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Demonstrierende Frauen versammeln sich um ein Feuer am Zocalo in Mexiko City, Mexiko.

© Getty Images/Sanne Derks

Internationaler Frauentag 2023: Wie Frauen im Globalen Süden für ihre Rechte kämpfen – und ums Überleben

In Europa werden Frauen aus dem Globalen Süden oft als unterdrückte Opfer gesehen. Dort rücken Feministinnen das Bild zurecht: Im Kampf für sozialen Wandel sind sie ausschlaggebend.

Sie schneiden sich die Haare ab und halten ihre Strähnen schreiend in die Höhe. Sie bekämpfen Waldbrände im Amazonas. Sie besetzen öffentliche Plätze, um die Freiheit ihrer inhaftierten Kinder zu fordern. Ob im Iran, Brasilien oder Argentinien: Der Widerstand im Globalen Süden hat viele Gesichter. Die meisten von ihnen sind weiblich.

„Im Westen werden afrikanische Frauen oft als hilflose Wesen gesehen, die unter Gewalt leiden und nicht alleine helfen können“, sagt Asanda Benya, Soziologin an der University of Cape Town. „Diese Darstellung ist falsch, sie macht die Kämpfe von Frauen im Globalen Süden unsichtbar.“

Die Kämpfe sind vielfältig, und es geht um mehr als Frauenrechte. Die meisten der Umweltaktivist:innen, mit denen Amália Garcez arbeitet, sind zum Beispiel weiblich. Die 19-jährige Physikstudentin aus Porto Alegre ist eines der Gesichter der brasilianischen Fridays for Future-Bewegung. Für ihr Land reiste sie zu den letzten Weltklimakonferenzen.

In Kolumbien kämpfen Frauen über Jahre für das Recht auf Abtreibung. 2022 wurde sie legalisiert.
In Kolumbien kämpfen Frauen über Jahre für das Recht auf Abtreibung. 2022 wurde sie legalisiert.

© AFP/RAUL ARBOLEDA

Und als der Amazonas 2019 brannte, organisierte sie Hilfe für Betroffene vor Ort. „Uns brasilianischen Aktivistinnen ist völlig klar, dass wir nicht über Feminismus sprechen können, ohne über Rassismus und die Klimakrise zu sprechen“, sagt Garcez. „Es hängt alles zusammen.“ Indigene Frauen im Amazonas gehörten zum Beispiel zu den vulnerabelsten Gruppen in Brasilien.

Auch anderswo auf der Welt kämpfen Frauen für mehr als nur ihre eigenen Rechte. Als die Bevölkerung im Sudan 2019 eine Revolution startete und Langzeitherrscher Omar al Bashir stürzte, sangen in den Straßen vor allem die Frauen von Freiheit und Gerechtigkeit.

„Im Arabischen Frühling war das genauso, im Iran ist das gerade genauso“, sagt Farah Daibes, die im Mittleren Osten und Nordafrika für die Friedrich-Ebert-Stiftung das Projekt Politischer Feminismus begleitet. „Der Kampf gegen autoritäre Regime in der Region ist und war schon immer weiblich.“

In Chile, Argentinien und Brasilien waren es ebenfalls Frauen, die gegen Diktatoren kämpften. Ein bekanntes Beispiel sind die argentinischen Mütter vom Platz der Mairevolution, die „Madres de la Plaza de Mayo“. Ihre Kinder verschwanden während der Militärdiktatur von Jorge Rafael Videla zwischen 1976 bis 1983.

Sie besetzten daraufhin – wider das Versammlungsverbot – öffentlichen Raum. Damals forderten sie Informationen zum Verbleib ihrer Kinder und die Freilassung von Inhaftierten, heute sind sie eine der wichtigsten Menschenrechtsorganisation Argentiniens.

„Nie mehr ohne uns (Frauen)“

Als in Chile 2019 soziale Proteste ausbrachen, die das Land monatelang in Atem hielten und beinahe zu einer neuen Verfassung führten, hallten eine Vielzahl feministischer Protestrufe wie „Die Revolution wird feministisch sein oder sie wird nicht sein“ oder „Nie mehr ohne uns (Frauen)“ durch die Straßen.

Karina Bidaseca, argentinische Feministin und Professorin an der Universidad de Buenos Aires ist überzeugt: „Es waren die chilenischen Studentinnen, die Chile 2019 aufgeweckt haben.“ Den Protesten waren im Jahr zuvor Aufruhre vorausgegangen, bei denen Studentinnen ihre Unis besetzt und gegen Sexismus gekämpft hatten.

Trotz allen sozialen Protesten, das größte Thema für feministische Bewegungen in den meisten Regionen ist nach wie vor die Gewalt an Frauen. Eines der eindrücklichsten Beispiele dafür ist der mexikanische Grenzort Ciudad Juárez. Nirgendwo sonst werden so viele Frauen getötet wie hier.

Wir haben eine Stimme, wir hatten schon immer eine. Sie muss nur gehört werden.

 Farah Daibes, Programmleiterin Politischer Feminismus der Friedrich-Ebert-Stiftung

Die Antwort der Frauen? Protest. „In Ciudad Juárez wurde die bekannte Protestbewegung ‚Ni Una Menos‘ geboren, die von dort aus nach ganz Lateinamerika expandiert ist“, sagt Karina Bidaseca. „Die Gewalt gegen Frauen in der Region ist schrecklich. Aber es führt nicht dazu, dass sie aufgeben. Sie wehren sich.“

Die südafrikanische Feministin Asanda Benya hat dafür ein Beispiel aus ihrem direkten Umfeld: „Meine Großmutter ist in ihrem Ort bis heute als die angriffslustige Frau bekannt, die gegen Männer kämpft. Sie hat viele vor Gericht gebracht, weil sie versucht haben, ihr Land zu stehlen“, sagt Benya.

„Für sie ist das allerdings kein Feminismus, sondern ihr gutes Recht.“ Das gilt für viele Frauen im Globalen Süden, glaubt die Wissenschaftlerin. Sie kämpfen nicht als dezidierte Feministinnen, sie handeln aus einer absoluten Notwendigkeit heraus. „Die Frauen wissen: Sie haben Rechte, und sie machen sich für diese Rechte stark.“

In Europa, sagt Farah Daibes, herrsche dagegen oft die Ansicht, man müsse Frauen im Global Süden helfen und ihnen eine Stimme geben. „Dabei wird übersehen: Wir haben eine Stimme, wir hatten schon immer eine. Sie muss nur gehört werden.“ Frauen im Globalen Süden werden für ihren Einsatz verhaftet, umgebracht, erfahren Gewalt. Und sie bringen Veränderung.

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