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Plant Russland Rekrutierungen?: Kreml will Taliban von seiner Terrorliste streichen – was es damit auf sich hat
Ein russischer Gesetzentwurf sieht vor, die Taliban künftig von der Terrorliste zu streichen. Dann habe ein Beitritt zu der Organisation „keine rechtlichen Konsequenzen“ mehr. Was heißt das genau?
Stand:
Die russische Regierung leitet erste Schritte ein, um die in Afghanistan herrschenden Taliban von seiner Terrorliste zu streichen.
Am vergangenen Dienstag wurde ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser sieht vor, dass das Tätigkeitsverbot für eine in Russland anerkannte Terrororganisation temporär ausgesetzt werden kann, wenn diese „auf die Verbreitung von Propaganda [...] oder die Verübung von terroristischen Straftaten verzichtet.“ Das berichtet das russische Nachrichtenmedium „Gazeta.Ru“ unter Berufung auf den Mitautor der Gesetzesvorlage und Abgeordneten der Staatsduma, Ernest Waljew.
Sollte der Entwurf gebilligt werden, dann könne eine Streichung der afghanischen Taliban von der Liste der terroristischen Organisationen erfolgen, bestätigte Waljew der Onlinezeitung. Für den Fall, dass die Vereinigung ihre terroristischen Aktivitäten zwischenzeitlich wieder aufnimmt, könne der Verbotsstatus allerdings jederzeit wiederhergestellt werden, so der Abgeordnete.
Sobald die Organisation in Russland nicht mehr als unerwünscht gilt, hat der Beitritt zu ihr keine rechtlichen Konsequenzen mehr.
Ernest Waljew, Abgeordneter der Staatsduma
Bereits im vergangenen Mai sprach sich der russische Außenminister Sergej Lawrow dafür aus, die Taliban nicht mehr als terroristische Organisation einzustufen. Stattdessen solle man dem Beispiel Kasachstans folgen und die Gruppe endlich von der Terrorliste streichen, forderte der Diplomat nach Angaben der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Es gehe dabei auch darum, die Realitäten vor Ort anzuerkennen. „Sie sind diejenigen, die die Macht haben.“

© imago/ITAR-TASS/Sergei Savostyanov
Staatsduma: Beitritt habe dann „keine rechtlichen Konsequenzen“
Sobald der Kreml die Taliban von seiner Terrorliste gestrichen hat, können russische Staatsbürger sich der radikalislamischen Gruppierung anschließen. Waljew bestätigte der russischen Zeitung: „Sobald die Organisation in Russland nicht mehr als unerwünscht eingestuft wird, hat der Beitritt zu ihr keine rechtlichen Konsequenzen.“
Ob im gleichen Zuge Mitglieder der Taliban für den russischen Staat in den Dienst treten könnten, wird seitens Waljew nicht thematisiert. Der ehemalige Berater des ukrainischen Innenministeriums, Anton Gerashchenko, gibt allerdings zu bedenken, dass der Gesetzentwurf des Kremls darauf abzielen könnte. „Werden sie dann auch Leute aus Afghanistan für die russische Armee rekrutieren?“, fragte der Ukrainer am Mittwoch via X.
Russland als Friedensstifter in Afghanistan
Am vergangenen Montag reiste der Sekretär des russischen Sicherheitsrates und ehemalige russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu mit einer Delegation des Kremls nach Kabul. Auf der Agenda standen Gespräche mit hochrangigen afghanischen Beamten, darunter auch der stellvertretende Premierminister sowie der Verteidigungs- und der Innenminister.
„Ich möchte unsere Bereitschaft bekräftigen, einen konstruktiven politischen Dialog zwischen unseren Ländern zu etablieren“, erklärte Schoigu laut der Nachrichtenagentur Reuters. Die russische Delegation soll demnach ihre Unterstützung für die Schaffung eines dauerhaften Friedens in Afghanistan angeboten haben. „Eines unserer Ziele ist, einen Impuls für die Beilegung des Konflikts zwischen den Afghanen zu geben“, erklärte Schoigu.
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Im Rahmen des Besuchs betonte der Kreml seine Rolle als Friedensstifter - auch hinsichtlich der aktuell geltenden US-Sanktionen gegen Kabul. Schoigu rief die Vereinigten Staaten dazu auf, endlich ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Nachdem die USA ihre Streitkräfte 2021 überstürzt aus Afghanistan abgezogen hätten, sollten sie nun ihrer Verpflichtung nachkommen und beim Wiederaufbau des Landes helfen, forderte Schoigu. „Wieder haben wir ein Thema mit den Vereinigten Staaten, die alle um sich herum ausrauben“, wurde er zitiert.
Russland pflegt weiter Beziehung zu den Taliban
Nach dem Abzug internationaler Truppen im Sommer 2021 hatten die Taliban in Afghanistan wieder die Macht übernommen. Trotz internationaler Sanktionen gegen die Taliban-Regierung unterhält Russland seit Jahren Beziehungen zu den Radikalislamisten. Bereits 2018 beschuldigten Vertreter der US-amerikanischen Streitkräfte den Kreml, Waffen an die Taliban zu liefern. Moskau bestritt dies allerdings.
Russland und Afghanistan verbindet eine konfliktreiche Geschichte. Die Sowjetunion war 1979 in Afghanistan einmarschiert. Danach folgte ein zehnjähriger Krieg gegen islamistische Milizen, die damals von den USA unterstützt wurden. Als sich die sowjetischen Soldaten schließlich zurückzogen, entstanden aus den Milizen die radikalislamischen Taliban. (mit AFP)
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