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Reaktion auf westliche Waffendiskussion: Putin-Berater regt „demonstrative“ Atombombenexplosion an
Nato-Staaten diskutieren darüber, der Ukraine den Einsatz gelieferter Waffen auf Ziele in Russland zu erlauben. Daraufhin folgt nun in Moskau die nächste Stufe der verbalen Eskalation.
Stand:
Die Drohung mit der Atombombe gehört für Russland seit Beginn des Überfalls auf die Ukraine ins Arsenal der kommunikativen Waffen. Im März etwa verwies Präsident Wladimir Putin im Staatsfernsehen auf die angebliche Einsatzbereitschaft der russischen Atombomben – wohl wissend, dass es die Angst vor nuklearen Explosionen ist, die die westliche Position zum Ukrainekrieg beeinflusst. Aus einem russischen Think-Tank kommt jetzt der Vorschlag, den Drohungen mehr Nachdruck zu verleihen.
Die Nachrichtenagentur „Reuters“ berichtet über einen Vorschlag von Dmitry Suslov aus dem Rat für Außen- und Verteidigungspolitik in Moskau. Der Experte im Bereich internationale Beziehungen schrieb demnach im russischen Magazin „Profil“, dass Russland eine „demonstrative nukleare Explosion“ in Erwägung ziehen solle, womit wohl das Zünden einer Atombombe auf russischem Boden gemeint ist.
Dabei gehe es darum, die russische Bereitschaft zu einer Eskalation zu unterstreichen. „Der politische und psychologische Effekt eines Atompilzes, der live auf allen TV-Kanälen rund um den Globus läuft, wird die westlichen Politiker hoffentlich an die eine Sache erinnern, die seit 1945 einen Krieg zwischen den großen Mächten verhindert hat und die sie nun zum großen Teil verloren haben – die Angst vor einem Atomkrieg.“
Offenbar geht es Suslov um den maximalen medialen Abschreckungseffekt der Bilder. Ein unterirdischer Atomwaffentest käme demnach nicht in Betracht.
Die Ideen des Think-Tanks werden manchmal zu Regierungspolitik, schreibt „Reuters“.
Nato-Staaten diskutieren: Soll die Ukraine Russland treffen dürfen?
Der neue Vorschlag ist eine Reaktion auf die Diskussion unter Nato-Staaten, der Ukraine zu erlauben, mit gelieferten Waffen auch russisches Territorium anzugreifen. Die Ukraine fordert das, lange gab es im Westen aber keine Einigkeit in der Frage. Joe Biden, Präsident des größten Nato-Lands USA, soll der Ukraine die Freigabe für US-Waffen nun im Stillen erteilt haben, wie Medien nach Erstveröffentlichung dieses Artikels berichteten. Die Erlaubnis beziehe sich jedoch nur auf Gegenschläge zur Verteidigung der ostukrainischen Großstadt Charkiw. Auch die Bundesregierung erlaubt der ukrainischen Armee jetzt, deutsche Waffen gegen russische Militärziele in Russland einzusetzen.
Die umstrittene Frage der Waffenfreigabe ist rein politisch. Völkerrechtlich ist es der Ukraine erlaubt, als angegriffenes Land militärische Ziele in Russland zu attackieren. Was bisher unter anderem durch Drohnenschläge teils bis tief ins russische Hinterland geschieht.
Taktisch wäre es für die Ukraine von Vorteil, Russland auch mit schlagkräftigen Raketen anzugreifen, um zum Beispiel Abschussrampen, Stützpunkte und Munitionsdepots zu zerstören – bevor die nächsten Bomben in der Ukraine einschlagen. Entsprechend gering ist das Interesse Russlands an einer westlichen Freigabe der Waffen.
Was die Drohung mit Atombomben betrifft, ging Suslovs Kollege Sergej Karaganov sogar noch weiter. Im Juni 2023 forderte der Leiter des Rats für Außen- und Verteidigungspolitik in einem Aufsatz, gegebenenfalls Atomwaffen gegen westliche Länder einzusetzen, weil der Konflikt mit dem Westen andernfalls nicht gewonnen werden könne – auch nicht mit einem vollständigen Sieg über die Ukraine. Der Westen habe nach dem Kalten Krieg seine Angst vor Atombomben verloren, behaupten in diesem Zusammenhang sowohl Karaganov als auch Suslov. (mit dpa)
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