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Halbierte Armee, Gebietsabtretungen, Russisch als Staatssprache: Das ist bisher über Washingtons neuen Friedensplan für die Ukraine bekannt
Die USA und Russland sollen heimlich an Bedingungen für ein Ende des Ukrainekriegs gearbeitet haben. Kiew blieb dabei offenbar außen vor. Deutschland wurde offenbar auch noch „nicht gebrieft“.
Stand:
Die Ukraine hat von den USA einen neuen Vorschlag zur Beendigung des russischen Angriffskrieges erhalten. Wie ein ranghoher ukrainischer Vertreter am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP sagte, sieht der Plan unter anderem eine Abtretung der von Russland kontrollierten Gebiete, darunter die Krim, und eine deutliche Verkleinerung der ukrainischen Armee vor.
Englischsprachige Medien hatten zuvor über Geheimgespräche zwischen Moskau und Washington über einen Ukraine-Friedensplan berichtet. Wie das US-Portal „Axios“ unter Berufung auf US-amerikanische und russische Beamte berichtet, ist der heimlich von den USA und Russland ausgearbeitete 28-Punkte-Plan von Präsident Donald Trumps Friedensabkommen für Gaza inspiriert.
Das ist bisher über den Plan bekannt:
- Die 28 Punkte sind in vier Bereiche unterteilt: Frieden in der Ukraine, Sicherheitsgarantien, Sicherheit in Europa und die künftigen Beziehungen der USA zu Russland und der Ukraine.
- Insidern zufolge sieht der Plan Gebietsabtretungen durch die Ukraine vor. So soll der gesamte Donbass an Russland gehen. Derzeit kontrolliert Moskau das Gebiet nicht vollständig. Die neuen russischen Gebiete sollen aber demilitarisiert werden.
- Die südliche Frontlinie durch die Gebiete Saporischschja und Cherson soll weitgehend eingefroren werden.
- Die ukrainische Armee soll in der Größe halbiert und die Bewaffnung verkleinert werden.
- Die Einschränkung bei der Bewaffnung schließt den Verzicht auf bestimmte Waffen und eine Einschränkung der Reichweite der Waffen ein. Das würde die von der Ukraine selbst entwickelten und produzierten Marschflugkörper wertlos machen.
- Auf ukrainischem Boden dürfen keine ausländischen Truppen stationiert werden. Das würde eine Friedenstruppe für die Ukraine, wie sie bisher im Gespräch war, unmöglich machen.
- Die USA geben Kiew und Europa im Gegenzug Sicherheitsgarantien bei einem russischen Angriff.
- Ein weiterer Punkt des Plans ist, dass Russisch als Staatssprache anerkannt und die frühere moskautreue orthodoxe Kirche wieder zugelassen wird. Die Kiewer Führung versucht, diese Kirche als Sicherheitsrisiko zu verbieten.
Washington drängt die ukrainische Regierung den Berichten zufolge, die Kernpunkte des von den USA ausgearbeiteten Entwurfs zu akzeptieren. Der Entwurf soll weitgehend den bisher bekannten russischen Forderungen entsprechen, schreibt die „Financial Times“ und sich sogar mit einem russischen Friedensvorschlag von 2022 decken. Ein ukrainischer Offizieller erklärte gegenüber der „New York Times“, dass der Plan für Kiew „nicht akzeptabel“ sei.
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Ein weiterer ukrainischer Beamter sagte: „Dieser Plan würde eine komplette Kapitulation der Ukraine bedeuten und Selenskyj ist nicht gewillt, dem zuzustimmen.“ Vor allem die Abtretung von Gebieten, die Russland noch nicht erobert hat, und die Verkleinerung der Armee gelten in Kiew als inakzeptabel.
„Der Plan zielt darauf ab, beiden Seiten Sicherheitsgarantien zu geben, um einen dauerhaften Frieden zu sichern. Er enthält das, was die Ukraine will und braucht, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen“, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses gegenüber NBC News. US-Präsident Trump hat dem Plan laut einem Medienbericht sein Okay gegeben.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nahm zunächst nicht zu Berichten über einen Friedensplan der USA Stellung. Stattdessen pochte er bei einem Staatsbesuch in der Türkei auf eine starke Führungsrolle der USA zur Beendigung des Krieges.

