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Auch schön. Aber gestohlen.

© REUTERS/Louvre Museum

Schmuck-Diebstahl in Paris: Im Louvre-Fall vermengen sich Realität und Cinemathek

Auch spektakuläre Verbrechen sind Verbrechen. Dennoch kann ein Coup Bewunderung auslösen – für den Plan, den Mut, die Dreistigkeit. Das Film-Genre dazu sind die Heist-Movies.

Malte Lehming
Ein Kommentar von Malte Lehming

Stand:

Was für ein Coup! Das Wort drängt sich auf, weil es um das Louvre in Paris geht, das weltberühmte Museum. Die Täter hatten sich zur Tarnung als Bauarbeiter mit gelben Warnwesten verkleidet, waren über eine Hebeleiter ein- und wieder ausgestiegen. Die Hebeleiter machten sie zur Räuberleiter. Blitzschnell gingen sie vor, nur wenige Minuten dauerte ihre Aktion.

Entwendet wurden Schmuckstücke von „unschätzbarem Wert“, wie es heißt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte die Tat als „Angriff auf ein Kulturgut, das wir schätzen, weil es ein Teil unserer Geschichte ist“. Sein Land ist hochverschuldet, im Wochenrhythmus wechseln sich die Regierungen ab. Und jetzt auch noch das! Das rührt am Nerv der Nation.

Die Raffinesse der Täter mindert nicht die Schuld

Ein Coup ist ein riskantes, geniales, schlagartig erfolgreiches Unternehmen. In dem Wort schwingt Bewunderung mit – für den Plan, den Mut, die Dreistigkeit. Ein Coup gelingt. Doch auch spektakuläre Verbrechen sind Verbrechen. „Wir werden die Werke wiederfinden und die Täter vor Gericht stellen“, verspricht Macron. Die Raffinesse der Täter mindert nicht deren Schuld.

Die Schandhaftigkeit ihrer Tat indes verhindert nicht das Aufkommen jener „diebischen Freude“, die ein Coup auslösen kann. Ein ganzes Filmgenre beruht auf diesem Effekt. Da werden Tunnel gegraben, Alarmanlagen ausgetrickst, Betonwände durchbrochen, Lichtschranken überwunden. Der diabolischen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Die Filme nennen sich Heist-Movies. Heist ist ein amerikanisches Slang-Wort für Raub. Legendär – und von vielen seiner Landsleute verehrt – wurde Ronald („Ronnie“) Biggs, einer der britischen Posträuber. Im August 1963 überfielen sie den königlichen Postzug von Glasgow nach London und erbeuteten 2,6 Millionen Pfund.

Diebe als Sympathieträger, das irritiert

Biggs wurde verhaftet und in Wandsworth interniert, das als eines der sichersten Gefängnisse der Welt galt. Trotzdem gelingt ihm nach nur 15 Monaten der Ausbruch. Er lässt sich das Gesicht operieren, flieht nach Rio de Janeiro, nimmt Lieder mit der Punkband „Sex Pistols“ und den „Toten Hosen“ auf. Ein irres, ein fantastisches Leben.

Diebe als Sympathieträger, das irritiert. Der Zuschauer fiebert mit, hofft auf den Erfolg. Er schlüpft in die Rolle der Gangster, die die Sicherheitsexperten übertölpeln, der Gejagten, die ihren Häschern entkommen. Die Geschichte über das Verbrechen wird zum Kriminalroman.

Als ein Klassiker des Heist-Movie-Genres in der Kategorie „Fiction“ gilt „Thomas Crown ist nicht zu fassen“ (1968) mit Steve McQueen und Faye Dunaway, neu verfilmt 1999 mit Pierce Brosnan und Rene Russo. Das perfekte Verbrechen, begangen aus Ehrgeiz und Langeweile. Dann „Ocean’s Eleven“ (2001) mit George Clooney, Matt Damon und Brad Pitt: Intelligenz, Zuverlässigkeit und Präzision machen’s möglich.

Räuber und Gendarm: Dagobert beherrscht die Regeln

Die Kategorie „Non-Fiction“ dürfte vor allem Berlinern bekannt sein. Ganz oben rangiert Arno Funke, der Kaufhauserpresser. „Dagobert“ gilt als hochbegabt und vielseitig talentiert. Mit seinen Finten – Zeitschaltuhr, Streusandkiste, dem selbst gebauten Miniatur-Schienenfahrzeug – narrt er unaufhörlich die Polizei. Räuber und Gendarm: Dagobert beherrscht die Regeln.

Oder der Tunnelraub von Steglitz, 2013. Der Tunnel war 45 Meter lang, 120 Tonnen Sand, die dabei anfielen, mussten weggeschafft werden. Keiner bemerkte etwas. Die Täter gelangten in den unterirdischen Tresorraum einer Volksbank, brachen 309 Schließfächer auf und verschwanden.

Spektakulär auch der Banküberfall in Zehlendorf, 1995. Eine elfköpfige Bande hatte ebenfalls ein weitverzweigtes Tunnelsystem gebaut, durch das die Männer in eine Bank eindrangen und sie mitsamt ihrer Beute wieder verließen. Berlins Polizeipräsident urteilte damals, die Täter hätten „mit einer hohen Raffinesse, einer gewissen Professionalität, vielleicht auch Genialität gearbeitet“. 

Der Film folgt der Vorlage – normalerweise. Dann heißt es, er beruhe auf einer wahren Begebenheit. Im Louvre-Fall aber vermengen sich Realität und Cinemathek. „Es hört sich alles so an, als wären wir in einem Arsène-Lupin-Film“, sagte der zuständige Bezirksbürgermeister. Damit spielte er auf eine erfolgreiche Netflix-Serie über den Meisterdieb Lupin an. Sie war im Louvre gedreht worden.

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