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Thank God It’s International Friday 38: Kampf um die Wahrheit
Die Themen der Woche: Der ungesühnte Mord an Lumumba | Kampf um die Rohstoffe im Kongo | Trumps Ziele in Afrika | Die Macht der Tech-Milliardäre Thiel, Musk & Co

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Er war die Stimme eines neuen, freien Afrikas. In einer historischen Rede erklärt Patrice Lumumba am 30. Juni 1960 die Unabhängigkeit des Kongo von Belgien und markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Kontinents. Kurz darauf wird er zum ersten Premierminister seines Landes gewählt. Wenige Monate später ist er tot – brutal ermordet. Am vergangenen Mittwoch wäre Lumumba 100 Jahre alt geworden.
Dass Belgien – über Jahrzehnte Kolonialmacht im Kongo – an seinem gewaltsamen Tod eine Mitschuld trägt, hat 2001 eine parlamentarische Ermittlung festgestellt. Auch eine Beteiligung des CIA gilt als erwiesen. Doch wer genau für die Tat verantwortlich ist, ist vor Gericht nie aufgeklärt worden. Bis heute kämpfen Lumumbas Kinder um die Wahrheit und die Ahndung des Verbrechens.
Seit dem 17. Juni wird der Fall in Brüssel nun neu verhandelt. Welche Rolle ein ehemaliger Praktikant bei dem Prozess spielen könnte, hat unser Korrespondent Knut Krohn hier für Sie aufgeschrieben. 👇
Kampf um kritische Rohstoffe
Demokratie, die Verstaatlichung der kongolesischen Rohstoffe und ein Ende der Ausbeutung durch ausländische Mächte – so lauteten 1960 Lumumbas Wahlversprechen. Sie haben ihn wohl das Leben gekostet.
Der Kongo verfügt über immense Vorkommen an kritischen Ressourcen: Kobalt, Koltan, Kupfer, Diamanten, Gold. Doch die Menschen dort profitieren kaum von ihnen. Das Land zählt zu den ärmsten weltweit. Um die Bodenschätze finden bis heute blutige Kämpfe statt, an denen auch die Nachbarländer Ruanda, Uganda und Burundi beteiligt sind. Mehr als sechs Millionen Menschen kamen in dem Konflikt im rohstoffreichen Osten des Kongo seit den 1990er Jahren ums Leben.
Vergangene Woche verkündete Donald Trump in Washington einen Friedensvertrag zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda. Nichts weniger als ein „glorreicher Triumph“, will man den Worten des US-Präsidenten Glauben schenken. Meint es Trump vielleicht doch ernst mit seinem Ziel, der größte Friedensstifter aller Zeiten werden zu wollen?
Gewisse Zweifel daran sind durchaus angezeigt. Denn an der blutigen Realität vor Ort hat sich dadurch kaum etwas geändert, die Kämpfe gehen weiter. Der Friedensvertrag wurde ohne zentrale Akteure des Konflikts geschlossen: die von Ruanda unterstützte Miliz M23 sowie Uganda und Burundi, die ebenfalls Truppen im Kongo haben.
Also alles umsonst? Keineswegs! Die USA haben sich durch das Abkommen Zugriff auf kritische Rohstoffe im Kongo gesichert. Der „Dealmaker in Chief“ kann sich auf die Schulter klopfen.
Handel statt Hilfe: Trumps neue Afrika-Strategie
Und damit endet Trumps Engagement in Afrika auch noch lange nicht. In der kommenden Woche hält der US-Präsident in Washington den ersten Afrika-Gipfel seiner zweiten Amtszeit ab. Um das menschliche Leid, das die Trump-Regierung durch die abrupte Streichung von US-Entwicklungsgeldern ausgelöst hat, soll es dabei jedoch nicht gehen.
Man wolle sich nun als Partner auf Augenhöhe begegnen, erklärt ein Sprecher des US-Außenministeriums die neue Strategie. Der Fokus solle ganz auf den kommerziellen Beziehungen liegen. US-Botschafter in Afrika würden künftig danach bewertet, in welchem Umfang sie Handelsabkommen abgeschlossen hätten.
