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„Persönlicher Draht wird entscheidend sein“: Was von Merz bei seinem Treffen mit Trump erwartet wird
Der Kanzler ist in den USA eingetroffen, im Laufe des Tages trifft er den US-Präsidenten. Findet er einen guten Draht? Die Themen sind vielfältig – die Erwartungen ambivalent.
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Bisher ist der Kanzler dem amtierenden US-Präsidenten nur einmal flüchtig in New York begegnet. Nun ist Friedrich Merz zu einem mit Spannung erwarteten Treffen mit Donald Trump nach Washington gereist. Und sein Antrittsbesuch soll nicht so verlaufen, wie die Begegnungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und des südafrikanischen Staatschefs Cyril Ramaphosa mit dem launischen 78-Jährigen – dabei war es jeweils zur offenen Konfrontation gekommen.
Merz hatte bereits klargemacht, dass er nicht als „Bittsteller“ nach Washington reise und die europäischen Positionen dort selbstbewusst vertreten will.
„Es wird sicher nicht immer alles wie geschnitten Brot laufen, dafür ist Trump einfach zu wechselhaft.
Metin Hakverdi, Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung
Die Themen auf der Agenda sind vielfältig, komplex und brisant. Es wird um den von Trump entfachten Zollstreit gehen, der die Weltwirtschaft bedroht. Die Fragen, wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine gestoppt werden kann und wie es im Nahen Osten weitergehen kann, stehen genauso im Raum wie insgesamt die Rolle der Nato in einer Zeit geopolitischer Veränderungen.
Und es geht natürlich um die deutsch-amerikanischen Beziehungen. Konfliktstoff könnten die Einmischungen aus den USA in die deutsche Innenpolitik bieten: Stichwort AfD.
Vor dem Treffen im Weißen hat der neue Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Metin Hakverdi (SPD), die Erwartungen gedämpft. „Ich hoffe, der Besuch wird ein Erfolg“, sagte Hakverdi der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. „Gleichzeitig sollten wir auch keine überzogenen Erwartungen an den Besuch des Kanzlers stellen.“
Es wäre schon „ein Gewinn für uns, für Europa und für die USA, wenn die beiden einen ganz guten persönlichen Draht miteinander entwickeln – weil Spitzenpolitik immer auch persönliche Beziehungen mit einschließt, erst recht bei diesem US-Präsidenten“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete.
„Es wird sicher nicht immer alles wie geschnitten Brot laufen, dafür ist Trump einfach zu wechselhaft“, sagte der im Auswärtigen Amt angesiedelte Transatlantik-Koordinator weiter. „Trumps Markenzeichen ist eben die Unberechenbarkeit.“
Merz fahre allerdings „zu einem sehr günstigen Zeitpunkt“ nach Washington – „auch, weil in Washington jetzt auf allen Ebenen angekommen ist, dass wir in unsere Sicherheit, in unsere Verteidigung investieren“, sagte Hakverdi. „Das verstehen jetzt auch die auf der anderen Seite des Atlantiks, die uns kritisch gesonnen sind.“ Man könne den Deutschen nicht mehr ernsthaft vorwerfen, dass sie nicht ihren Beitrag leisten, so Hakverdi.
CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter nannte den Besuch „außerordentlich wichtig“. „Entscheidend wird sein, dass Friedrich Merz einen persönlichen Draht zu Donald Trump aufbaut“, sagte der Bundestagsabgeordnete dem Nachrichtenportal „Web.de News“. „Bislang hält Trump wenig von Europa, sieht die EU als Fremdkörper und viele Staaten als Kostgänger.“ Um dem zu begegnen, habe Merz „die passenden Daten und Fakten auf Lager“, sagte Kieswetter.
Der Kanzler könne etwa auf die zunehmenden Investitionen in die Verteidigung verweisen – und auf das Ziel, in Zukunft fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung und zivile Sicherheit auszugeben. „Dieses Ziel kann ihm in Amerika die erste Tür öffnen“, sagte Kiesewetter.
