter aus 31 Ländern erwartet, darunter für Deutschland der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beriet sich am Vorabend bereits mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. In einem Interview mit mehreren europäischen Medien, darunter der ARD, machte Selenskyj zuvor deutlich, dass seine Regierung trotz einiger Streitigkeiten die USA weiterhin als wichtigen Partner betrachtet.
Selbst wenn Amerika heute die Taktik gewählt hat, in der Mitte zu sein, dann ist die Mitte in der Mitte und nicht näher am Kreml.
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine
„Wenn Amerika stark bleibt und nicht nachgibt, werden wir unsere Position auch halten“, sagte er zum Stand der aktuellen Friedensbemühungen. „Es ist wichtig, dass auch unsere Partner stark bleiben.“ Der Präsident weiter: „Wir glauben daran, dass die Amerikaner weiterhin unser verlässlicher Partner bleiben.“ Ohne die USA funktionierten die Verteidigung und der Schutz der Zivilbevölkerung nicht. Deswegen sei die Hilfe der USA so wichtig.
Selenskyj schlägt versöhnliche Töne an
Insgesamt schien Selenskyj – angesichts des Eklats im Weißen Haus vor laufenden Kameras im Februar – sehr um versöhnliche Töne gegenüber Washington bemüht. Er sei den USA sehr dankbar für ihre Unterstützung. US-Präsident Donald Trump verstehe, wie groß die Gefahr durch Russland sei.

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Gleichzeitig rügte Selenskyj den Kurs der US-Regierung bei den Vermittlungsbemühungen – direkte Kritik an Trump vermied er. Als Beispiel nannte der ukrainische Präsident den US-Sondergesandten Steve Witkoff. Washington sei stark von der russischen Propaganda beeinflusst. Unter anderem würden in Washington russische Narrative wiederholt. Witkoff hatte zudem unter anderem den russischen Präsidenten Wladimir Putin als „freundlichen Kerl“ bezeichnet.
Selenskyj kritisiert US-Sondergesandten Witkoff
Selenskyj erklärte, er habe viele Male mit Trump gesprochen, „und wir arbeiten auf der Ebene der Geheimdienste daran, echte, wahrheitsgemäße Informationen auszutauschen. Denn die Aussagen von Witkoff sind ein großes Problem für uns.“ Witkoff, ein Immobilienmakler, den Trump zu einem seiner wichtigsten Emissäre für den Russland-Ukraine-Komplex gemacht hat, äußerte sich zuletzt mehrfach auffallend oft positiv über Putin und wiederholte russische Darstellungen.
„Das wird uns dem Frieden nicht näher bringen, es wird den Druck der USA auf Russland sogar schwächen“, sagte Selenskyj. Putin habe Angst vor einem Zusammenschluss der USA mit Europa und versuche daher mit allen Mitteln, Europa und die USA zu spalten.
Die Ukraine verteidige sich gegen ein 40-mal größeres Land und hoffe daher natürlich auf Hilfe gerade aus den USA. „Selbst wenn Amerika heute die Taktik gewählt hat, in der Mitte zu sein, dann ist die Mitte in der Mitte und nicht näher am Kreml“, sagte Selenskyj.
Gleichzeitig warf der ukrainische Präsident Moskau vor, kein Interesse an einer Waffenruhe zu haben. „Wir waren für die vollständige Waffenruhe bereit. Russland war aber nur für die Waffenruhe im Schwarzen Meer bereit“, so Selenskyj. Er hoffe daher, dass Trump die Sanktionen gegen Russland verschärfe. „Alles, was uns der Waffenruhe näher bringt, bringt uns auch näher an den Frieden.“
Er habe sich bereit erklärt, die Waffenruhegespräche fortzusetzen, um eine Wiederaufnahme der US-Hilfe und des Informationsaustauschs zu gewährleisten. Russland habe jedoch zusätzliche Forderungen zur Umsetzung des Abkommens im Schwarzen Meer gestellt, wobei es vor allem darum gegangen sei, den Sanktionsdruck auf Moskau zu verringern, sagte Selenskyj. „Sie stellen der amerikanischen Seite Bedingungen für Sanktionen. Wenn Amerika stark ist, stehen wir auf unserem eigenen Boden und verteidigen uns“, so Selenskyj.
Selenskyj will Europa bei Verhandlungen einbinden
Selenskyj betonte, dass bei möglichen Friedensverhandlungen auch Europa mit am Tisch sitzen müsse. Bislang haben die Ukraine und Russland jeweils nur mit den USA über einen möglichen Frieden verhandelt. Europäische Staaten waren nicht daran beteiligt, forderten aber wiederholt erfolglos eine Rolle bei den Gesprächen ein. Macron und der britische Premierminister Keir Starmer bemühen sich seit Wochen um eine Abstimmung der europäischen Verbündeten.
Der ukrainische Präsident betonte, er wisse um die Sorgen der osteuropäischen Staaten vor einem Angriff Russlands. Und er wisse auch darum, dass sich diese Staaten sorgten, dass die Verhandlungen nur zwischen Großmächten und zu deren Bedingungen stattfinden könnten. Dafür habe es in der Geschichte schon Beispiele gegeben.
„Lassen Sie uns daran glauben, dass es diesmal nicht so ist“, sagte Selenskyj. „Ich habe viele unserer Partner getroffen und verstehe, wozu sie bereit sind. Und ich glaube, dass diese Erfahrung reicht, um rechtzeitig zu verstehen, wo wir die Unterstützung haben und wo wir verraten werden“, so der ukrainische Präsident. „Die Ukraine verteidigt sich und verteidigt damit Europa.“
In Paris soll es auch um das schon seit längerem diskutierte mögliche Entsenden europäischer Streitkräfte in Richtung Ukraine gehen. Wie Macron am Abend einem Bericht der Agentur dpa zufolge bei einer Pressekonferenz mit Selenskyj sagte, werde die Aufgabe solcher Streitkräfte das Absichern wichtiger Städte und strategischer Stützpunkte sein. Diese Truppen sollten aber nicht an der Frontlinie stehen und gegen die russischen Streitkräfte eingesetzt werden.
Vielmehr sollten mögliche europäische Truppen durch ihre Präsenz die Russen von einem erneuten Angriff abhalten und Kiew ermöglichen, Positionen in einer möglichen Friedenszone auf ukrainischem Territorium zu halten. Im Fall einer erneuten allgemeinen Aggression gegen die Ukraine seien die Truppen in der Lage, darauf zu reagieren, sagte Macron demnach.
Europäische Länder könnten sich nach französischer Vorstellung auf unterschiedlichem Wege an dieser Mission beteiligen, also nicht nur durch das Entsenden von Soldaten. Übergeordneter Sicherheitsgarant wäre demnach die Supermacht USA. Washington hat das aber nicht zugesagt.
Im Kreis der westlichen Unterstützerstaaten werde erwogen, eine denkbare entmilitarisierte Zone an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine vor allem aus der Luft und mithilfe von technischen Mitteln wie Satelliten und Drohnen zu beobachten, so die dpa.
Zudem könnten Marineeinheiten zum Einsatz kommen, um die Freiheit der Schifffahrt im Schwarzen Meer zu überwachen. Europäische Streitkräfte könnten dann an der ukrainischen Westgrenze stationiert werden und etwa Ausbildungsprogramme für die ukrainischen Partner anbieten.
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