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Munition für eine Panzerhaubitze während eines Trainings auf einem deutschen Armeestützpunkt.

© Reuters/Fabian Bimmer

Mysteriöse Munitionslieferungen: Besitzt die Ukraine jetzt Waffen aus dem Iran?

Auf der Suche nach neuer Munition lassen beide Kriegsparteien nichts unversucht. Nun soll die ukrainische Armee sogar Artilleriemunition aus dem Iran abfeuern.

Eine Million Schuss Artilleriemunition sollen in den nächsten zwölf Monaten an die Ukraine gehen, darauf haben sich die Außen- und Verteidigungsminister der EU jüngst geeinigt. Genauso wie auf einen gemeinsamen Bestellprozess, damit die Sache schneller geht.

Der Ukraine bleibt nicht mehr viel Zeit, sie musste den Einsatz ihrer Munition bereits rationieren und plant gleichzeitig eine Frühjahrsoffensive. Auf russischer Seite sind die Vorräte bereits seit längerem knapp. Und im Versuch, diese aufzufüllen, ist der Kreml auf Suche nach immer neuen Quellen - darunter mögliche Lieferungen aus Nordkorea, Iran und China.

Im Wettrennen um den Munitionsnachschub ist nun offenbar Munition aus dem Iran in die Hände ukrainischer Streitkräfte gelangt. Ausgerechnet.

Der Iran steht seit Beginn des russischen Angriffskrieges fest auf der Seite Russlands und lieferte Moskau bereits hunderte Drohnen, Kampfjets und Artillerie – darunter 100 Millionen Kugeln und rund 300.000 Granaten, die in Frachtern über das Kaspische Meer transportiert wurden, berichtete der britische Sender „Sky News“.

Mittlerweile sollen jedoch Artilleriegranaten, Raketen und Mörser aus dem Iran auch im Waffenarsenal der ukrainischen Streitkräfte aufgetaucht sein, schreibt rollingstone.com und beruft sich auf Beobachtungen des Open-Source-Projekts Ukraine Weapons Tracker.

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Im September 2022 fiel den dortigen Beobachtern ein Video auf, indem ukrainische Streitkräfte 122-mm-Artilleriegeschosse auspackten – kein außergewöhnicher Vorgang. Allerdings waren auf den Kisten Verpackungsmuster der iranischen Organisation für Verteidigungsindustrie zu sehen.

Monate später stellten die Beobachter fest, dass die Ukraine über mehrere Systeme verfügt, die mit iranischen 122-mm-Raketen bestückt waren.

Sie waren ebenfalls mit dem Herstellungsjahr 2022 gekennzeichnet. Es kann sich daher nicht um alte Bestände halten, die der Westen bei früheren Einsätzen im Nahen Osten einkassiert hat.

Anfang März fanden sie zudem iranische 120-mm-Mörserbomben, die von der ukrainischen 24. mechanisierten Brigade, eine Bodentruppe mit Sitz in Jaworiw nahe der polnischen Grenze, aus einem HM-16-Mörser abgefeuert wurden. Mörser und Bomben stammen ebenfalls aus dem Iran.

Geschäfte mit Drittstaaten

Wie diese in ukrainische Hände gelangen konnten, bleibt ein Rätsel und lässt Spielraum für viele Annahmen. „Angesichts der Mengen und unterschiedlichen Arten iranischer Munition und Waffen, die bei der ukrainischen Armee zu sehen waren, ist es wahrscheinlich, dass sie über Dritte für die Ukraine aus dem Iran gekauft wurden“, schreiben die Beobachter der Plattform auf Twitter.

Welche Länder dafür in Frage kommen, ist unklar. Das Geschäft mit der Munition ist ein undurchsichtiges, die Ukraine erhält sie in Form von Spenden aus aller Welt und von verschiedenen Partnern und Verbündeten. So finden sich neben den Waffen aus dem Iran auch welche aus dem Sudan und Pakistan.

Auch Russland würde über Drittstaaten, die etwa Sanktionen nicht mittragen, versuchen, an Waffen zu kommen oder sich Komponenten, Ersatzteile und Zwischenprodukte zu sichern.

Stecken die USA dahinter?

Dass die USA wiederum für die Lieferung der entdeckten iranischer Waffen in die Ukraine verantwortlich sind, halten die Beobachter der Open-Source-Plattform für unwahrscheinlich.

