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Thank God It’s International Friday 29: Le Pens politisches Eigentor
Die Themen der Woche: Donald Trump zettelt weltweiten Handelskrieg an | In Washington regt sich der Widerstand | Marine Le Pens politische Karriere vor dem Aus

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Sieht so der Weg in die Freiheit aus? Die ganze Welt mit Zöllen zu belegen, die schwache Länder in die Knie zwingen und Partner verprellen? Wohl kaum. In einer Zeit, in der globale Zusammenarbeit wie nie zuvor gefragt ist, zettelt US-Präsident Donald Trump lieber einen Handelskrieg an.
Am von ihm ausgerufenen „Liberation Day“ diesen Mittwoch zeigte sich Trump zuversichtlich, dass „dieser Tag in die Geschichte eingehen“ werde. Daran zweifelt in der Tat kaum jemand.
Trump im globalen Porzellanladen
Denn dass die US-Regierung gegen mehr als 180 Länder und Territorien hohe Zölle verhängt hat, lässt viele Ökonomen eine drohende globale Rezession befürchten. Die Finanzmärkte reagieren bereits mit heftigen Kursverlusten. Und China kündigte prompt Gegenzölle und Exportkontrollen für Seltene Erden an, was die USA bei der Herstellung von High-Tech-Produkte und Rüstungsgütern empfindlich treffen könnte.
„Wenn Trump denkt, dass die Amerikaner von den Zöllen profitieren werden, dann liegt er damit komplett daneben“, hat mir die lettische Ministerpräsidentin Evika Silina in unserem Gespräch gesagt. Sie glaubt, dass er mit den Zöllen eine Strategie verfolgt, den Dialog zu bestimmten Themen zu forcieren. Europa müsse aber nicht zu seinem Spielball werden. Was sie zuversichtlich stimmt, lesen Sie hier im Interview. 👇
Der Geopolitikexperte Olaf Boehnke befürchtet indes, dass Donald Trump zukünftig auch Energiepolitik als machtpolitisches Instrument gegen Europa einsetzen wird. In seinem Gastbeitrag für den Tagesspiegel skizziert er, wie Europa ein „De-Risking“ von den USA gelingen könnte.
Ist die Protestwelle im Anrollen?
In den ersten Wochen seiner zweiten Amtszeit gab es für Trump erstaunlich wenig Gegenwind. Hinter vorgehaltener Hand verriet so mancher, sich vor möglicher Vergeltung wegen offener Kritik am Präsidenten zu fürchten.
Die Washingtoner Bischöfin Mariann Edgar Budde ließ sich davon allerdings nicht abschrecken. Bereits 2020, als sich Trump während seiner ersten Amtszeit vor der St. John’s Church in ihrem Sprengel mit einer Bibel fotografieren ließ und zuvor friedliche Demonstranten mit Tränengas hatte vertreiben lassen, hatte sie deutliche Worte für den Präsidenten gefunden. Und auch diesen Januar, beim Inaugurations-Gottesdienst in der National Cathedral, scheute sie nicht davor zurück, den anwesenden Staatschef zu kritisieren. Am 30. April werde ich mit Budde in der Urania über Mut diskutieren. Seien Sie mit dabei – hier gibt es Tickets.
Und die Bischöfin scheint Nachahmer zu finden. Für das Wochenende sind in der US-Hauptstadt Washington große Demonstrationen angekündigt. Es sollen die größten seit Trumps Amtsübernahme werden. „Hands Off!“ heißt die Initiative. Tausende Menschen wollen dabei unter anderem gegen Trumps Umgang mit der Sozialversicherung, die Massenkündigungen in den Bundesbehörden und das Vorgehen gegen Migranten und Transgender-Menschen protestieren – und gegen Elon Musks Rolle in der US-Regierung.
Doch dessen Tage sind anscheinend gezählt. Die Kollegen von „Politico“ berichteten diese Woche, dass Trump in seinem Umfeld über den baldigen Rücktritt von Musk als Regierungsberater gesprochen habe. Wenn Sie mich fragen, war die Beziehung der beiden Platzhirsche von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Das sieht auch mein Kollege Christoph von Marschall so. Lesen Sie hier seinen Kommentar. 👇
Ist Marine Le Pens politische Karriere beendet?
