zum Hauptinhalt
Bewaffneter israelischer Siedler nahe der palästinensischen Stadt Nablus im nördlichen Westjordanland.

© dpa/Ilia Yefimovich

Große Krise in Nahost: Der Westen muss Israel und Palästinenser zum Dialog zwingen

Ein Staat der Juden neben einem der Palästinenser – dass es diese Lösung noch nicht gibt, liegt bei Weitem nicht allein an Israel. Der Frieden hängt davon ab, dass ein Ausgleich gelingt.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Der anhaltende Krieg in Gaza, die fortwährende Ablehnung eines Palästinenserstaats, die unveränderte Siedlungspolitik – Israels Haltung wird weltweit zunehmend kritisiert. Eine Isolation wird zur realen Gefahr, wenn westliche Staaten es nicht endlich schaffen, Israel und die Palästinenser in Richtung eines Dialogs zu bewegen.

Hinzu kommt in diesen Tagen ein Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes, das zwar nicht verbindlich ist, aber einer Verurteilung gleichkommt. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hatte es bereits 2022 in Auftrag gegeben – es geht darin um Israels Präsenz im Westjordanland und Ostjerusalem.

Seit fast 60 Jahren hält Israel palästinensische Gebiete besetzt und baut immer neue Siedlungen. Das sei eine völkerrechtswidrige Annexion, entschied der IGH, der aus 15 internationalen Richtern besteht. Israel solle sich „so schnell wie möglich“ zurückziehen – und Betroffene entschädigen.

So steigt der Druck – allerdings einseitig auf Israel. Dass die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) ihrerseits zahlreiche Chancen ausgeschlagen hat, die Lage zum Besseren und ihren Gunsten zu wenden, spielt in allen diesen Kontexten keine Rolle.

Chancen bis in die jüngste Vergangenheit, aber auch solche wie die vor genau 24 Jahren, als die PLO im amerikanischen Camp David einen historischen Friedensplan ablehnte. Er hätte die heutigen Auseinandersetzungen verhindert. Und es gibt gegenwärtig niemanden, der das noch ins Feld führen würde.

Die Katastrophe ist eingetreten

Der Plan sah 92 Prozent des Westjordanlandes, 100 Prozent des Gazastreifens, einen Landtausch und Ostjerusalem als Hauptstadt für die Palästinenser vor. So weit wollte Israel unter Ehud Barak gehen.

Der damalige US-Präsident Bill Clinton schlug auf den Tisch. Er warnte PLO-Chef Jassir Arafat: „Sie führen Ihr Volk und Ihre Region in eine Katastrophe.“ Die ist eingetreten.

Die Auswirkungen des Krieges in Gaza beeinflussen zunehmend auch den Alltag im Westjordanland. Immer wieder gibt es Tote bei Konfrontationen zwischen radikalen Siedlern und Palästinensern. Hinzu kommt der Kampf Israels nach dem Terrorangriff von Anfang Oktober mit Hunderten Toten gegen die islamistische Hamas. Mit schwersten Folgen für die Zivilbevölkerung.

Westliche Kritiker sehen sich nun gestärkt, Israel vor diesem Hintergrund zu einem Rückzug zu bewegen und der Gründung eines palästinensischen Staates zuzustimmen. Glauben Sie, damit einen Stimmungsumschwung bewirken zu können?

Schon seit 1967 ist die Lage so

Israel hat das Westjordanland, Ostjerusalem und den Gazastreifen im Sechstagekrieg 1967 erobert. Aus dem Gazastreifen zog es sich 2005 zurück, Ostjerusalem ist annektiert. Das Westjordanland wird als umstrittenes Gebiet bezeichnet, über dessen Zukunft in Verhandlungen entschieden werden soll. Die Palästinenser beanspruchen alle drei Gebiete für einen eigenen, unabhängigen Staat.

Verhandlungen aber werden bisher auch durch die Uneinigkeit zwischen den Palästinenserorganisationen Fatah und Hamas nahezu unmöglich gemacht. Hinzu kommt, dass die Hamas unverändert die Tötung und Geiselnahme von Zivilisten zu ihren zentralen Zielen zählt. Zu Druck auf die Palästinenser hat das bisher nicht geführt.

Dabei haben die unabhängigen Menschenrechtler von Human Rights Watch gerade einen Bericht über das Hamas-Massaker vom 7. Oktober vorgelegt. Der kommt ebenfalls einer Verurteilung gleich – in diesem Fall der Palästinenser.

Auszüge zeigen das Grauen. „Sie setzten Häuser in Brand, verbrannten und erstickten Menschen und vertrieben andere, die sie dann erschossen oder gefangen nahmen.“ Den von der Hamas angeführten Gruppierungen werfen die Menschenrechtler außerdem vor, Leichen verstümmelt und geschändet zu haben.

Israels Haltung wird nicht zuletzt von diesem Tag bestimmt, dem schlimmsten Angriff auf Juden seit dem Holocaust. Vor dem Hintergrund der fortwährenden, unverminderten Bedrohung seiner Existenz ist diese inzwischen verhärtet. Wenn die westlichen Staaten jetzt annähernd starken Druck auf die Palästinenser ausüben würden, könnten sie viel erreichen: sowohl eine Isolation Israels verhindern als auch einen Dialog erzwingen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })