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Thank God It’s International Friday 9: Joe Biden, das „Leuchtfeuer der Demokratie“
Die Themen der Woche: Joe Biden in Berlin | Edi Rama und die albanischen Lager für Migranten | Putins Wahlkampf in Moldau | Endspurt Trump gegen Harris

Stand:
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Nun ist er doch noch gekommen. Wenn Sie in Berlin leben, haben Sie das seit gestern Abend vielleicht sogar am eigenen Leib gespürt. Joe Biden war in town und die halbe Berliner Innenstadt wurde zum Sperrbezirk.
Dass Biden mitten im Wahlkampf seinen Besuch nachholt, den er vergangene Woche wegen des Hurrikans in Florida absagen musste, hat mich ehrlich gesagt überrascht. Sein Kommen sehe ich daher als umso bedeutsameres Zeichen. Biden sendet damit an beide möglichen Nachfolger eine unmissverständliche Botschaft, wie wichtig die transatlantische Partnerschaft ist.

© AFP/Ralf Hirschberger
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verlieh ihm heute in Schloss Bellevue den höchsten deutschen Orden und nannte den US-Präsidenten „ein Leuchtfeuer der Demokratie“ in einer Zeit „in der die Demokratie in der gesamten westlichen Welt unter Druck steht“.
Doch insgesamt zeige Deutschland für Bidens Verdienste zu wenig Dankbarkeit, argumentiert mein Kollege Christoph von Marschall. Das klare Bekenntnis des US-Präsidenten zur transatlantischen Partnerschaft, die Unterstützung im Ukraine-Krieg und die geplante Stationierung der US-Raketen in Deutschland seien nur „drei von vielen guten Gründen“, schreibt er in seinem Leitartikel.
Falsche Versprechen? Der lange Weg des Westbalkan in die EU
Nicht nur Joe Biden war diese Woche an der Spree zu Gast. Zum Gipfel des sogenannten Berlin-Prozesses reisten Anfang der Woche die Staats- und Regierungschefs aus den sechs Westbalkan-Staaten an. Dieser von Angela Merkel 2014 initiierte Prozess soll die Länder auf ihrem Weg in die EU unterstützen. Reine Rhetorik, um die Westbalkan-Staaten zu vertrösten, denen bereits 2003 beim EU-Gipfel in Thessaloniki eine Beitrittsperspektive zugesagt worden war?
Nein, sagt der albanische Ministerpräsident Edi Rama, mit dem ich am Rande des Gipfels gesprochen habe. Der Prozess habe für Region Wichtiges bewirkt. Als die damalige Bundeskanzlerin Merkel 2014 zum ersten Gipfel eingeladen habe, sei es das erste Mal überhaupt gewesen, dass sich die Staats- und Regierungschefs der sechs Westbalkan-Staaten getroffen hätten. Trotz der weiterhin existierenden Konflikte und Hürden, arbeiteten die Länder heute deutlich enger zusammen, betont Rama.

