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Staatsdinner im Facettenpalast des Kremls: Vor geradezu kitschiger Kulisse stoßen Xi Jinping und Wladimir Putin auf ihre neue, große Zusammenarbeit an.

© Reuters/Sputnik/Pavel Byrkin

Reaktionen auf Xi-Besuch: „Putin ist nicht mehr der Führer Russlands, sondern der pro-chinesischen Partei“

Der chinesische Präsident Xi beendet seinen Staatsbesuch in Moskau. Wie bewerten ukrainische und russische Beobachter das Treffen? Eine Auswahl.

Stand:

Der dreitägige Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping in Moskau ist vorbei. Nach fast fünfstündigen informellen Gesprächen hinter verschlossenen Türen am Montag mit Wladimir Putin, einer feierlichen Zeremonie im Kreml und Gesprächen mit Ministerpräsident Michail Mischustin am Dienstag ging es für Xi am Mittwoch zurück nach Peking.

Anders als von vielen erwartet, war Putin nicht zum Flughafen gefahren, um seinen „lieben Freund“ persönlich abzuholen. Auch seinen Ministerpräsidenten Mischustin und Ex-Präsident Dimitri Medwedew schickte er nicht. Sondern es war der Sportminister, der den hochrangigen Besuch als Erstes in Moskau begrüßen durfte.

Herzlicher wurde es nach dem mehrstündigen Gespräch: Die Kameras zeigten einen fast schon devoten Putin, der Xi zu seiner Limousine begleitete und einschmeichelnd sagte: „Unter Ihrer Führung hat das Land einen beeindruckenden Sprung gemacht, wir beneiden Sie sogar ein wenig.“

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Xi zeigte sich ob der Schmeicheleien erfreut und brachte öffentlich seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Russen „Putin 2024 unterstützen werden“. Bislang hat der russische Staatschef seine Absicht, eine fünfte Amtszeit anzustreben, jedoch noch nicht bekannt gegeben. Xi lud Putin und Ministerpräsident Mischustin außerdem zu einem Gegenbesuch in China in diesem Jahr ein.

Und inhaltlich? Durch für China äußerst lukrative Handelsverträge, allen voran im Bereich der Rohstoffimporte, machte Xi deutlich, wie es um die Machtverhältnisse zwischen den beiden Ländern steht. Wie aber fallen die Reaktionen von russischen und ukrainischen Beobachtern aus? Eine Auswahl:


Maxim Trudoljubow, Soziologe und Publizist beim unabhängigen russischen Exilmedium Meduza:

„Peking hat weiterhin ein großes Interesse an guten Beziehungen zu Russland, vor allem im Bereich der Sicherheit – sowohl bei der Militär- als auch bei der Energiepolitik. Die chinesische Führung kann und will diese Beziehungen nicht infrage stellen.

Bei den handelspolitischen Beziehungen hingegen orientiert sich Peking vor allem nach Westen. Die Europäische Union und die USA sind der zweit- und drittgrößte Handelspartner Chinas. Russland rundet die Top Ten hingegen nur ab. Die sich verschlechternden Beziehungen zu Europa und den USA stellen für China daher ein Problem dar.

Insbesondere die US-Sanktionen im Hightech-Bereich schmerzen. China wird alles daransetzen, dass sich diese Situation nicht weiter verschlimmert. Normale Beziehungen zu den EU-Ländern aufrechtzuerhalten, scheint hier der einfachere Weg dafür. Generell verstärkt China jetzt seine Kontakte zu allen Ländern, die für Peking von wirtschaftlichem Interesse sind.

Diese Gründe erklären die doppelte Position und Rhetorik Xis während des Besuchs hinsichtlich des Kriegs in der Ukraine. Bei der Schuldfrage hat Peking der Argumentation Moskaus zugestimmt.

Die Osterweiterung der Nato wird als Hauptgrund für die zunehmenden Spannungen gewertet. Was jedoch die Kriegshandlung selbst betrifft, so hält sich China bei seiner Unterstützung zurück.