Künftig sollen deutlich mehr Güter zwischen den USA und Afrika verkehren. Aber bitte keine Menschen. Der Kontinent ist Spitzenreiter auf Trumps „Travel Ban“-Liste. Gegen die Bürger zehn afrikanischer Staaten hat die Trump-Regierung derzeit partielle oder vollständige Einreiseverbote verhängt. Weitere sollen folgen.
Willkommen in der Dystopie: Heute schon Schriftstücke vernichtet?
In meinem Literaturkreis haben wir gerade einen Klassiker gelesen: „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury. Der Roman stammt aus dem Jahr 1953. Umso erschreckender ist es, wie aktuell manche Passagen wirken.
Die im Buch beschriebene Feuerwehr, die keine Brände löscht, sondern Bücher verbrennt, gibt es heute zum Glück nicht. Aber die US-Regierung macht gerade vor, wie man Ähnliches auch ganz ohne Feuer hinbekommt.
Seit Trumps Amtsübernahme im Januar hat seine Administration Unmengen an digitalisierten Daten vernichtet. Zum Beispiel Gerichtsakten, Daten zur Entwicklung von Wetter und Klima sowie zur öffentlichen Gesundheit, historische Aufzeichnungen: alles, was stört – gelöscht.
„Wenn man die Wurzeln nicht entfernt, kann das Unkraut zurückwachsen“, erklärt Elon Musk die Datenvernichtung. Als Trumps Berater und Leiter des Department of Government Efficiency (DOGE) hat Musk bis Ende Mai zahlreiche US-Behörden geschlossen oder ihre Arbeitsfähigkeit durch drastische Mittelkürzungen und Entlassungen massiv eingeschränkt.
Auf manche hat Bradburys Buch so auch gar keine abschreckende, sondern eine inspirierende Wirkung. In Anlehnung an den Romantitel betreibt zum Beispiel eine rechtsextreme Gruppe im sächsischen Pirna den „Klub 451“. Und der österreichische Verfassungsschutz beobachtet die „Aktion 451“: Sie sei eine Tarnorganisation der rechtsextremen Identitären Bewegung (IBÖ). In Deutschland und Österreich nutze sie kulturelle Aktivitäten als Deckmantel, um ihre Ideologie zu verbreiten.
Thiel, Musk, Zuckerberg: Die Macht der Tech-Milliardäre
Mit ihren Plattformen X und Facebook leisten auch Elon Musk und Mark Zuckerberg ihren Beitrag zur Verbreitung rechtsextremer Ideologie. Wie stark sie und andere Tech-Milliardäre wie Peter Thiel unter der neuen Trump-Regierung die Politik beeinflussen, habe ich diese Woche mit Markus Beckedahl, Bojan Pancevski und Christian Schiffer in der Phoenix-Runde diskutiert. Hier können Sie sich die Sendung ansehen. 👇
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Auch bei der StratCon an diesem Freitag hat uns dieses Thema beschäftigt. Dort habe ich mit Claudia Diaz Sanchez, Paulina Fröhlich, Gerald Hensel und Jürgen Schulz über die Frage diskutiert, welche Rolle die Wahrheit in Zeiten von Desinformation und KI spielt.
Für uns als Journalistinnen und Journalisten ist die Antwort darauf eindeutig: Sie ist und bleibt oberste Maxime. Die meisten deutschen Verlage haben sich im Rahmen der freiwilligen Selbstkontrolle zur Einhaltung des Pressekodex verpflichtet. Und der lässt an den Prioritäten keinen Zweifel: Die „Achtung vor der Wahrheit“ steht gleich an erster Stelle.
Das war’s von mir für heute. Ich wünsche Ihnen ein wunderbares Wochenende.
Herzlich
Ihre Anja Wehler-Schöck
P.S.: Vielen Dank an Johannes Altmeyer fürs Feedback und an Maria Glage für die Graphik!
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