
© dpa/Evgeniy Maloletka
Russische Kommandozentrale getroffen?: Ukraine feuert offenbar britische Storm-Shadow-Raketen auf Kursk ab
Erst US-Raketen, jetzt Waffen aus London: Kiew greift Ziele in Russland an. Nun soll ein Hauptquartier getroffen worden sein. Putins Armee will zwei Marschflugkörper abgefangen haben.
Stand:
Neue Stufe im Abwehrkampf der Ukraine gegen die Invasionstruppen des russischen Machthabers Wladimir Putin: Nach der Entscheidung Washingtons, Kiew den Einsatz weitreichender, von den USA gelieferter Waffen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet zu erlauben, wurden am Dienstag ATACMS-Raketen auf ein russisches Waffenlager in der Region Brjansk abgefeuert. Nun hat die Regierung von Wolodymyr Selenskyj offenbar auch grünes Licht aus London bekommen, um britische Waffen auf russisches Territorium abzufeuern.
Übereinstimmenden Berichten zufolge hat die ukrainische Armee bis zu zwölf Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow auf die Region Kursk abgeschossen, die seit dem Spätsommer teilweise von Kiews Truppen kontrolliert wird. Über die Attacke berichteten unter anderem die britischen Zeitungen „The Times“, „Financial Times“ und „Guardian“ unter Berufung auf Regierungsquellen in London sowie die Sender BBC und Sky.
Wir nutzen alle Mittel zur Verteidigung unseres Landes, daher werden wir keine Details verraten.

Rustem Umjerow, Verteidigungsminister der Ukraine
Russland bestätigte am Donnerstagmorgen mit Storm-Shadow-Marschflugkörpern angegriffen worden zu sein. „Von der Flugabwehr wurden 2 Marschflugkörper Storm Shadow aus britischer Produktion, 6 reaktive Geschosse des Typs Himars aus US-Produktion und 67 Drohnen abgeschossen“, heißt es der dpa zufolge in einer Mitteilung des russischen Militärs. Angaben zu Zeit und Ort machte das Verteidigungsministerium in Moskau nicht.
Schon nach der Erlaubnis der US-Regierung, die amerikanische Waffen mit einer Reichweite von 300 Kilometern einzusetzen, waren die Befürchtungen lauter geworden, dass dies die Lage weiter verschärft. Die Regierung in Moskau sprach von einer Eskalation und setzte die länger geplante neue Nukleardoktrin in Kraft. Der Kreml hatte mehrfach damit gedroht, den Einsatz britischer und amerikanischer Waffen innerhalb der russischen Grenzen als Kriegseintritt der Nato zu werten.
Militäranalysten: Ziel könnte Kommandozentrale in Kursk gewesen sein
Auch das in Washington ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) schreibt in seinem jüngsten Bericht, dass die Ukraine mit den britischen Marschflugkörpern und Drohnen „einen erfolgreichen kombinierten Schlag gegen militärische Einrichtungen im russischen Hinterland geführt“ habe.
Wie das ISW in seiner Analyse weiter ausführt, gebe es Beschreibungen von mehreren russischen Militärbloggern, dass bis zu zwölf Storm-Shadow-Raketen auf Kursk abgefeuert worden und Teile davon in der Stadt Marjino eingeschlagen seien.
„Die geolokalisierten Aufnahmen des Einschlags deuten darauf hin, dass das ukrainische Ziel das Baryatinsky-Gut in Marjino gewesen sein könnte“, so das ISW. Dies sei nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsmagazins „Defense Express“ eine Kommandozentrale für die russisch-nordkoreanischen Truppen in Kursk. Auch wenn man die Angaben nicht bestätigen könne, so das ISW, seien sie aufgrund der Entfernungsangaben schlüssig.
Russlands Armee hat bei Kursk knapp 50.000 Soldaten, unter ihnen etwa 10.000 Nordkoreaner, zu einer Gegenoffensive zusammengezogen, mit der sie die von ukrainischen Truppen seit Sommer besetzten Gebiete zurückerobern will.