Seine Haltung kann sogar als eine implizite Missbilligung der Invasion angesehen werden, da China in dieser Sache – zumindest öffentlich – stets für die Achtung der Souveränität und die Lösung von Konflikten mit friedlichen Mitteln eingetreten ist.

Gleichzeitig hütet sich Peking, sich offen gegen den Krieg auszusprechen, da dies von Moskau als Ablehnung der strategischen Partnerschaft aufgefasst werden könnte.

Die chinesische Position nach dem Besuch lässt sich demnach als ‚pro-russische Neutralität‘ bezeichnen.“


Konstantin Sonin, russischer Wirtschaftswissenschaftler:

„Die Wahl des russischen Empfangskomitees für Xi war alles andere als ein Zufall. Putin fürchtet – zu Recht –, dass hinter seinem Rücken Gespräche mit dem Westen und untereinander geführt werden.

Deshalb schickt er lieber seinen Sportminister, um den chinesischen Staatschef und wichtigsten Verbündeten am Rollfeld in Empfang zu nehmen.“


Maxim Reznik, politischer Aktivist in Russland:

„Putin ist nicht mehr der Führer Russlands, sondern ein Führer der pro-chinesischen Partei innerhalb der russischen Eliten.

Denn er weiß, dass nur China garantieren kann, dass er nicht umgebracht wird.“


Alexander Rodnjanskij, ukrainischer Medienmogul:

„Das war’s.

Der wilde Kampf Russlands mit dem demokratischen Westen um eine ‚bipolare Welt‘ endet im Vasallenstatus unter dem totalitären China.“


Sergej Markow, Politikwissenschaftler und Propagandist für den Kreml:

„China hat nun die Wahl zwischen dem Kampf um seine Souveränität und dem Kampf um die globale Führung in einer Koalition neutraler Staaten. Wenn China Russland entschlossen zur Seite steht, um gegen die US-Hegemonie zu kämpfen, auch durch Waffenlieferungen, verdeutlicht Peking, dass es keine Angst vor US-Sanktionen hat.

Mit einer Unterstützung Russlands, die US-Vormachtstellung zu untergraben, würde es dabei seine eigene Souveränität stärken. Nimmt China eine neutrale Position ein und bemüht sich als Friedensvermittler, stärkt es seine Position als Anführer der neutralen Staaten in der Welt. Die Sorge vor den US-Sanktionen wäre jedoch unübersehbar. Indem China sich weiterhin beide Optionen offen hält, wird deutlich, dass es die Wahl der Strategie noch nicht getroffen hat.“


Stanislav Kucher, russischer Exil-Journalist:

„Gestern schimpften all diese ‚Politikwissenschaftler‘ über die ‚Ukraine unter den Amerikanern‘. Heute fordern sie, sich China quasi vollständig zu unterjochen. Ein solch dramatischer Wechsel in der Rhetorik erinnert an zwei offensichtliche Punkte.

Erstens: Der Kreml hatte nie eine kohärente langfristige Strategie und hat sie auch heute nicht. Zweitens: Wenn sich die politische Lage ändert, werden dieselben ‚Experten‘ genauso nachdenklich argumentieren, warum sich Russland weiterhin auf den Westen konzentrieren sollte.“


Abbas Galliamov, politischer Analyst für das amerikanische „Foreign Policy Research Institute“ und ehemaliger Redenschreiber Putins:

„Ein wahrer russischer Patriot wird immer jemanden finden, dem er gehorchen kann.“


Ilja Jaschin, einer der bekanntesten politischen Gefangenen des Landes nach Alexej Nawalny, erzählt von einem Dialog auf dem Übungsplatz seines Untersuchungsgefängnisses:

„Was haben unsere und die Chinesen am Ende entschieden?

Ich weiß es nicht. Aber hoffentlich wird Xi Putin mit nach China nehmen.

Das wird er, ja. Zusammen mit Russland.“

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