© Bülent Ürük
Zankapfel Migration: Keine einfachen Lösungen
Rama und ich haben auch über die umstrittenen Aufnahmelager gesprochen, deren Einrichtung er mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vor einem Jahr vereinbart hat. Dort sollen männliche Erwachsene aus als sicher eingestuften Herkunftsländern untergebracht werden, während ihre Asylanträge geprüft werden. Albanien habe aufgrund seiner historischen Verpflichtung gegenüber Italien zugestimmt, sagt Rama. Er sehe das Abkommen auch als Beitrag Albaniens zu einem Problem, mit dem ganz Europa konfrontiert sei.
Nachdem sich Meloni für den Deal feiern hatte lassen, scheint sich das Ganze nun zur Schlappe für sie zu entwickeln. Diese Woche waren die ersten Flüchtlinge aus Bangladesch und Ägypten ins Lager gebracht worden. Heute entschied ein Gericht in Rom, dass sie umgehend nach Italien zurückkehren müssten, da ihre Herkunftsländer nicht als sicher eingestuft werden könnten.
„Anstatt die Migration zu einem ideologischen Schlachtfeld für innenpolitische Interessen zu machen, mit dem gefährlichen Risiko, einen Kulturkrieg anzuheizen, muss Europa eine neue gemeinsame Politik sowohl für sichere Grenzen als auch für legale, breite Migrationskanäle entwickeln“, sagt Edi Rama.
Sowohl die Diskussionen beim EU-Gipfel in Brüssel diese Woche als auch das heutige Ringen um das Sicherheitspaket im Deutschen Bundestag und Bundesrat zeigt: Die Frage, wie wir einen menschlichen Umgang mit der zunehmenden Migration finden können, wird auf Jahre hinaus eine zentrale Herausforderung für Deutschland und Europa bleiben.
Die Nato unter neuer Führung
Die Nato-Verteidigungsminister trafen sich diese Woche in Brüssel zum ersten Mal unter dem neuen Generalsekretär Mark Rutte. Gemeinsam mit Stefan Fröhlich und Ulrich Kühn habe ich einen Blick darauf geworfen, in welche Richtung Rutte die Nato künftig lenken wird.
Wesentlich für Ruttes Erfolg als Generalsekretär ist aus meiner Sicht, ob es ihm gelingen wird, den europäischen Pfeiler der Allianz zu stärken. Damit einhergehen müssen ernsthafte Bemühungen um eine engere Verbindung zwischen EU und Nato.
Für beides stehen die Zeichen gut. Kommissionspräsidentin von der Leyen will in den kommenden Jahren die Rolle der EU in der Verteidigungspolitik deutlich stärken. Und als jahrelanger Regierungschef der Niederlande mit viel EU-Gipfel-Erfahrung ist Rutte für eine Annäherung der beiden Institutionen geradezu prädestiniert.
Die Bundeswehr im Weltall
Deutschland neige dazu, geopolitische Realitäten und die daraus resultierenden Erfordernisse zu spät zu erkennen, schreibt Andrea Rotter in ihrem Gastbeitrag. Sie fordert eine intensive Debatte über die strategische Relevanz des Weltraums, ein größeres Bewusstsein für Verwundbarkeiten und Risiken und einen stärkeren Fokus auf weltraumgestützte Fähigkeiten für die nationale Sicherheit. Die Bundeswehr müsse mit den notwendigen Ressourcen zur Stärkung der deutschen Resilienz und Handlungsfähigkeit ausgestattet werden.
Moskau statt Brüssel: Putins Wahlkampf in Moldau
Nicht nur der Westbalkan hofft auf eine EU-Perspektive, auch in Moldau tun dies viele Menschen. Wie viele genau, wird sich an diesem Sonntag zeigen. Denn die amtierende Präsidentin Maia Sandu hat ihre Wiederwahl an ein Referendum geknüpft, in dem die Bevölkerung entscheiden soll, ob Moldau die EU-Mitgliedschaft weiterverfolgen soll.
In Moskau hat man dazu eine klare Meinung. Die russische Desinformationsmaschinerie versucht mit allen Mitteln, die Menschen in Moldau von Europa abzuwenden. Ob ihnen das gelingen könnte, hat meine Kollegin Maria Kotsev gemeinsam mit Stefan Meister und Mihai Mogildea analysiert.
Auf in den Endspurt: Harris gegen Trump
Nur noch 18-mal schlafen, dann ist endlich Wahltag in den USA. Viele Amerikaner nutzen bereits jetzt die Briefwahl, darunter auch der ehemalige Präsident Jimmy Carter. Nach Angaben seines Enkels hat er am Mittwoch in Georgia seine Stimme für Kamala Harris abgegeben.
Harris hat sich diese Woche den Fragen von Moderator Bret Baier beim konservativen Sender Fox News gestellt. Eine kluge Strategie, um republikanische Wähler zu erreichen, die an Trump zweifeln. Aber auch ein riskantes Unterfangen.
Baier wollte sie demontieren, sie für Fehler der Biden-Regierung verantwortlich machen, schreibt mein Kollege Johannes Altmeyer in seinem Kommentar zum Interview. Doch Harris habe „Kämpferinnenqualitäten“ gezeigt und bewiesen, dass sie unter Druck und vor einem Millionenpublikum ruhig bleiben und trotzdem energisch auftreten könne.
Als Harris‘ Schlüsselsatz bleibt die überraschend klare Distanzierung von Biden: „Lassen Sie mich ganz klar sagen, dass meine Präsidentschaft keine Fortsetzung der Präsidentschaft von Joe Biden sein wird.“ Der 5. November wird zeigen, ob die Wähler ihr das Versprechen eines Neuanfangs tatsächlich abnehmen.
Trump als Risikofaktor für die Wirtschaft
Beim Event des American Council on Germany habe ich diese Woche mit den amerikanischen Strategieberatern Zev Furst und Andrew Frank über die Auswirkungen der US-Wahl auf die transatlantische Wirtschaft diskutiert.
Beide Panelisten warnten vor möglichen desaströsen Folgen: Sollte Trump in einer zweiten Amtszeit die von ihm angedrohten Zölle tatsächlich verhängen, wären viele Unternehmen in den USA, die auf Zulieferungen aus dem Ausland angewiesen sind, mit deutlich höheren Preisen konfrontiert und könnten infolgedessen ihre Produktion einstellen. Damit wären in den USA (wie auch in Deutschland) potenziell Tausende von Arbeitsplätzen gefährdet.
Umworbene Wählergruppe: Die Latinos
Unsere US-Korrespondentin Juliane Schäuble ist für Sie der Frage nachgegangen, ob Kamala Harris die Wählergruppe der Latinos verliert. Latinos machen inzwischen fast 15 Prozent aller Wahlberechtigten in den USA aus. Sie galten bislang als wichtige Unterstützer der Demokraten. Donald Trump will das ändern und wirbt derzeit intensiv um sie.
Allerdings nicht immer mit Erfolg, wie die Townhall des Fernsehsenders Univision mit Trump diese Woche gezeigt hat. Ramiro González, ein kubanisch-stämmiger Republikaner, forderte den ehemaligen Präsidenten auf, seine Zweifel an ihm auszuräumen (ab Minute 33). Doch Trump gelang es weder, die Fragen zu beantworten, noch González zu überzeugen, für ihn zu stimmen, wie der 56-Jährige nach der Sendung bekanntgab. Dem Augenrollen im Publikum nach zu urteilen, gilt das auch für einige weitere der Anwesenden.
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Das war’s von mir für heute. Was hat Sie diese Woche besonders beschäftigt? Schreiben Sie es mir gerne in den Kommentaren. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Bis nächsten Freitag!
Herzlich Ihre Anja Wehler-Schöck
P.S.: Vielen Dank wie immer an Johannes Altmeyer fürs Feedback und an Manuel Kostrzynski für die Graphik!
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