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Machtdemonstration nach „völligem Versagen“: So ist für Israel wenig zu gewinnen
Der Angriff der Hamas am 7. Oktober war eine Schmach für Israel. Die Niederlage soll durch einen militärischen Rundumschlag vergessen gemacht werden. Kann das gelingen?

Stand:
Nun hat es Israels Armee auch schwarz auf weiß: Eine am Donnerstag bekannt gewordene Untersuchung bescheinigt den Streitkräften „völliges Versagen“ beim Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023.
Die für das Grenzgebiet zuständige Gaza-Division sei bei dem Angriff „überrascht“ und „überrannt“ worden, habe nicht verhindert, „dass Terroristen die Kontrolle übernahmen und in den Gemeinden und Straßen des Gebiets Massaker verübten“, heißt es in dem Bericht.
Das Fazit: Die bis dahin im Nahen Osten gefürchteten Streitkräfte waren viel zu selbstsicher, zu unaufmerksam und zu träge. Sie wurde von den Islamisten regelrecht vorgeführt.

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Das ist zwar alles mehr oder weniger bekannt. Doch in dieser Ausführlichkeit bekommt das Drama vom 7. Oktober mit seinen fast 1200 Toten und 250 Verschleppten eine besonders verstörende Dimension.
Kann es da überraschen, dass Israels Führung seit mehr als einem Jahr alles daran setzt, diese schmachvolle Niederlage vergessen zu machen, indem militärische Macht als militärische Überlegenheit demonstriert wird? Wohl kaum.
Hisbollah, Hamas, Iran – sie alle haben zu spüren bekommen, wozu Israel bereit und in der Lage ist, um seine Feinde in die Schranken zu weisen. Ja, sie zu demütigen. Rücksichtnahme oder sogar Gnade dürfen die Gegner nicht erwarten.
Dass in Gaza und im Libanon Tausende getötet wurden, ist aus Jerusalems Sicht bedauerlich, aber eben in Kriegszeiten letztendlich kaum zu vermeiden. Das wirkt wie Zynismus, dem es an Mitleid und Empathie mangelt.
Israel geht es um das im Nahen Osten seit langem gültige Prinzip der Abschreckung. Keiner soll je wieder in der Lage sein und es wagen, den jüdischen Staat wie am 7. Oktober zu attackieren.
Waffen garantieren keinen dauerhaften Schutz
So nachvollziehbar Israels Sicherheitsdoktrin auch angesichts der vielen Bedrohungen ist – das massive Vorgehen verspricht nur bedingten, bestenfalls zeitweiligen Erfolg. Allein auf Waffen gestützt, lässt sich kein dauerhafter Schutz schaffen.
Der Wunsch nach Vergeltung und Abschreckung munitioniert vielmehr jene, die dem jüdischen Staat feindlich gesonnen sind – und engt jeden Spielraum für politische Lösungen drastisch ein. Ist es zum Beispiel wirklich notwendig, in Südsyrien Soldaten zu stationieren?
Im permanenten Kriegsmodus
Hinzu kommt: Israel kennt nur noch den Kriegsmodus. Der permanente Ausnahmezustand setzt der Gesellschaft und der Wirtschaft allerdings schwer zu. „Wir gegen die!“, scheint das Motto zu lauten. Wohin soll ein solches Denken führen?
Dabei ist die große militärische Macht, über die Israel jetzt verfügt, eine echte Chance. Auf sie und die damit einhergehende Schwäche der Gegner gestützt, könnte das Land ein Fundament für Stabilität im Nahen Osten legen. Dafür sind Gespräche erforderlich, also Diplomatie.
Das mag mühsam sein, doch der Aufwand lohnte. Von Schlacht zu Schlacht ziehen, das hält auch ein starkes Israel nicht durch. Zeit, dass sich was dreht. Und Gewalt ein Ende findet.
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