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Rom: Kardinäle bei einer Messe im Petersdom im Vorfeld des Konklave, das den Nachfolger von Papst Franziskus wählen soll

© Corbis via Getty Images

Update

Intrigen, Bestechung, Seilschaften: Läuft das Konklave so ab wie im Film „Konklave“?

Spätestens 20 Tage nach dem Tod eines Papstes müssen die Kardinäle einen Nachfolger wählen, streng abgeschirmt von der Außenwelt. Wie das abläuft, erklärt der Vatikan-Experte Nino Galetti.

Stand:


Herr Galetti, im November 2024 sorgte der Thriller „Konklave“ in den Kinos für Aufsehen: Ralph Fiennes organisiert darin als Kardinal Thomas Lawrence die Wahl des neuen Papstes. Wie nah ist dieser Film an der Wirklichkeit?
Der Film ist nah am Buch von Robert Harris und das Buch ist sehr gut recherchiert. Das habe ich bei Gesprächen hier in Rom immer wieder gehört. Das gilt für das Große, im Kleinen gibt es durchaus Ungenauigkeiten.

Zum Beispiel?
Rechtsexperten aus dem Vatikan berichten, dass es im Film mit Blick auf das Kirchenrecht und die Geschäftsordnung eines Konklaves Fehler gibt. Und wer hier in Rom regelmäßig unterwegs ist, dem wird auffallen, dass die Kardinalsroben im Film vergleichsweise dunkel ausgefallen sind. Die Filmemacher meinten wohl, dass dieses grelle Kardinalsrot den Augen wehtut, wenn man zwei Stunden draufguckt. Daher wählte der Regisseur ein dunkleres Rot für die Gewänder aus.

Bedeutet Konklave denn wirklich Krieg, wie es im Film dargestellt wird?
Der Film ist gut gemachte Unterhaltung mit einem spannenden Plot, der zu Hollywood passt. Dafür wurde einiges überspitzt. Ich würde sagen, ein Krieg ist das Konklave nicht, weil es in erster Linie eine sehr geistliche Angelegenheit ist.

Einen Skandal gab es aber schon: Der Italiener Giovanni Angelo Becciu wurde als erster Kardinal in der Geschichte der katholischen Kirche vom Strafgerichtshof im Vatikanstaat verurteilt. Beim Kauf einer Luxus-Immobilie in London hat er einen dreistelligen Millionenbetrag verzockt. Dann kündigte er an, trotz allem am Konklave teilnehmen zu wollen – im Vatikan fand man das wohl gar nicht witzig. Haben die anderen Kardinäle ihn zum Rückzug gezwungen?
Nun, einmal Kardinal, immer Kardinal. Angelo Becciu machte geltend, dass er zwar 2020 von seinen Aufgaben suspendiert wurde, die Rechte eines Kardinals jedoch nicht verloren habe, zumal er in Berufung gegangen und das Urteil damit noch nicht rechtsgültig ist. Nach einem Gespräch mit zwei erfahrenen Kardinälen erklärte Becciu schließlich, dass er auf die Teilnahme am Konklave verzichten werde. Im Vatikan hatten viele kein Verständnis für seine Haltung – und genau das haben ihm die beiden Kardinäle klargemacht. 

Fiel bei Papst Fransziskus in Ungnade: Giovanni Angelo Becciu will dennoch am Konklave teilnehmen.

© AFP/TIZIANA FABI

Wie läuft das Konklave ab?
Es ist nicht wie ein Parlament auf Debatte oder auf Austausch angelegt. Da wird nicht diskutiert, sondern lediglich gebetet und abgestimmt. Diskutiert wird in der Mittagspause oder abends nochmal bei einem Glas Wein. Vieles wird bereits bei den Generalkongregationen in den Tagen vor dem Konklave entschieden.

Eine Art „Vor-Konklave“?
Genau. Bei den Versammlungen der Kardinäle wird debattiert, wohin sich die Kirche in Zukunft entwickeln soll und welche Persönlichkeit sie dorthin leiten kann. Hieran nehmen auch die Ü-80-Jährigen teil, weshalb ihr Einfluss nicht unterschätzt werden sollte.

Als Kardinal Thomas Lawrence wird Schauspieler Ralph Fiennes mit der Organisation des Konklaves beauftragt – und findet sich in einem Netz von Intrigen wieder.

© imago/Landmark Media

Denn es gibt eine Altersgrenze, wer Papst werden kann.
An der Wahl teilnehmen dürfen nur Kardinale, die ihr 80. Lebensjahr zum Zeitpunkt des Todes des Papstes noch nicht vollendet haben. Stichtag diesmal ist also der 20. April, Ostermontag. Das hat man so festgelegt, weil Kardinäle, wie alle Menschen, immer älter werden.

Der Papst muss aber die Weltkirche regieren, präsent und sichtbar sein. In der heutigen Zeit geht es nicht mehr, dass er eine längere Zeit ausfällt, aufgrund von Krankheit oder seines Alters. Insofern ist 80 vermutlich eine sinnvolle Altersgrenze. Von den insgesamt 252 Kardinälen sind somit 135 wahlberechtigt.

Die Kardinäle wurden lange Zeit eingemauert und hatten Schlafkojen in der Sixtinischen Kapelle. Davon hat man nach der Wahl von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1978 Abstand genommen.

Werden demente Kardinäle ausgeschlossen, auch wenn sie noch keine 80 Jahre alt sind? Oder hofft man einfach darauf, dass der Heilige Geist sie richtig führt?
Der Vatikanstaat ist ja eine Wahlmonarchie, in der der Papst das Sagen hat. Nun ist der Papst nicht mehr da und die Entscheidungen treffen die Kardinäle im Kollektiv. Jeder Kardinal unter 80 Jahre hat das Recht, am Konklave teilzunehmen, und jedem ist selbst überlassen, darüber zu entscheiden, ob er das schafft. Das ist auch der Grund, warum etwa der Kardinal und Erzbischof von Valencia in Spanien seine Teilnahme abgesagt hat, er ist 79 Jahre alt und erkrankt.

Wer organisiert das Konklave?
Dafür ist immer eine Gruppe von Kardinälen und Mitarbeitern zuständig. Wer die organisatorische Leitung übernimmt, das legt jeder Papst vor seinem Ableben fest. Diesmal ist es Kardinaldekan Giovanni Battista Re, ein Vertrauter von Franziskus, obwohl er mit seinen 91 Jahren selbst nicht wählbar ist.

Der 91-jährige Giovanni Battista Re, Dekan des Kardinalskollegiums, organisiert die Wahl des neuen Papstes.

© dpa/Markus Schreiber

Kann der Papst durch die Wahl des Organisators eine Richtung bestimmen, wer als sein Nachfolger gewählt wird – ähnlich, wie es der Film suggeriert?
Der Kardinaldekan bewältigt vor allem das Organisatorische. Dass er inhaltlich Einfluss nimmt, etwa durch die Sitzordnung im Konklave, das habe ich so noch nicht gehört.

Welche Fraktionen gibt es unter den Kardinälen?
Da ist das progressive Lager, dem Franziskus angehörte, und das konservative, dem beispielsweise der deutsche Kardinal Gerhard Müller zugerechnet wird. Aber es gibt noch viel mehr Facetten, die ganz unterschiedliche Bereiche umfassen: von der Seelsorge über theologische Grundsatzfragen und die aktuellen Herausforderungen der Weltpolitik bis hin zu Verwaltungs- und Strukturfragen. Die katholische Kirche ist ein so großer Organismus, der mit seinen 1,4 Milliarden Mitgliedern weltumspannend ist.

Nicht alle Kardinäle sprechen Italienisch: Wie verständigen sie sich?
Früher war Latein die Verkehrssprache im Vatikan, jetzt ist es Italienisch. Dadurch, dass aber immer mehr Kardinäle wenig Erfahrung in Rom und mit der Sprache hier haben, weicht man schon mal auf Spanisch oder Englisch aus. Es kann also durchaus sein, dass es nicht die eine, gemeinsame Sprache beim Konklave gibt.

Für das Konklave werden Tische und Stühle in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan aufgebaut.

© dpa/PIER PAOLO CITO

Wo werden die Kardinäle während des Konklaves untergebracht?
Im Gästehaus Santa Marta im Vatikanstaat, das im Schatten von St. Peter liegt. Hier hat auch Papst Franziskus zwölf Jahre lang gelebt. Er weigerte sich, in den Apostolischen Palast zu ziehen, weil er stets unter Menschen sein wollte und den Trubel in diesem Gästehaus genossen hat.

Was ist das für ein Gästehaus?
Stellen Sie sich ein gut geführtes Drei-Sterne-Hotel vor. Dort gibt es einfache Zimmer mit solidem Standard und einen Speisesaal, in dem Nonnen gute italienische Kost servieren.

Unterkunft beim Komklave: das Gästehaus Santa Marta

© REUTERS/Guglielmo Mangiapane

Darf das Personal mit den Kardinälen beim Konklave sprechen?
Vermutlich dürfen sie fragen, ob sie noch ein Glas Wasser oder Wein trinken möchten, aber nicht: Wie läuft’s denn so? Das Konklave ist eine Klausurveranstaltung, streng abgeschirmt. Das stammt noch aus früheren Jahrhunderten, wo die Maßgabe war, dass die Politik keinen Einfluss auf die Wahl des Papstes nehmen darf. Die Kardinäle wurden deshalb lange Zeit eingemauert und hatten Schlafkojen in der Sixtinischen Kapelle.

Bis wann war das so?
Davon hat man nach der Wahl von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1978 Abstand genommen. Er verfügte, dass die Konklave-Teilnehmer vernünftig in einem Gästehaus untergebracht werden müssen.

Nonnen warten auf Einlass in den Petersdom.

© AFP/ISABELLA BONOTTO

Es handelt sich um ältere Herren, die sich einschließen lassen: Was, wenn es einen medizinischen Notfall gibt?
Dann wird natürlich Hilfe gerufen.