Nur lobende Worte fand Trump indes für die Galionsfigur der französischen Rechtspartei Rassemblement National. „Ich kenne Marine Le Pen nicht, aber ich weiß zu schätzen, wie hart sie jahrelang gearbeitet hat“, schrieb der US-Präsident auf seiner Plattform Truth Social.
Ein französisches Gericht hat die 56-Jährige am Montag wegen der Veruntreuung von EU-Geldern zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und zwei Jahren mit elektronischer Fußfessel verurteilt. Viel schwerer wiegt für Le Pen allerdings, dass ihr mit dem Urteil auch für fünf Jahre das passive Wahlrecht entzogen wird. Damit kann sie bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2027 nicht antreten.
Das Urteil löste ein politisches Beben in Frankreich aus. Denn Le Pen lag in den Umfragen klar vorne. Jordan Bardella, der Vorsitzende ihrer Partei, sprach von der „Hinrichtung der französischen Demokratie“. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn das Rassemblement National zählt in Frankreich zu den Stimmen, die besonders lautstark ein knallhartes Vorgehen gegen den Missbrauch öffentlicher Mittel fordern. Bei dem Urteil des Pariser Gerichts handelt es sich auch keineswegs um einen Schnellschuss. Es steht am Ende einer 10-jährigen Untersuchung der Vorwürfe gegen die Politikerin.
Birgit Holzer, die Frankreich-Korrespondentin des Tagesspiegels, hat die Geschichte der Familie Le Pen für Sie aufgeschrieben, der umstrittensten Politiker-Dynastie des Landes. 👇
Solidarität von Trump und Europas Rechten
Wie sich selbst sieht der US-Präsident Le Pen als Opfer einer politisierten Justiz. „Die Hexenjagd gegen Marine Le Pen ist ein weiteres Beispiel dafür, wie europäische Linke die Justiz als Kriegsinstrument einsetzen, um die freie Rede zum Schweigen zu bringen, politische Gegner zu zensieren und diesmal sogar so weit zu gehen, diesen Gegner ins Gefängnis zu stecken“, wetterte er. „FREE MARINE LE PEN!“ – rief Trump zur Befreiung der Gesinnungsgenossin auf. Wohl vorsorglich: Le Pen hat Berufung eingelegt, die Haftstrafe ist vorläufig ausgesetzt.
Die Reaktionen auf Le Pens Verurteilung führen die weltweiten Verbindungen der Rechten vor Augen. Denn nicht nur Trump sprang ihr bei. Italiens stellvertretender Ministerpräsident Matteo Salvini nannte das Urteil eine „Kriegserklärung“. Sein ungarischer Amtskollege Viktor Orbán verkündete mit den Worten „Je suis Marine!“ seine Solidarität. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders zeigte sich „geschockt über das unglaubliche harte Urteil“ – aber zuversichtlich, dass Le Pen 2027 nichtsdestotrotz Präsidentin von Frankreich werde.
Ob sich Wilders Prophezeiung bewahrheiten könnte, wird sich im Sommer 2026 zeigen. Denn dann wird das Berufungsurteil fallen. Deutlich vorher wird allerdings schon klar sein, ob die Rechte in Frankreich und Europa aus der Verurteilung Le Pens politisches Kapital schlagen können wird.
Auf zum Orakel
Kommende Woche melde ich mich vom Delphi Economic Forum in Griechenland. Ich freue mich dort unter anderem auf die Diskussion über die Zukunft des Nahen Ostens nach dem Sturz des syrischen Diktators Bashar al-Assad mit Volker Perthes, Abdullah Al Saud, Thanos Dokos und Lina Khatib. Und ein Besuch beim Orakel am Rande der Konferenz darf natürlich nicht fehlen. Genug Fragen dafür habe ich wahrlich im Gepäck.
Das war’s von mir für heute. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Herzlich
Ihre Anja Wehler-Schöck
P.S.: Vielen Dank an Johannes Altmeyer fürs Feedback und an Maria Glage für die Graphik!
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