Hintergrund zu dieser Theorie: Die USA und Frankreich haben in den vergangenen Monaten im Rahmen einer weltweiten Aktion Munition und Gewehre beschlagnahmt, die auf dem Weg von Iran nach Jemen waren. Die Regierung in Teheran unterstützt dort den Krieg der Houthi-Rebellen gegen die von Saudi-Arabien unterstützte Regierung – und verstößt damit gegen das Waffenembargo der Vereinten Nationen.

Im Zuge dessen hat die US-Marine bisher eine Million Schuss Munition an Bord eines Fischerbootes beschlagnahmt, die Franzosen fanden wiederum 3.000 Sturmgewehre, fast 600.000 Patronen und mehr als 20 Panzerabwehrraketen an Bord eines anderen Schiffes im Golf von Oman, die iranische Fracht war ebenfalls für Jemen bestimmt.

Die in der Ukraine entdeckten Mengen würden aber nicht jener entsprechen, die an die Houthis gehen sollten. Überhaupt wären die Waffen-Typen, die von den Beobachtern ausfindig gemacht wurden, nicht an den Jemen geliefert worden, heißt es.

Weitergabe von gehorteter Munition, aber wie?

In den USA gibt es nun Stimmen, die sich für eine Weiterlieferung des Materials an die Ukraine aussprachen. Jonathan Lord und Andrea Kendall-Taylor, die sich bei der US-Denkfabrik „Center for a New American Security“ mit Sicherheits-Fragen beschäftigen, sprechen sich in der Washington Post dafür aus, die gehorteten Waffen „endlich in den Dienst einer guten Sache zu stellen“.

Diese erbeuteten iranischen Waffen werden zwar nicht alle Anforderungen der ukrainischen Armee erfüllen, aber viele würden ihr sicherlich helfen.

Jonathan Lord und Andrea Kendall-Taylor, Sicherheitsexperten am „Center for a New American Security“

Das Pentagon würde sich zwar bemühen, seine Produktion von Artilleriegranaten innerhalb von zwei Jahren um 500 Prozent zu steigern, gleichzeitig lagert es enorme Mengen an brauchbarer iranischer Munition. „Diese erbeuteten iranischen Waffen werden zwar nicht alle Anforderungen der ukrainischen Armee erfüllen, aber viele würden ihr sicherlich helfen.“

Die Abgabe der Waffen hätte aus ihrer Sicht noch weitere Vorteile: „Die Lieferung iranischer Waffen an die Ukraine zum Einsatz gegen Russland könnte einen Keil zwischen Moskau und Teheran treiben – und das zu einem Zeitpunkt, an dem sich ihre Interessen annähern.“

Beide hätten sich abgesprochen, Sanktionen zu umgehen, miteinander Handel zu betreiben und sich den Mahnungen des Westens zu widersetzen, heißt es.

Wenn Moskau nun sehe, dass die abgefangene iranische Munition an die Ukraine gehe, würde es zudem Druck auf Teheran ausüben, keine Waffen mehr an den Jemen zu liefern, glauben die Experten.

Und die Ukraine wäre in der Lage, den Spieß umzudrehen. Sie könnte die russischen Streitkräfte mit iranischen Waffen bekämpfen, nachdem diese ukrainische Städte mit Drohnen aus den Fabriken der Islamischen Republik beschossen hatten.

So simpel das klingen mag, ganz so einfach ist es nicht. Für die Weitergabe der Waffen aus dem Iran müssten die USA zuvor einige rechtliche Hindernisse überwinden. Das Waffenembargo der Vereinten Nationen verpflichtet die Vereinigten Staaten und ihre Verbündete, die beschlagnahmten Waffen zu zerstören, zu lagern oder loszuwerden. 

Genau daran soll die Administration von US-Präsident Joe Biden bereits arbeiten, berichtete das Wall Street Journal im Februar. Im Raum stehen eine mögliche Durchführungsverordnung oder die Zusammenarbeit mit dem Kongress.

Eine Möglichkeit aus Sicht der Experten vom CNAS: US-Präsident Biden könnte dort die Abgeordneten um rechtliche Befugnisse ersuchen, um den Waffentransfer zu ermöglichen. Dies hat er beispielsweise auch beim beschlagnahmten Vermögen russischer Oligarchen getan. Es kommt nun der Ukraine zum Wiederaufbau ihres Landes zugute.

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