SPD-Fraktionsvize Siemtje Möller forderte von Merz in Washington ein klares Bekenntnis zur militärischen, wirtschaftlichen und humanitären Unterstützung der Ukraine gefordert. „Er sollte gegenüber Präsident (Donald) Trump deutlich machen, wie wichtig die fortgesetzte Unterstützung durch die westlichen Partner für die Ukraine ist, um einen stabilen und gerechten Frieden zu erreichen“, sagte Möller der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
„Dazu sollte er klarstellen, dass Deutschland bereit ist, gemeinsam mit der EU weitere Sanktionen gegen Russland vorzubereiten, sollte der Kreml seine Aggression fortsetzen.“ Deutschland und die USA müssten in ihrer Unterstützung für die Ukraine eng abgestimmt bleiben.
Auch die Lage im Nahen Osten gehöre ganz oben auf die Agenda, sagte Möller weiter. Deutschland und die USA müssten geschlossen auf die sofortige Freilassung der Geiseln durch die Hamas drängen.
„Gleichzeitig ist es an Präsident Trump, seinen Einfluss auf Ministerpräsident (Benjamin) Netanjahu geltend zu machen – mit dem Ziel einer sofortigen Waffenruhe und spürbarer Verbesserungen der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen“, sagte sie. Und: „Bundeskanzler Merz sollte diese Erwartungen klar und unmissverständlich gegenüber Washington artikulieren.“
Der Ton ist so rau wie lange nicht.
Johann Wadephul, Außenminister (CDU)
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hofft trotz des aktuellen Handelsstreits zwischen der EU und den USA auf ein Freihandelsabkommen zwischen beiden Seiten. Es gehe um knapp 800 Millionen Menschen in demokratischen Staaten, die ein Interesse daran haben müssten, „dass wir uns mit gemeinsamen Standards durchsetzen in der Welt, auch gegenüber China“, sagte Linnemann der Deutschen Presse-Agentur. „Kooperation ist dazu der Schlüssel.“
Linnemann hofft trotz der belasteten Beziehungen zwischen Deutschland und den USA darauf, dass es im Weißen Haus zu einem „respektvollen Aufeinandertreffen“ zwischen Merz und Trump kommt. „Friedrich Merz hat eine hohe Affinität zu Amerika. Er war mehr als 170 Mal dort und zehn Jahre Vorsitzender der Atlantikbrücke“, sagte Linnemann. „Ich glaube, das sind die besten Voraussetzungen, um mit Donald Trump ins Gespräch zu kommen.“
Merz-Vertrauter Frei verspricht selbstbewussten Auftritt
Außenminister Johann Wadephul (CDU), der in der vergangenen Woche seinen Antrittsbesuch in Washington absolvierte, sieht das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA derzeit in der Krise. „Der Ton ist so rau wie lange nicht“, sagte er der AFP zufolge am Dienstagabend in Berlin. Seit dem Amtsantritt Trumps im Januar herrsche ein Stil im Umgang miteinander, „der irritierend ist und viele von uns verunsichert“.
Dabei seien Äußerungen und Handlungen zu sehen, „die gegen grundlegende Fundamente unseres Miteinanders gerichtet scheinen“, fuhr Wadephul fort. Als Beispiele nannte der Außenminister Vorwürfe von US-Spitzenpolitikern unter anderem mit Blick auf die AfD, wonach die Meinungsfreiheit und die Demokratie in der EU und in Deutschland in Gefahr seien sowie „offene Einflussnahmen für bestimmte politische Parteien“. Dies werde „mit großer Besorgnis und ohne Naivität“ in Berlin registriert.
Kanzleramtschef Thorsten Frei kündigte jedenfalls einen selbstbewussten Auftritt des Kanzlers an. „Friedrich Merz hat in den vergangenen vier Wochen mehrfach mit Donald Trump telefoniert, und die erste persönliche Begegnung wird auch von amerikanischer Seite mit ausgesuchter Höflichkeit begleitet“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Es gebe jedoch einige sehr schwierige und ernste Themen zu besprechen. Das gelte besonders für die Frage der Ukraine. Merz sei die richtige Persönlichkeit für ein Gespräch mit Trump. „Er ist sehr erfahren auch in der Wirtschaft – der Welt, aus der Donald Trump kommt“, sagte Frei. „Das gilt für die Handels- und Zollpolitik wie auch für Fragen unserer gemeinsamen Sicherheit.“ Merz habe allen Grund, in Washington selbstbewusst aufzutreten, und er werde das auch tun.
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