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Hat ein schwieriges Verhältnis zu New York: Donald Trump.

© Getty Images via AFP/ANNA MONEYMAKER

Trump und New York: Ein verflixtes Verhältnis

Am Sonntagabend hält Donald Trump eine Kundgebung in New York. Das ist ungewöhnlich, denn seine Heimatstadt ist eine Demokraten-Hochburg. Was treibt Trump an?

Stand:

Wild gestikulierend tut der Donald-Trump-Imitator so, als regele er an diesem Freitagnachmittag den Verkehr auf der Fifth Avenue.

In Anzug, weißem Hemd, knallroter Krawatte und einer Plastik-Maske mit charakteristischer Haarpracht winkt er den Autofahrern zu, fixiert sie mit seinem Zeigefinger, klatscht in die Hände. Dann wechselt er auf den Bürgersteig, grüßt die Passanten, lässt sich vor dem Trump Tower fotografieren.

Im Atrium des Wolkenkratzers gibt es gleich zwei Trump-Werbeläden, dazu das Trump-Café und das Trump-Pizzalokal. Vor einem riesigen Emblem („Donald J. Trump, 45. Präsident der USA“), eingerahmt von US-Flaggen, lassen sich Touristen fotografieren.

23
Prozent der Stimmen holte Donald Trump in New York bei der letzten Präsidentschaftswahl.

Gern, ganz wie ihr Held, mit gerecktem Daumen. Im „Trump-Tower Gift Shop“ gibt es Tassen, Basecaps, T-Shirts, Socken, stets mit Trump-Aufschrift oder -Konterfei. Auf einem Werbeschild ist zu lesen: „New York ist Trump-Land.“

New York ist Demokraten-Hochburg

Von wegen. In New York erlebte Donald Trump vor vier Jahren eine brutale Niederlage. Nicht einmal jeder vierte New Yorker stimmte für ihn. 23 Prozent holte Trump in seiner Geburts- und Heimatstadt, Joe Biden kam auf 76 Prozent. Selbst im Bundesstaat New York, der teilweise ländlich und durchaus republikanisch geprägt ist, kam Trump 2020 auf magere 38 Prozent. Biden holte 61 Prozent.

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An diesem Sonntagabend will Trump ausgerechnet in New York eine Kundgebung abhalten. In jener Stadt, in der er 2015 seine Präsidentschaftskandidatur (im Trump Tower) ankündigte und der er als Präsident 2019 mit seinem Umzug nach Florida demonstrativ den Rücken gekehrt hat.

Im Madison Square Garden, wo sonst die New York Rangers Eishockey spielen, die New York Knicks Basketball und wo Whoopie Goldberg bald im Musical „Annie“ auftritt, also möchte Trump um Wählerstimmen werben. Warum macht er das? Warum verbringt er den Sonntagabend nicht in einem der umkämpften Swing States?

Man möge mindestens drei Stunden vor Beginn von Trumps Rede erscheinen, rät die Trump-Kampagne, die Türen zu der Mehrzweckarena mit 20.000 Plätze öffnen gar schon fünf Stunden vor dem Auftritt Trumps. Er rechnet offenbar mit vielen Fans.

Was aber soll das im liberalen New York bringen? Drei Gründe sprechen für Trumps Kundgebung in New York.

Verbreitung über soziale Medien

Erstens: Die berühmten Rallyes, zu denen der 78-Jährige einlädt, sind mitnichten nur an die Fans vor Ort gerichtet. Trump will damit im ganzen Land präsent sein, und mit der Verbreitung über die Medien gelingt das.

Videoschnipsel aus Trumps Reden verbreiten sich im Nu, etwa über das Netzwerk X seines Freundes, Bewunderers und möglicherweise künftigen Kabinettsmitglieds Elon Musk. Der reichste Mann der Welt dürfte gewiss ein paar Worte über Trumps Auftritt in New York finden.

Elon Musk macht Werbung für Donald Trump – auch in den sozialen Medien.

© AFP/JIM WATSON

Und welche Stadt sollte mehr Medienberichterstattung versprechen als New York, wo Hunderte Redaktionen sitzen? Selbst der rechte Fernsehsender Fox News hat, obgleich er sich vor allem an Republikaner-geneigte Amerikaner außerhalb der Großstädte wendet, seinen Hauptsitz an New Yorks feiner Avenue of the Americans.

