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Proteste gegen Trump in wichtigem Swing State: Welche Folgen hat das für die US-Wahl?
In Pennsylvania leben eine halbe Million Menschen aus Puerto Rico. Als „Müll-Insel“ hatte ein Redner bei einer Trump-Kundgebung ihre Heimat bezeichnet. Jetzt kommt es zu Protesten.
Stand:
Einen Campingsessel hat sich Efrain Davila mitgebracht und zwei große Transparente. „Die einzige Müllkippe ist Trump“ steht darauf, und: „Unabhängige und alle Puerto-Ricaner für Kamala Harris“. So also sitzt Davila, 56, am Dienstagnachmittag in seiner Heimatstadt Allentown (Bundesstaat Pennsylvania) an der Ecke Lindenstraße und Siebte Straße.
Sechs Stunden später wird wenige Meter von hier, im PPL-Center, Donald Trump auftreten. Auf seiner Kundgebung zwei Tage zuvor hatte der Komiker Tony Hinchcliffe, 40, Puerto Rico als „schwimmende Müllinsel“ bezeichnet. Sogleich distanzierten sich Republikaner, etwa Floridas Senator Rick Scott, von dieser rassistischen Beleidigung.
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Für Trump, 78, könnte die Sache unschön enden. Im Swing State Pennsylvania (13 Millionen Einwohner) leben eine halbe Million Menschen mit Wurzeln aus Puerto Rico. Da die jüngsten Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen im Kampf um die 19 Wahlleute sehen, kann sich eigentlich kein Kandidat erlauben, Teile des Wahlvolkes zu verprellen. So rasch sich die Trump-Kampagne von der rassistischen Parole distanzierte, fand Trump zunächst kein Wort des Bedauerns.
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Empörung über den „Müll“-Satz
„Puerto Rico ist eine wunderschöne Insel“, sagt Efrain Davulo, und deutet auf seinen Strohhut mit Puerto-Rico-Aufschrift, „ich war gerade erst wieder dort“. Davulo wuchs dort auf, zog später nach New York, 2002 nach Allentown, wo er als Maschinenbauer arbeitet. Die „Müll-Insel“-Bemerkung vom Sonntag empört ihn. „So etwas macht man nicht. Viele Menschen, sogar Kinder, haben im Fernsehen gehört, was der Comedian gesagt hat.“
Im Nu habe sich die rassistische Beschimpfung herumgesprochen, sagt Davulo, er habe darüber mit Freunden und Familie in New York und Florida geredet. Die Puerto-Ricaner im Kernland der USA dürfen, anders als die Menschen im US-Territorium Puerto Rico, den Präsidenten wählen. Davulo, einst Republikaner, nun Unabhängiger, hat seine Wahl getroffen, er stimmt für Kamala Harris. Und heute demonstriert er gegen Trump, „obwohl das Lokalradio, das wir Puerto-Ricaner hören, dazu aufgerufen hat, das nicht zu tun.“
Wie kann jemand so etwas über irgendein Land sagen? Und das noch auf offener Bühne, ausgerechnet in New York, wo eine Million Puerto-Ricaner leben.
Victor Martinez, Inhaber des Lokalradios La Mega
Eine Wohngegend in Allentown. In einem einstöckigen Bungalow, in der Colorado-Straße, hat das Lokalradio La Mega seinen Sitz. „Lassen Sie uns ins Studio gehen“, sagt Victor Martinez, 56, Inhaber des Senders, den wir hier spontan aufsuchen. „Erst mal war ich überrascht, als ich hörte, was dieser Typ über Puerto Rico gesagt hat. Dann war ich verärgert, und dann stinksauer“, sagt Martinez: „Wie kann jemand so etwas über irgendein Land sagen? Und das noch auf offener Bühne, ausgerechnet in New York, wo eine Million Puerto-Ricaner leben.“
Ab 6 Uhr meldeten sich die ersten Anrufer
Schon am Montagmorgen spürte Martinez, wie verärgert seine Hörer über das Müll-Zitat waren, „ab 6 Uhr kamen die ersten Anrufe“. Martinez moderiert eine Radiosendung ab 7.05 Uhr, er spricht von 250.000 bis 300.000 Hörern aus der Latino-Community. Allentown besteht zu mehr als der Hälfte aus Latinos, neun Prozent stammen aus Puerto Rico.
