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Kriege in der Ukraine und Iran: Rettet ausgerechnet Europa die Welt vor dem Flächenbrand?
Im Nahen und Mittleren Osten werden Deutschland und die EU weitgehend ignoriert. Bei der Abwehr der russischen Angriffskriege an der Ostflanke der Nato haben sie eine Schlüsselrolle.

Stand:
Wo ist Europas Stimme, wie weit reicht Europas Macht? Zwei Großkonflikte bewegen die Menschen in diesen acht bangen Tagen zwischen dem G7-Treffen zu Wochenbeginn und dem Nato-Gipfel in der kommenden Woche.
Eskalieren Israels Luftangriffe und Irans Gegenschläge zu einem größeren und längeren Krieg im Mittleren Osten? Greifen gar die USA mit ihren bunkerbrechenden Bomben ein?
Wohin steuert der Ukrainekrieg, nachdem die USA unter Donald Trump ihre finanzielle und militärische Unterstützung eingestellt haben? Gleichen die Europäer das durch verstärkte Hilfe aus, damit sie das Ziel erreichen, das sie seit drei Jahren immer wieder bekräftigt haben: Russland darf den Angriffskrieg nicht gewinnen, die Ukraine darf nicht verlieren?
Rettet Europa die Welt vor dem Flächenbrand, den weniger vernünftige Machthaber riskieren? Solche Erwartungen gleichen Tagträumerei.
Christoph von Marschall, Diplomatischer Korrespondent der Chefredaktion
Die Selbstbewussten und Hoffnungsvollen sagen: Jetzt schlägt Europas Stunde. Die Europäer setzen auf Diplomatie. Am Freitag haben sich mehrere ihrer Außenminister mit dem iranischen Kollegen Abbas Araghtschi in Genf getroffen. Pathetisch überhöht: Rettet Europa die Welt vor dem Flächenbrand, den weniger vernünftige Machthaber riskieren?
Solche Erwartungen gleichen Tagträumerei. Auf den Krieg zwischen Israel und Iran hat Europa wenig Einfluss. Natürlich ist es hilfreich, dass die Europäer mit dem Iraner reden und potenzielle Handlungsspielräume ausloten. Aber das Treffen endete ohne greifbare Fortschritte.
Netanjahu und Trump bestimmen das Geschehen
Aber glaubt jemand ernsthaft, dass man in Israel oder Iran Europas Aufrufe zu Zurückhaltung sonderlich ernst nimmt? Oder gar, dass das Gespräch der Außenminister über den weiteren Gang der Dinge entscheidet? Zudem sprechen die Europäer nicht mit einer Stimme. Die Einen solidarisieren sich mit Israel, die anderen wenden sich ab.
Das Heft des Handelns in diesem Krieg haben Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Trump in der Hand. Netanjahu möchte das Nuklearprogramm stoppen oder die Anlagen so stark beschädigen, dass das Atomprogramm um Jahre zurückgeworfen wird.
Trump ist in einem Zielkonflikt. Generell sieht er sich als einen Präsidenten, der Amerika in keine neuen Kriege führt. Er hatte auf Verhandlungen mit dem Iran gesetzt. Aber die Mullahs sind sperriger, als er erwartet hatte.
Nach Israels militärischen Erfolgen, darunter die Ausschaltung der iranischen Luftabwehr, bietet sich ihm die Gelegenheit, als einer der – zumindest kurzfristigen – militärischen Sieger aufzutreten. Und zugleich Druck auf die Iraner auszuüben, die Verhandlungen wieder aufzunehmen.
Über die Zukunft der Ukraine entscheidet Europa
In der Ukraine liegen die Verhältnisse anders. Dort hat Europa tatsächlich die Gelegenheit, sich zu beweisen. Allerdings nicht mit Diplomatie und gut gemeinten Ratschlägen. Es geht um „Hard Power“.
Ist Europa – und damit an erster Stelle Deutschland als größte Volkswirtschaft – bereit, finanziell und militärisch auszugleichen, was die USA nicht mehr leisten? Und der Ukraine zu geben, was sie braucht, um mit Aussicht auf Erfolg weiterzukämpfen?
Die Zahlen sind teils ermutigend, teils beschämend. Nach Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) fängt Europa den Rückzug der USA weitgehend auf. Deutschland hingegen hat seinen Beitrag im Vergleich zum Vorjahr reduziert.
Wenn Europa die Ukrainer nicht effektiver unterstützt, wird der russische Vormarsch weitergehen, wenn auch langsam und unter schweren Verlusten. Dann wird sich Kiews Verhandlungsposition weiter verschlechtern.
Und die Gefahr wächst, dass Putin seine Soldaten nach einem Einfrieren des Ukrainekriegs das nächste Land angreifen lässt. Das ist mutmaßlich Litauen – es wäre ein direkter Angriff auf die Bundeswehr dort.
Europa und voran Deutschland haben also die Wahl. Erstens, nicht so pauschal über Europas Stärke oder Schwäche zu reden, sondern zu differenzieren: In der Ukraine können sie die Schlüsselrolle übernehmen, im Israel-Iran-Krieg nicht. Und zweitens die Wahl, ob sie die Gelegenheit nutzen oder vertändeln, sich als ein Machtfaktor zu etablieren, den andere Großmächte ernst nehmen müssen.
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