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Eine effektive amerikanische Führung sei entscheidend, um das Blutvergießen zu beenden, schrieb er nach Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdoğan in Ankara auf Telegram. Nur die USA und US-Präsident Donald Trump hätten „ausreichende Stärke, damit der Krieg endlich zu einem Ende kommt“.
Offiziell hielten sich die Spitzen der US-Regierung in Sachen Ukraine zuletzt zurück. Vergangene Woche erklärte Vizepräsident JD Vance, dass Russland Forderungen aufgestellt habe, denen die Ukraine nicht zustimmen könne, und das sei der Stand. Präsident Donald Trump erklärte erst am Mittwoch, dass er „ein klein wenig unzufrieden“ mit dem russischen Staatschef Putin sei.
Armee auf dem Rückzug und ein Korruptionsskandal – Ukraine doppelt in Schwierigkeiten
Die Wiederannäherung zwischen Washington und Moskau trifft die Ukraine in einem doppelt ungünstigen Moment. An der Front im Osten ist der Fall der lange umkämpften Stadt Pokrowsk nur noch eine Frage der Zeit. Auch weiter südlich hat die ukrainische Armee Stellungen räumen müssen.
Innenpolitisch steht Selenskyj unter Druck wegen eines Korruptionsskandals, der bis in sein Umfeld reicht. Zwei Minister mussten bislang zurücktreten. Nach Selenskys Rückkehr von einer Auslandsreise werden für heute weitere Gespräche in Parlament und Regierung über personelle Konsequenzen erwartet. In Kiew wird auch über eine Entlassung von Andrij Jermak diskutiert, der als Leiter des Präsidentenbüros als mächtig gilt.
Offiziell sieht der Kreml mit Blick auf Berichte über den US-Friedensplan für die Ukraine keine neuen Entwicklungen. Die Kontakte mit den USA liefen zwar weiter, sagt Sprecher Dmitri Peskow. Seit dem Gipfeltreffen von Präsident Wladimir Putin mit dem US-Präsidenten im August gebe es jedoch nichts Neues zu verkünden.
Unterhändler Witkoff und Dmitriev erarbeiteten den Plan – Trumps Sondergesandter schmeißt hin
Laut „Axios“ ist Trumps Gesandter Steve Witkoff verantwortlich für die Ausarbeitung des Plans. Er soll ihn bereits ausführlich mit dem russischen Gesandten Kirill Dmitriev besprochen haben, wie ein US-Beamter dem US-Portal mitteilte. Beteiligt an der Ausarbeitung waren zudem US-Vize Vance, Außenminister Marco Rubio und Trumps Schwiegersohn Jared Kushner.

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Dmitriev selbst leite Russlands Staatsfonds und sei intensiv in die Diplomatie rund um den Ukrainekrieg involviert, habe er am Montag in einem Interview mit „Axios“ gesagt. Er habe Ende Oktober drei Tage lang mit Witkoff und anderen Mitgliedern aus Trumps Team in Miami zusammengesessen.
Dmitriev sagte „Axios“, der Plan setze hauptsächlich die Vorschläge um, auf die sich Trump und Putin im August in Alaska geeinigt hätten. Es gehe darum, den Ukraine-Konflikt zu lösen, aber auch darum, die Beziehungen zwischen den USA und Russland wiederherzustellen, Russlands Sicherheitsbedenken zu berücksichtigen und dauerhafte Sicherheit in Europa zu erreichen.
Ziel sei es nun, ein Dokument für einen Gipfel zwischen Trump und Putin auszuarbeiten. Konkrete Pläne für ein solches Treffen – etwa in Budapest – liegen demnach aber weiter auf Eis.
Dmitriev äußerte sich zuversichtlich zu den Erfolgsaussichten des Plans, „da wir das Gefühl haben, dass die russische Position wirklich Gehör findet“, wird er zitiert. Inwieweit das auch auf ukrainische Positionen zutrifft, ist unklar. Ein ukrainischer Beamter sagte dem US-Portal nur: „Wir wissen, dass die Amerikaner an etwas arbeiten.“
Pentagon-Delegation soll sich offenbar mit Selenskyj treffen
Witkoff sollte am Mittwoch in der Türkei zu einem Gespräch mit Selenskyj zusammenkommen. Er habe jedoch seine Reise verschoben, wie ukrainische und US-amerikanische Beamte „Axios“ mitteilten. Besprochen haben soll Witkoff den Plan allerdings mit Selenskyjs nationalem Sicherheitsberater Rustem Umerov bei einem Treffen in Miami vor wenigen Tagen.