„Wieso sollten wir unser Leben in Gefahr bringen?“
Protest-Potenzial also ist da, während Trump in der Stadt ist. Warum haben Sie vor Demos gewarnt, Herr Martinez? „Wieso sollten wir unser Leben in Gefahr bringen? Man weiß doch nie bei Trump-Fans. Er braucht nur einer ein dummes Wort sagen, das kann dann zu Ärger, zu Chaos führen.“ Martinez’ Rat an seine Hörer: Protestiert am Dienstag, im Wahllokal. Das hat Wirkung. Er wähle Harris, sagt Martinez. Und er hält es für möglich, dass das „Müll“-Zitat den Wahlausgang beeinflussen wird.
Übel nimmt Martinez Trump, dass der sich bis heute nicht von dem „Müll“-Zitat distanziert hat. So sähen es auch seine Hörer. „Er hätte am Sonntagabend etwas sagen können, am Montag, am Dienstag. Nun hat der Zug den Bahnhof verlassen, wie ein Hörer sagte.“
Während sich Efrain Davila und Victor Martinez über Trump erregen, warten tausende Trump-Fans in Schlangen auf die abendliche Kundgebung. Etwas abgeschirmt, finden sich dann doch rund 60 Puerto-Ricaner zum Protest ein. „Dieser Satz hat meinen Körper schmerzen lassen“, ruft Enid Santiago in ein Megafon. Die junge Frau trägt ein rotes Käppi. „PR“ steht darauf, Puerto Rico. Santiago ist aufgebracht. „Wir dürfen diese Wahl nicht aussitzen!“, appelliert sie. Nach ihrer Rede rufen die Puerto-Ricaner: „Wenn wir wählen, gewinnen wir.“ Es ist der Schlachtruf der Demokraten vor dieser Wahl. Eine Handvoll Trump-Fans, die vorbeiziehen, halten dagegen: „Trump! Trump! Trump!“
„Trump raus!“
„Lasst uns friedlich demonstrieren“, heißt es dann, und so zieht die kleine Schar Richtung der zahlreichen, auf die Rallye wartenden Trump-Fans. „Immigranten haben Amerika großartig gemacht“, rufen sie auf Englisch, und, auf Spanisch: „Trump raus!“ Die Polizei hält die beiden Gruppen auseinander, zeitweise mit Absperrgittern und berittenen Beamten. Es bleibt friedlich.
Im PPL-Center lässt Trump seine Fans, wie so oft, warten. Offenbar kurzfristig hat die Regie das Vorprogramm verändert. Eine kurze Rede darf eine republikanische Politikerin Zoraida Buxó aus Puerto Rico halten. Von einer „wunderschönen Insel“ spricht Buxó, die in Puerto Rico geboren wurde und aufgewachsen ist, wie sie betont. Die Menschen dort lebten Werte wie Familie, Glaube, wirtschaftliche Freiheit und Patriotismus. „Das ist Puerto Rico“, sagt sie, um sodann gegen Kamala Harris zu wettern. Im Publikum sind Plakate zu sehen: „Puerto-Ricaner für Trump.“

© REUTERS/ELOISA LOPEZ
Zum Ende der Trump-Rallye wirft Floridas Senator Marco Rubio US-Präsident Joe Biden vor, er habe die Trump-Unterstützer als „Müll“ bezeichnet. Biden machte kurz zuvor einen Video-Call mit Latinos, in dem er davon sprach, den Müll, den er da draußen sehe, sei die Dämonisierung von Latinos durch Trumps Anhänger. Biden stellte kurz darauf klar, dass er das auf die Rallye bezog, gemeint also: der Comedian Hinchcliffe. Republikaner beeilten sich darzulegen, Biden habe alle Trump-Anhänger als „Müll“ bezeichnet.
Und Trump selbst? Der distanzierte sich am Dienstagabend dann doch noch vom „Müll“-Satz bei der Rallye am Sonntag. Nicht während seiner Rede in Allentown, sondern später bei Fox News. Trump behauptete, er habe „keine Ahnung“, wer Hinchcliffe sei und wolle nach dessen „bösen“ Witz nichts mehr mit ihm zu tun haben. Trump sagte: „Jemand hat gesagt, es gäbe einen Komiker, der Witze über Puerto Rico oder so gemacht hat, und ich habe keine Ahnung, wer er ist, habe ihn nie gesehen, nie von ihm gehört und will auch nichts von ihm hören.“ Auf die Frage, ob es besser gewesen wäre, wäre Hinchcliffe nicht bei der Rallye gewesen, sagte Trump: „Wahrscheinlich hätte er nicht dort sein sollen.“
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