Gehäuseteile mit Aufschrift „Storm Shadow“ gefunden
In dem Telegram-Kanal Two Majors wurden der Nachrichtenagentur Reuters zufolge Aufnahmen veröffentlicht, auf denen Gehäuseteile und die Aufschrift „Storm Shadow“ deutlich zu erkennen sind. In den von russischen Kriegsberichterstattern veröffentlichten Videos sind demnach mindestens 14 gewaltige Explosionen zu hören. Die Aufnahmen, die in einem Wohngebiet gemacht wurden, zeigen schwarzen Rauch, der in der Ferne aufsteigt. Es soll sich um die Einschläge der Storm Shadows handeln. Auch auf der Plattform X kursieren Videos, die den Angriff zeigen sollen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
Sowohl das Büro von Premierminister Keir Starmer als auch das britische Verteidigungsministerium lehnten auf Anfrage der Agentur AFP eine Stellungnahme ab. Als Verteidigungsminister John Healey am Mittwoch im Parlament auf die Berichte angesprochen wurde, sagte er, er sei „nicht in der Lage, weitere operative Details zu nennen“.
Auch der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow wollte den möglichen Einsatz des Waffensystems Storm Shadow weder bestätigen noch dementieren. „Wir nutzen alle Mittel zur Verteidigung unseres Landes, daher werden wir keine Details verraten“, sagte er dem US-Sender CNN. „Aber wir geben zu verstehen, dass wir fähig und auch in der Lage zu Gegenschlägen sind.“
Kiew wünscht sich weiterhin Taurus-Marschflugkörper
Selenskyj bittet die westlichen Partner schon seit Monaten um die Erlaubnis, die Fernwaffen gegen russische Ziele einsetzen zu dürfen. Damit sollten unter anderem die Luftangriffe auf ukrainische Städte bekämpft werden, indem Flugplätze im russischen Hinterland angegriffen werden. Neben den ATACMS der USA und den britischen Storm-Shadow-Raketen steht der Marschflugkörper Taurus, über den die Bundeswehr verfügt, weit oben auf Kiews Wunschliste.
Das deutsche Waffensystem hat mit 500 Kilometern eine noch deutlich größere Reichweite. Mit dem Taurus könnten aus der Ukraine auch Ziele in Moskau angegriffen werden, zumindest theoretisch. Kanzler Olaf Scholz (SPD) sperrt sich bisher vehement dagegen, Kiew dieses Waffensystem, das als extrem effektiv gilt, zu liefern.
Seine Ablehnung erneuerte er trotz zunehmenden innenpolitischen Drucks auch in dieser Frage gerade nach Biden Erlaubnis wieder unter Hinweis auf eine drohende Eskalation.
In der Ukraine ist einem Bericht der Agentur dpa zufolge am frühen Morgen landesweit Luftangriffs- und Raketenalarm ausgelöst worden. Im Gebiet Dnipropetrowsk sei eine russische Hyperschallrakete vom Typ „Kinschal“ eingeschlagen, berichtete demnach die Agentur Ukrinform. Die Rakete war demnach von einem Mig-31-Kampfjet abgefeuert worden. Genauere Angaben wurden zunächst nicht gemacht.
Kurz darauf warnte der dpa zufolge die ukrainische Flugabwehr auf der Plattform Telegram vor dem Einflug mehrerer Ch-101-Marschflugkörper. Diese mit Tarnkappentechnik versehenen Flugkörper seien von strategischen Bombern des Typs Tu-95 in der Nähe der Stadt Engels in der südrussischen Region Saratow abgefeuert worden.
Wenig später drangen mehrere Marschflugkörper in den ukrainischen Luftraum ein und nahmen Kurs auf die Hauptstadt Kiew und Poltawa im Osten des Landes, wie die Luftwaffenführung mitteilte.
- Atomwaffen
- Boris Pistorius
- Bundeswehr
- Joe Biden
- Kursk
- Nato
- Olaf Scholz
- Russland
- Ukraine
- USA
- Wladimir Putin
- Wolodymyr Selenskyj
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: