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Ein Panzer des Typs M1 Abrams der US Army fährt während einer multinationalen Übung auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels über eine Straße (Symbolbild).

© dpa/Nicolas Armer

Update

„Es macht einfach keinen Sinn“: Ukraine erhält vorerst keine Abrams-Kampfpanzer der USA

Ein milliardenschweres Waffenpaket ja, Abrams-Panzer nein: Die USA setzen vor dem Ramstein-Gipfel Maßstäbe. Derweil erhöht Polen den Druck auf Deutschland, Leopard-Lieferungen zuzustimmen.

| Update:

Die US-Regierung stellt der Ukraine zur Abwehr des russischen Angriffskriegs weitere milliardenschwere Militärhilfen zur Verfügung. Das US-Verteidigungsministerium kündigte am Donnerstagabend (Ortszeit) ein Paket im Umfang von etwa 2,5 Milliarden US-Dollar (2,3 Milliarden Euro) an.

Es enthält nach Pentagon-Angaben unter anderem 59 Schützenpanzer vom Typ Bradley und erstmals 90 Radschützenpanzer des Typs Stryker - aber keine Abrams-Kampfpanzer. Es ist das bislang zweitgrößte Einzelpaket dieser Art.

Die Ankündigung kommt kurz vor dem Treffen einer von den USA geführte Koalition auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz, bei dem an diesem Freitag Verteidigungsminister und ranghohe Militärs aus zahlreichen Ländern über weitere Unterstützung für die von Russland angegriffene Ukraine beraten.

Das Ministerium hält die Lieferung amerikanischer Abrams-Kampfpanzer nach eigenen Angaben derzeit allerdings für nicht sinnvoll. „Es macht einfach keinen Sinn, den Ukrainern dieses Mittel zum jetzigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen“, sagte Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh am Donnerstag vor Journalisten in Washington. Der Abrams-Kampfpanzer benötige anderen Treibstoff als etwa der Leopard 2 oder der Challenger 2 und sei aufwendiger in der Instandhaltung.

Mit dem neuen Paket haben die USA der Ukraine nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums seit Beginn der Amtszeit von Präsident Joe Biden militärische Hilfe im Umfang von mehr als 27,4 Milliarden US-Dollar bereitgestellt oder zugesagt, mehr als 26,7 Milliarden US-Dollar davon seit Beginn des russischen Angriffskrieges Ende Februar.

Großbritannien und Dänemark beschließen neue Militärhilfen

Bereits vor dem Treffen in Ramstein, bei dem eine von den USA geführte Koalition über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine berät, kündigten Großbritannien, Dänemark und Estland am Donnerstag neue Militärhilfen an. Polen setze Deutschland in der Frage um Leopard-Lieferungen weiter unter Druck.

Großbritannien etwa wolle 600 Raketen vom Typ Brimstone an die Ukraine liefern. Die Panzerabwehrwaffe werde „unglaublich wichtig dabei sein, der Ukraine zu helfen, das Schlachtfeld zu beherrschen“, sagte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace nach einer Geberkonferenz mit mehreren seiner Kollegen im estnischen Tapa. London hatte erst vor wenigen Tagen die Lieferung britischer Panzer vom Typ Challenger 2 an die Ukraine angekündigt.

Dänemark erklärte unterdessen, 19 Caesar-Haubitzen französischer Herstellung an die Ukraine liefern zu wollen. Kiew habe die Artillerie trotz gewisser technischer Herausforderungen angefragt, hieß es vom dänischen Verteidigungsministerium.

Estland kündigt „bisher größtes Militärhilfspaket“ an

Estlands Regierung kündigte ihrerseits an, sie werde die Ukraine mit ihrem „bisher größten Militärhilfspaket“ beliefern. Unter den Rüstungsgütern im Gesamtwert von etwa 113 Millionen Euro sind demnach Panzerabwehr-Waffen sowie Munition. Mit dem Paket steige die estnische Militärhilfe für die Ukraine auf 370 Millionen Euro „oder etwas mehr als ein Prozent von Estlands Bruttoinlandsprodukt“, hieß es weiter.

Wallace und der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur hatten das Treffen in Tapa initiiert, an dem die Vertreter mehrerer Verbündeter der Ukraine teilnahmen. Am Freitag berät die sogenannte Ukraine-Kontaktgruppe auf der US-Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz über eine Aufstockung der Militärhilfen für die Ukraine.

Die Treffen zeigten dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, „dass wir weiter hinter der Ukraine stehen“, sagte Wallace. Sollte Putin darauf setzen, „dass wir dieses Jahr keine Lust mehr haben werden, liegt er falsch. Wir werden für dieses Jahr planen, für das nächste Jahr und das Jahr danach und darüber hinaus“, sagte der britische Minister.

Polen erwägt Kampfpanzerlieferung auch ohne Genehmigung Deutschlands

Unterdessen deutete der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki an, dass Polen Leopard-Panzer an die Ukraine liefern könnte, ohne auf eine deutsche Genehmigung zu warten. In einem TV-Interview mit dem Sender Polsat News sagte er am Mittwochabend nach Angaben der Nachrichtenagentur PAP: „Die Zustimmung ist hier zweitrangig. Wir werden entweder schnell eine Einigung erzielen oder wir werden selbst das Richtige tun.“ Mit der Ukraine und „unseren Partnern in Westeuropa“ solle dafür gesorgt werden, dass die Panzer geliefert werden.

Man werde Deutschland daher weiterhin zu einer schnellen Zustimmung drängen. Für langes Warten sei aber keine Zeit, weil Russland offensichtlich für Februar eine neue Offensive vorbereite. 

Die Ukraine hatte Deutschland, die Türkei und weitere Länder am Donnerstag dringend gebeten, Leopard-Kampfpanzer an Kiew zu liefern. In einer gemeinsamen Erklärung appellierten das Verteidigungs- und das Außenministerium an „alle Partnerländer“, ihren Beitrag zur Stärkung der ukrainischen Verteidigungsfähigkeiten „deutlich zu verstärken“. Insbesondere die rund ein Dutzend Staaten, die im Besitz von Leopard-Panzern seien, darunter Deutschland und die Türkei, sollten diese an die Ukraine liefern.

Die Ukraine fordert schon seit längerer Zeit von ihren Unterstützern die Lieferung schwerer Panzer für den Kampf gegen die russischen Angriffstruppen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich bisher gegen die Lieferung der Leopard-Panzer an die Ukraine gesträubt. Medienberichten zufolge ist Scholz jedoch inzwischen bereit, die Panzer an die Ukraine zu liefern – wenn die USA ihrerseits schwere Kampfpanzer vom Typ Abrams liefern, was Washington bisher jedoch ablehnt.

Der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich bei einem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin am Donnerstag nicht zur derzeit von vielen Seiten geforderten Lieferung von Leopard-Kampfpanzern. Er kündigte aber eine enge Abstimmung mit den USA an. Am Freitag berät die sogenannte Ukraine-Kontaktgruppe auf der US-Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz über eine Aufstockung der Militärhilfen für die Ukraine.

Einem CNN-Bericht zufolge wollte Austin beim Gespräch mit seinem deutschen Kollegen darauf drängen, dass Deutschland Leopard-Panzer in die Ukraine verlegt. Deutschland müsse den Transfer absegnen, bevor Länder wie Polen und Finnland die Lieferungen durchführten, zitiert der Sender einen hochrangigen US-Verteidigungsbeamten.

Union, Grüne und FDP machen im Bundestag Druck für Panzerlieferungen 

Parallel zu den internationalen Beratungen über die Panzerlieferungen machen die CDU/CSU, aber auch Grüne und FDP dafür Druck im Bundestag. In der Debatte am Donnerstag gestand die SPD zu, dass die Ukraine „auch weitere Kampfpanzer brauchen“ werde, und kündigte „substanzielle Beschlüsse“ an.

Debattiert wurde über einen Antrag der Union, der die Bundesregierung auffordert, den Weg zur Lieferung von Panzern der Typen Leopard 1 und 2 frei zu machen. Verlangt werden darin Ausfuhrgenehmigungen für Leopard 1 aus Industriebeständen, Genehmigungen für Lieferungen in Deutschland hergestellter Panzer aus Drittstaaten sowie die Vorbereitung auch der Lieferung moderner Kampfpanzer des Typs Leopard 2 aus Deutschland, möglicherweise auch aus Bundeswehrbeständen.

„Es ist jetzt die Zeit, dass Deutschland endlich grünes Licht für die Lieferung von Kampfpanzern gibt“, sagte Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul. Dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dies bisher abgelehnt habe, sei „ein Fehler“. „Es ist jetzt die Zeit, die Ukraine wirkungsvoll zu unterstützen“, sagte der CDU-Politiker auch unter Hinweis auf Vorbereitungen für eine neue russische Offensive.

Bewegung in der Frage der Panzerlieferungen signalisierte für die SPD Dietmar Nietan, der als Bundesschatzmeister der engeren Parteiführung angehört. „Wir sind uns einig, dass die Ukraine den russischen Aggressor aus den besetzten Gebieten zurückdrängen muss“, sagte Nietan im Bundestag. „Dafür wird sie auch weitere Kampfpanzer brauchen.“

Strack-Zimmermann warnt Scholz vor „Spaltung“ Europas

Es werde hierzu „substanzielle Beschlüsse“ bei dem Treffen der Ukraine-Unterstützerstaaten am Freitag in Ramstein geben. Allerdings gab es auch mahnende Stimmen aus der SPD für diplomatische Bemühungen um ein Ende des Krieges.

Nachdrücklich für die Lieferung von Kampfpanzern warben in der Debatte auch Grüne und FDP. Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger verwies ebenfalls auf Vorbereitungen für eine neue russische Offensive. Daher „braucht die Ukraine Panzer“, sagte sie – zur Abschreckung und auch „zur Befreiung der besetzten Gebiete“.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann warnte Scholz davor, durch seinen Widerstand gegen Panzerlieferungen „Europa zu spalten“. Sie bekräftigte ihr stetes Dringen auf mehr militärische Unterstützung, auch als klares Signal an Russlands Machthaber Wladimir Putin: „Wer unser System zerstören will, wird es mit uns allen zu tun bekommen.“

Gegen Panzerlieferungen stellten sich erneut AfD und Linkspartei. „Dieser Konflikt ist militärisch nicht zu gewinnen“, warnte der AfD-Politiker Petr Bystron. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warb statt neuer Waffenlieferungen für „eine abgestimmte europäische Friedensinitiative“.

Der Unions-Antrag wurde mit der Mehrheit der Ampel-Koalition sowie von AfD und Linkspartei an die zuständigen Ausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen. (AFP, dpa)

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