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Aus Washington kam am Mittwoch noch eine weitere schlechte Nachricht für Kiew: Laut Medienberichten schmeißt der Ukraine-Sondergesandte von US-Präsident Donald Trump, Keith Kellogg, hin. Sein Abgang wäre ein schmerzhafter Verlust für Kiew, da der pensionierte Generalleutnant als wichtiger Fürsprecher der Ukraine in der Trump-Regierung gilt. Europäische Diplomaten schätzten ihn als offenes Ohr in einer Regierung, die zeitweise Moskaus Sicht auf die Ursprünge des Ukraine-Krieges zuneigte.
Kellogg geriet wohl in Konflikt mit Witkoff, dessen Positionen er als zu russlandfreundlich empfand. Kellogg fühlte sich nach eigener Aussage aus dem Friedensprozess ausgeschlossen.
In einer weiteren bemerkenswerten Aktion hat die Trump-Regierung zudem eine Pentagon-Delegation unter der Leitung von US-Heeresminister Den Driscoll nach Kiew entsandt, um Gespräche über ein mögliches Ende des Krieges wieder aufzunehmen. Zur Delegation gehören demnach außerdem General Randy George, Stabschef der US-Armee, sowie General Chris Donahue, Befehlshaber der US-Armee in Europa.
Nach Informationen der Zeitung plant die Delegation Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten, Regierungsvertretern, dem Militär und der ukrainischen Rüstungsindustrie. Im Anschluss an die Gespräche in Kiew will Driscoll auch Gespräche mit russischen Regierungsvertretern führen, da in Washington davon ausgegangen wird, dass der Kreml bei einer Einbindung der Militärführung eher zu einem Dialog bereit sein könnte.
In den europäischen Hauptstädten war von dem Plan wenig bekannt. Aus EU-Kreisen in Brüssel hieß es, dass es Gespräche der USA mit beiden Kriegsparteien gebe, den neuen Plan habe man aber noch nicht gesehen. Aktuell scheine eher Russland ein Interesse an der Verbreitung solcher Nachrichten zu haben. Es sei eine Art Ablenkungsmanöver, denn der Druck durch die US-Sanktionen gegen die russische Ölindustrie sei gewachsen.
Das Nachrichtenportal „Politico“ zitierte einen nicht genannten Vertreter der Trump-Administration mit der Einschätzung, dass Selenskyj unter dem Druck innen und an der Front einlenken müsse. Die gemachten Vorschläge seien vernünftig. Auf die europäischen Verbündeten sei dabei kaum Rücksicht genommen worden.
Deutschland wurde über den Plan offenbar „nicht gebrieft“
Auch Deutschland ist laut Bundesaußenminister Johann Wadephul „nicht gebrieft“ worden, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Er verwies auf die „laufenden Anstrengungen aller internationalen Partner, endlich dafür zu sorgen, dass Präsident Putin an den Verhandlungstisch kommt“, sagte er. So verstehe er auch die derzeit stattfindenden „gemeinsamen Treffen“ in Istanbul „und alles, was in diese Richtung führt“, fügte Wadephul hinzu und bekräftigte: „Das unterstützen wir selbstverständlich.“
Allerdings konzentriere sich Deutschland darauf, „die Ukraine zu unterstützen“. Damit wolle die Bundesregierung Putin „auch ganz direkt“ klarmachen, „dass es keine Alternative zu einem Verhandlungsprozess gibt“. Deutschland werde „militärisch, politisch und wirtschaftlich dauerhaft an der Seite der Ukraine stehen“, betonte der Minister.
Ein Sprecher des britischen Außenministeriums erklärte, London teile das Ziel des US-Präsidenten, den Krieg zu beenden. Russland könne dies bereits morgen tun, indem es seine Truppen abziehe. (Mit Agenturen)
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