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Polnische Soldaten patrouillieren entlang der polnisch-belarussischen Grenze. Hier ließ die rechtsnationalistische Regierung einen Zaun errichten, der Geflüchtete aufhalten soll.

© REUTERS/KUBA STEZYCKI

Schengenvisa gegen Schmiergeld: Polens Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Korruption bei der Visavergabe

Gegenüber der EU weigert sich die polnische Regierung, Geflüchtete aufzunehmen. Nun werfen ihr Opposition und Medien vor, sie hätte Hunderttausenden die illegale Einwanderung in die EU ermöglicht.

Einen Monat vor den Parlamentswahlen in Polen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sieben Personen wegen des Verdachts, sie hätten gegen Bezahlung die Vergabe von Arbeitsvisa beschleunigt.

Drei der Verdächtigen seien festgenommen worden, sagte der stellvertretende Chef der Abteilung für Organisierte Kriminalität und Korruption, Daniel Lerman, am Donnerstag in Warschau.

Untersucht würden Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe mehrerer Hundert Arbeitsvisa in mehreren arabischen Ländern sowie in Indien, den Philippinen, Singapur, Hongkong und Taiwan.

Berichte polnischer Medien und Angaben der Opposition deuten dagegen auf ein sehr viel größeres Ausmaß hin.

Oppositionsführer Tusk wirft der rechtsnationalistischen Regierung Heuchelei vor

Innerhalb von 30 Monaten seien in Afrika und Asien 250.000 polnische Arbeitsvisa ausgestellt worden, sagte Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) am Donnerstag, allerdings ohne Angaben dazu, woher diese Zahl stammt.

Tusk warf der regierenden PiS angesichts ihrer harten Haltung gegen die EU-Asylpolitik Heuchelei vor.

Im August entließ die Regierung den für konsularische Angelegenheit zuständigen Minister

Ende August war der für konsularische Angelegenheiten zuständige Vize-Außenminister Piotr Wawrzyk entlassen worden. Zur gleichen Zeit wurde seine Abteilung von der Antikorruptionsbehörde CBA durchsucht.

Nach Berichten des Portals Onet und der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ soll Wawrzyk der Drahtzieher hinter einem System gewesen sein, bei dem Zwischenfirmen für hohe Geldsummen polnische Visa anboten.

Am Freitag berichteten polnische Medien, dass Wawrzyk ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Seine Hände seien verwundet gewesen; einige spekulierten über einen Selbstmordversuch. Dieser Verdacht wurde bisher jedoch nicht bestätigt.

Der Radiosender RMF FM meldete am Freitagnachmittag, dass Wawrzyk in einem lebensbedrohlichen Zustand in ein Warschauer Krankenhaus eingeliefert worden sei. Er habe einen Abschiedsbrief hinterlassen. 

Doch nach Angaben von Radio ZET vom Freitagabend befand sich Piotr Wawrzyk in keinem lebensbedrohlichen Zustand. Er sei mit „Kratzern an den Handgelenken“ eingeliefert worden.

Die polnischen Visa sollen zum freien Reisen in der EU bevollmächtigt haben

Medienberichten zufolge seien Migranten aus Asien und Afrika auf der Basis ihres polnischen Visums häufig im Schengenraum weitergereist – etwa nach Deutschland.

Besonders begehrt waren demnach Mehrfachvisa. Denn wer ein Mehrfachvisum für den Schengenraum hat, darf auch nach Mexiko einreisen und kann so in die USA gelangen.

Den Angaben nach sollen Menschen in Indien an Zwischenfirmen bis zu 40.000 Dollar gezahlt haben, um in den Besitz eines polnischen Mehrfachvisums zu kommen.

Visaaffäre deutet auf ideologische Widersprüche der Regierungspartei hin

Vor der Parlamentswahl am 15. Oktober setzt das Thema Visa-Vergabe die rechtsnationalistische PiS unter Druck. Denn die PiS-Regierung widersetzt sich dem EU-Asylkompromiss, der eine verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen vorsieht.

Warschau will parallel zur Parlamentswahl in einem Referendum darüber abstimmen lassen. Der Ausgang der Volksabstimmung hat keinen Einfluss auf den Entscheidungsprozess innerhalb der EU. (mit dpa)

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