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Hohe Verluste für Putins Armee: Durchschnittsalter der gefallenen Russen soll sich seit Kriegsbeginn verdoppelt haben
Zu Kriegsbeginn waren die getöteten Soldaten in Moskaus Truppen Medienberichten zufolge deutlich jünger als 2024. Präsident Selenskyj bestätigt derweil Probleme der ukrainischen Armee.
Stand:
Seit fast 1000 Tagen tobt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wie viele Opfer es in den Streitkräften auf beiden Seiten gibt, darüber liegen weder vom Kreml noch aus Kiew offizielle Zahlen vor. Die Verluste von Russlands Armee im Ukraine-Krieg sind Medienberichten zufolge zuletzt deutlich gestiegen. Zudem waren die Gefallenen deutlich älter als die Opfer zu Beginn des Krieges.
Dies berichten der russische Dienst der BBC und das russische Portal „Mediazona“ unter Berufung auf eigene Recherchen. Demnach waren die getöteten russischen Soldaten 2024 durchschnittlich 38 Jahre alt. In den ersten Monaten des Krieges habe das Durchschnittsalter der Opfer noch bei 21 Jahren gelegen.
Auch die Zahl der Verluste hat sich demnach zuletzt signifikant erhöht. Im Oktober starben den Berichten zufolge 152 eindeutig identifizierbare russische Soldaten pro Tag, im September 140. Dagegen lagen die täglichen Verluste im vergangenen Jahr noch bei 90. Insgesamt habe man die Namen von 78.329 in der Ukraine gefallenen Russen recherchieren können, so die Medien.
Doch die anderen Brigaden, die nachrücken sollen, sind aber nicht voll ausgerüstet – sollte man sie jetzt so zum Abschlachten an die Front werfen, wie es die Russen tun?
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, am Wochenende
Bei den meisten Getöteten handele es sich inzwischen um Russen, die sich freiwillig für den Krieg meldeten, heißt es weiter, darunter der BBC zufolge oft Häftlinge. Zu Beginn des Großangriffs im Februar 2022 seien es in den meisten Fällen noch Soldaten aus Elite-Einheiten gewesen.
Der Anstieg der Opferzahlen könnte auf die Offensivoperationen der russischen Streitkräfte in der ukrainischen Region Donezk zurückzuführen sein, wie der Angriff auf Ugledar, das Anfang Oktober eingenommen wurde, und der Angriff auf Pokrowsk, in dessen Außenbezirken die Kämpfe weitergehen, heißt es in den Berichten weiter. Auch eine verspätete Meldung der Verluste in Kursk und die Folgen der Sommeroffensive könnten demnach Grund für den Anstieg sein.
Die berichteten Zahlen über mutmaßliche Opfer in dem Krieg variieren. Anfang des Monats berichtete die „New York Times“ (NYT) unter Berufung auf US-Militär- und Geheimdienstquellen, dass die Ukraine im bisherigen Verlauf des Kriegs bereits 57.000 Gefallene zu beklagen habe. Dies entspreche knapp der Hälfte der Verluste der russischen Seite, sei jedoch für die kleinere Ukraine von großer Bedeutung.
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Nach Recherchen der US-Zeitung „Wall Street Journal“ aus dem September verzeichnen die ukrainischen Truppen bisher etwa 80.000 tote und 400.000 verwundete Soldaten. Russland wiederum habe nach Schätzung westlicher Geheimdienste 600.000 Soldaten – 200.000 Tote und 400.000 Verletzte – verloren.
Vermutet wird, dass bei der russischen Armee viele Gefallene als Vermisste geführt werden. Dies könnte mit den Entschädigungszahlungen zusammenhängen, die Angehörigen im Todesfall zustehen. Für verwundete Soldaten hat Putin die staatlichen Leistungen gerade massiv gekürzt.
Das in der US-Hauptstadt Washington ansässige Institut für Kriegsstudien hat die aktuelle Frontlage in der Ukraine analysiert und beiden Kriegsparteien schlechte Positionen bescheinigt. Der für die Region zuständige Instituts-Vertreter George Barros bescheinigte den russischen Truppen erfolgreiche Vorstöße im Osten der Ukraine, mit denen Gegenangriffe der Ukrainer verhindert würden.
„Man verliert Kriege, wenn man ständig in der Defensive ist“, sagte er dem US-Sender CNN einem Bericht der Agentur dpa zufolge am Wochenende.

© AFP/Genya Savilov
Allerdings bestätigte Barros auch den russischen Militärs Ineffizienz. Seit Jahresbeginn sei die russische Armee in der Ostukraine lediglich knapp 40 Kilometer vorgerückt, und das zu hohen Kosten an Soldaten und Material. Moskau habe nach Berechnungen seines Instituts bei Pokrowsk ungefähr den Gegenwert von fünf gepanzerten Divisionen verloren, also Hunderte von Panzern und Schützenpanzern.
„Fünf Divisionen von Panzern und Schützenpanzern in einem Jahr zu verlieren und dabei nur 40 Kilometer vorzurücken, da muss man schon die großen Schlachten des 21. Jahrhunderts zum Vergleich heranziehen, eventuell auch die großen Schlachten des Zweiten Weltkriegs“, sagte Barros. „Das ist schlicht eine wirklich schlechte Leistung.“
Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, bestätigte dem Bericht zufolge in einem Radio-Interview indirekt auch, dass der Armee des Landes Personal fehle, während er die Rückzugstaktik der Truppen im Osten zu erklären versuchte. „An der Front stehen Jungs, die müssen abgelöst werden, um sich zu erholen“, sagte er.
„Doch die anderen Brigaden, die nachrücken sollen, sind aber nicht voll ausgerüstet – sollte man sie jetzt so zum Abschlachten an die Front werfen, wie es die Russen tun?“ Dies sei unmöglich.
Doch die Soldaten in den vordersten Frontlinien seien schwer unter Druck, bräuchten nach dem Bomben- und Granathagel dringend Erholung. „Sie fragen dann, ob sie sich zurückziehen dürfen, die Militärführung erlaubt das“, erklärte Selenskyj die Rückzüge. „Denn unsere Position ist klar – an erster Stelle steht der Mensch, erst danach das Land.“
Auch US-Militärexperten sehen daher das aktuell größte Problem der Ukraine nicht bei Waffen und Munition. Vielmehr sei das größte Manko der Ukraine die Truppenstärke, hieß es bereits in dem NYT-Bericht von Anfang November.
Kiew habe zu lange gezögert, das Einberufungsalter von 25 Jahren zu senken, daher könnten dem Land die Truppen ausgehen. Daher schätze das Pentagon, so die NYT weiter, dass die Ukraine noch für sechs bis zwölf Monate genügend Soldaten zur Verfügung habe.
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