Wie werden die Kardinäle – in Zeiten von WLAN und Handys – isoliert?
Handy und WLAN sind ein relativ neues Phänomen und hier hat sich seit den letzten Konklaven 2005 und 2013 viel verändert. Die Kardinäle dürfen während des Konklaves keine elektronischen Geräte nutzen und sind von der Außenwelt abgeschirmt.

Zahlreiche Polizei- und Spezialeinheiten sind in diesen Tagen in Rom unterwegs.

© AFP/ANDREJ ISAKOVIC

Der Papst starb an Ostern: Herrscht Ausnahmezustand in Rom?
Aufgrund der Osterferien waren ohnehin viele Besucher in der Stadt. Nun ist es noch voller geworden. Auf den Straßen und Plätzen sieht man zahlreiche Priester und Ordensleute, auch anderer Konfessionen, wie die Orthodoxen. Die Hotelpreise sind nach dem Tod des Papstes nach oben geschossen, die Sicherheitsmaßnahmen wurden massiv erhöht.

Wie äußert sich das?
Italien unterstützt den Vatikan und ist sehr gut vorbereitet. Alle Polizei- und Sicherheitseinheiten sind im Einsatz: von Polizei und Carabinieri über die Guardia di Finanza, also der Zoll, bis zu den Alpinisten. Es gibt auch Spezialkräfte zum Abfangen von möglichen Drohnen.

Ein Polizeihubschrauber fliegt an der Kuppel des Petersdom vorbei, wo der Papst aufgebahrt ist.

© AFP/ANDREJ ISAKOVIC

Bald beginnt das Konklave – sind die Römer gespannt?
Wenn ein Papst stirbt, dann ist das eine besondere Situation – für die Stadt und für die Menschen. Für viele, gläubig oder nicht, ist der Papst Teil der eigenen Wahrnehmung, wie ein Onkel der Familie. Überall in den Cafés und Bars war es Thema, wann sich die Menschen im Petersdom von Franziskus verabschieden. Das gehört einfach dazu.

Besteht das Risiko, dass ein sehr konservativer Papst gewählt und die Rechte unter Trump, aber auch in Europa so mehr Einfluss im Vatikan bekommen könnte?
Was wir feststellen ist, dass es insbesondere aus den USA von rechtskonservativen Kreisen Versuche gibt, einen gewissen Einfluss zu nehmen. Das ist eine langfristig angelegte Meinungsbildung: Lobbyisten gehen da auf Kardinäle zu und weisen sie darauf hin, dass einer ihrer Kollegen bei bestimmten Themen, wie der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, eine liberale Position gepredigt hat. Das soll als Warnung verstanden werden: Wenn du das nicht willst, wähle einen anderen.

Stundenlang warten Menschen in Rom, um sich vom Papst zu verabschieden.

© AFP/ANDREJ ISAKOVIC

Franziskus hat viele Kardinäle selbst ernannt – auch um bei der Wahl seines Nachfolgers eine Richtung vorzugeben. Wie kann es da sein, dass trotzdem die Gefahr besteht, dass jetzt ein ultra-konservativer Papst gewählt wird?
Franziskus hat in seinem zwölfjährigen Pontifikat 107 der 135 Kardinäle ernannt, die jetzt beim Konklave teilnehmen dürfen. Dabei hat er die unterschiedlichen Strömungen der Kirche berücksichtigt, sodass es heute neben liberalen auch ultra-konservative Kardinäle gibt.

Aber er hat mit der Tradition gebrochen, dass bestimmte Erzbischöfe, etwa von Berlin, Paris oder Mailand, automatisch einen Kardinalstitel bekommen. Stattdessen gibt es jetzt einen Kardinal in Tonga im Südpazifik, in der Mongolei und in Schweden, einem sehr protestantisch geprägten Land, wo es nur sehr, sehr wenige Katholiken gibt. Aber Franziskus war es wichtig, in diese Regionen zu blicken, die aus römischer Warte als Peripherie wahrgenommen werden.

Papst Franziskus starb am Ostermontag im Alter von 88 Jahren an einem Schlaganfall.

© AFP/Alessandro Di Meo

Wie lange, denken Sie, wird das Konklave diesmal dauern?
Ich denke, es wird schnell die erforderliche Zweidrittelmehrheit geben. Auch diesmal wird sicher beim Vor-Konklave schon eine Menge besprochen, sodass man die Öffentlichkeit maximal drei Tage warten lässt, bis Weißer Rauch aufsteigt.

Ihr Tipp: Wer wird Papst?
Da kann ich mich jetzt nur verbrennen, oder?

Verraten Sie uns wenigstens das Land, auf das Sie tippen?
Also ich sag’s mal so: Nachdem wir knapp 50 Jahre einen Polen, einen Deutschen und einen Argentinier hatten, ist die Bereitschaft durchaus gegeben, jetzt mal wieder einen Italiener zu nehmen.

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