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Premier Netanjahu und Verteidigungsminister Gallant

© Reuters/Pool

Haftbefehle gegen Netanjahu und Gallant: Wenn vom Internationalen Strafgerichtshof Unheil ausgeht

Die Vorwürfe sind hart, wiegen schwer: Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg. Israel wehrt sich. Was tun seine Freunde? Die Bundesregierung muss sich entscheiden.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Der Krieg um Gaza ist um eine neue unheilvolle Wendung reicher. Sie geht aus vom Haager Internationalen Strafgerichtshof (ICC). Der wirkt gerade nicht friedensstiftend, sondern feuert die Gegner Israels an.

Auslöser sind Haftbefehle gegen Premier Benjamin Netanjahu und den früheren Verteidigungsminister Yoav Gallant. Sie wurden erlassen gemeinsam mit einem weiteren gegen den Anführer der Terrororganisation Hamas, Mohammed Deif.

Das erweckt weltweit den Eindruck, als seien beide Seiten gleich verdächtig, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Eine Beurteilung ohne Unterschied, Israel auf derselben Stufe wie eine Terrororganisation, deren erklärtes Ziel unverändert die Vernichtung des Staates Israel ist.

Ist der Unterschied nicht offensichtlich, muss er erst noch ermittelt werden?

Die Haftbefehle gehen zurück auf einen Antrag von Chefankläger Karim Khan vom Mai. Zentraler Vorwurf ist das vorsätzliche Aushungern von Zivilpersonen als Methode der Kriegführung, das Vorenthalten wesentlicher Dinge fürs Überleben, nicht zuletzt der Kinder – und das absichtlich, ausgedehnt, systematisch, unmenschlich.

29.08.2024

Weiter Terror nach dem Massaker

Die Vorwürfe wiegen schwer. Dass Israel sich nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 gegen den auch noch fortgesetzten islamistischen Terror in Gaza und im Libanon verteidigt, fällt für die Richter in Den Haag nicht entscheidend ins Gewicht.

Israel erkennt das Gericht nicht an – jetzt fühlt es sich bestätigt. Es sieht die Ermittlungen als einseitig und unzureichend an. So seien es keine vorsätzlichen Handlungen, sondern die Hamas halte Hilfe zurück oder verhindere sie mit Gewalt.

Ist der Hamas-Terrorist nicht tot?

Nicht weiter erwähnt wird, dass Mohammed Deif bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen im Juli getötet worden sein soll. Dennoch ist ein Haftbefehl gegen ihn ausgesprochen.

Vielleicht wurden die Anträge jetzt angenommen, weil Israel aus Gerichtssicht die Verbrechen nicht ausreichend selbst verfolgt? Der Strafgerichtshof ist nur zuständig, wenn Verbrechen nicht bereits in einem Staat verfolgt werden, der dafür zuständig wäre. Das aber nimmt Gali Baharav-Miara, die israelische Generalstaatsanwältin und keine Netanjahu-Anhängerin, für ihr Land in Anspruch. Auch methodisch riefen die Haftbefehlsanträge Kritik hervor.

Der Strafgerichtshof hat keine eigene Polizei, um seine Haftbefehle durchzusetzen. Er ist deshalb auf die Kooperation der 124 Mitgliedstaaten angewiesen. Frankreich, die Niederlande, auch Österreich würden die Gesuchten wohl festnehmen, sobald sie sich in ihrem Staatsgebiet aufhalten. Unabhängig davon, dass mit Reisen von Netanjahu und Gallant in die EU gegenwärtig nicht zu rechnen ist – ein Riss im Westen zeichnet sich ab.

Die Bundesregierung muss sich entscheiden, auf welcher Seite sie steht. Sie kann sich auch an die der USA stellen. Die sind kein Mitglied des Strafgerichtshofs, lehnen die Haftbefehle aber auch inhaltlich ab. Denn aus ihrer Sicht hat der ICC aufs Neue Zweifel an seinem Amtsverständnis geschürt. Für sie gilt: Täter-Opfer-Umkehr dürfen Freunde Israels nicht akzeptieren; so schafft das Gericht keine Gerechtigkeit, sondern neuen Antisemitismus.

Die Geschichte wird darüber ein eigenes Urteil fällen.

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