Trumps rätselhafter Ruf

Zweitens: Trump lebt von seinem Ruf, unberechenbar zu sein. Das war einst Geschäftstaktik. Im Weißen Haus, von 2017 bis 2021, hat er versucht, daraus eine politische Strategie abzuleiten.

Das gipfelte in dem von ihm angefachten Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021. Trump genießt, trotz mäßiger Bilanz als Geschäftsmann und diverserer verlorener Wahlen, den rätselhaften Ruf, mit Unberechenbarkeit erfolgreich zu sein.

Mit dem Auftritt im Madison Square Garden – den er danach vermutlich als die größte politische Menschenansammlung in der Geschichte der USA, mindestens, verkaufen wird – nährt Trump das Narrativ, bei der Präsidentschaftswahl am 5. November stünden seinen Siegeschancen so gut, dass er es sich gar „erlauben“ kann, in New York aufzutreten.

Zudem dürfte es Trump „jucken“, im ikonischen Madison Square Garden, im Herzen der liberalen Weltstadt New York, gegen linke Ideen zu hetzen und seine Gegnerin Kamala Harris unflätig zu beschimpfen. Das hat in New York mehr Wumms als neben einem Parkplatz in Wisconsin.

Umkämpfte Kongress-Wahlkreise

Drittens: Bei der Wahl am 5. November geht es nicht nur um die Präsidentschaft, gewählt werden außerdem das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats. Bei den Zwischenwahlen 2022 holten die Republikaner elf der 26 New Yorker Sitze im Repräsentantenhaus, drei mehr als noch 2020. Mancher Wahlkreis im Bundesstaat New York ist umkämpft.

Den Wahlkreis 3 etwa, zu dem Teile der Stadt New York und der angrenzende Landkreis Nassau County zählen, ging 2022 an den republikanischen Hochstapler George Santos. Für die republikanischen Kandidaten im Bundesstaat New York kann Trumps Auftritt in Manhattan so etwas wie eine Rückendeckung sein.

Trumps gespaltenes Verhältnis zu New York

Interessant dürfte sein, ob und wie Trump am Sonntagabend über New York und die – meist liberalen, also linken, New Yorker reden wird. Trump und New York – das ist schließlich ein verflixtes Verhältnis.

Lange war Trump, geboren 1946 im Stadtbezirk Queens, Teil der demokratisch geprägten Stadtgesellschaft. Das entsprach dem Mainstream im Unterhaltungsgeschäft und der Immobilienbranche.

Der Trump Tower ist in den vergangenen Jahren auch zum Ort von Protesten geworden – für wie auch gegen ihn.

© Reuters/Andrew Kelly

Sein Vater Fred Trump hatte das Immobilien-Imperium der Familie aufgebaut; dessen Vater Frederick war als 16-Jähriger aus dem pfälzischen Kallstadt 1885 nach New York ausgewandert. Trump wuchs in einem Viertel namens Jamaica Estates, das zum Bezirk Queens gehört, auf.

Zunächst in einem bescheidenen Haus, dann, ab dem fünften Lebensjahr, in einem 200-Quadratmeter-Anwesen um die Ecke.

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Als Unterhaltungskünstler und Immobilien-Mogul unterstützte Trump in New York zumeist die Demokraten, leistete einmal sogar eine Spende für die demokratische Kandidatin für das Amt als Justizministerin im fernen Kalifornien. Ihr Name: Kamala Harris.

Trump war, mindestens bis zu seiner Präsidentschaftskandidatur 2016, gut Freund mit dem liberalen New Yorker Geldadel. Es war seine Stadt; er liebte die Partys, die Models, das Geld.

Er war das, wogegen er nun zu kämpfen vorgibt: Establishment, geerbt. Bill und Hillary Clinton nahmen an der Hochzeit von Donald und Melania Trump 2005 teil. Jene Melania Trump übrigens gab New York eine ganze Weile den Vorzug vor dem Weißen Haus: Nach der Inauguration Trumps als Präsident 2017 blieb Melania Trump ein halbes Jahr in New York wohnen, bevor sie nach Washington zog.

Trump, so viel ist klar, verachtet Washington, den dortigen „Sumpf“, die linken Bürokraten, den „deep state“. Bei New York hingegen schimmert bei Trump stets das Verlangen durch, von dieser großartigen Stadt geliebt zu werden.

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