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Ukraine-Invasion, Tag 1002: Welche Botschaften Putin vor Trumps Amtsantritt zu senden versucht
Russland setzt offenbar erstmals Interkontinentalrakete ein. Ukraine feuert offenbar Storm-Shadow-Raketen ab. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Etwa zwei Monate sind es noch bis zu Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus. Innerhalb weniger Tage haben nun sowohl die aktuelle US-Regierung unter Joe Biden als auch Russland bedeutende Schritte unternommen, um den Ausgang des Krieges in der Ukraine zu beeinflussen. Biden hat mit der Freigabe der Atacms-Raketen eine seiner roten Linien aufgegeben, Moskau versucht aktuell seine Gewinne in kurzer Zeit zu maximieren.
Anfang der Woche unternahm Russland den größten Luftangriff auf die Ukraine seit fast drei Monaten. Gestern schlossen aus Angst vor einem Angriff mehrere Botschaften in der Ukraine ihre Türen. Heute feuerte Russland erstmals seit Kriegsbeginn auch eine Interkontinentalrakete ab (mehr dazu im Nachrichtenüberblick).
„Alles hängt zusammen“, sagt Mykhaylo Samus, Leiter des New Geopolitics Research Network in der Ukraine im Gespräch mit der BBC (Quelle hier). Russland horte seit Wochen diverse Raketen, um Angriffe durchführen zu können und vor dem Machtwechsel in den USA eine psychologische Botschaft zu senden. „Es geht darum, eine starke Position für die Gespräche mit Trump vorzubereiten und verstehen zu geben, dass Russland keine Kompromisse eingehen wird“, sagt Samus.
Tatiana Stanovaya vom Carnegie Russia Eurasia Center zufolge gehe man in Russland davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis die Ukraine wieder ihnen gehöre. Mit Donald Trump in den USA dürfte sich aber auch für Putin einiges ändern. „Wenn Putin die Lage eskalieren lässt, kann das die Chancen auf ein Abkommen verschlechtern. Er wird flexibler sein müssen, offener für verschiedene Optionen.“
Moskau hatte jüngst in seiner eigenen Atomdoktrin die Schwelle für den Einsatz von Kernwaffen gesenkt. Tatiana Stanovaya glaubt aber nicht, dass Putin damit einen Dritten Weltkrieg beginnen will, sondern er habe die Änderung getätigt, weil er „glaubt, er müsse den westlichen Eliten Angst einjagen, um ihnen zu zeigen, dass sie mit dem Feuer spielen“.
Mykola Bielieskov vom Nationalen Institut für Strategische Studien in Kiew sagte der BBC, der Schlüssel liege jetzt darin, jeden größeren russischen Durchbruch im Osten zu verhindern. „Denn wenn die Russen erfolgreich sind, werden sie versuchen, die Bedingungen zu diktieren.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:
- Bei Angriffen auf die Ukraine soll Russland laut Angaben aus Kiew erstmals seit Beginn seines Angriffskriegs eine Interkontinentalrakete eingesetzt haben. Eine solche Rakete sei am Morgen auf die Stadt Dnipro abgefeuert worden, teilte die ukrainische Luftwaffe mit. Moskau wollte diese ukrainischen Vorwürfe nicht kommentieren. Sollte sich der Einsatz der Interkontinentalrakete bestätigen, wäre dies eine deutliche Eskalation des Konflikts. Mehr dazu hier und hier.
- Russland hat nach eigenen Angaben zwei von der Ukraine abgefeuerte Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow abgefangen. Das teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Es wäre der erste Einsatz solcher aus Großbritannien gelieferten Marschflugkörper über Russland seit Kriegsbeginn. Mehr dazu hier.
- Die Zahl der Ukrainerinnen und Ukrainer in dualer Ausbildung ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Wie das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) mitteilte, verdoppelte sich die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge von knapp 900 auf 1900 im Jahr 2023 (plus 112 Prozent). Dem liegt ein starker Anstieg der Zahl der ukrainischen Staatsbürger in Deutschland im Jahr zuvor zugrunde.
- Die russische Armee hat eigenen Angaben zufolge im Osten der Ukraine ein weiteres Dorf nahe der strategisch wichtigen Stadt Kurachowe eingenommen. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, die fünf Kilometer südlich von Kurachowe gelegene Ortschaft Dalne sei eingenommen worden. Damit setzten die Soldaten ihren Vormarsch auf die Industriestadt weiter fort.
- Infolge eines russischen Raketenangriffs sind in der südostukrainischen Großstadt Krywyj Rih nach Behördenangaben mindestens 15 Menschen verletzt worden. Neun Opfer mussten in Krankenhäuser verlegt werden, wie Gebietsgouverneur Serhij Lyssak bei Telegram schrieb.
- Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat in ihren Memoiren ihre vielfach kritisierte Russland-Politik verteidigt. Merkel rechtfertigte insbesondere ihre Weigerung aus dem Jahr 2008, der Ukraine und Georgien den Status eines Nato-Beitrittskandidaten einzuräumen - und damit ein Stück weit auf Bedenken Russlands eingegangen zu sein: „Die Aufnahme eines neuen Mitglieds sollte nicht nur ihm ein Mehr an Sicherheit bringen, sondern auch der Nato“, schrieb Merkel in ihrem Erinnerungsbuch „Freiheit“, aus dem „Die Zeit“ einen Auszug veröffentlichte. Mehr dazu hier.
- Chinas neuer Botschafter in der Ukraine hat zum Dienstantritt die guten Beziehungen zwischen beiden Ländern gelobt. Auffällig an dem Schreiben, das die chinesische Botschaft in Kiew von Ma Shengkun veröffentlichte, war aber, was es nicht erwähnte: den russischen Angriffskrieg gegen das Land, in dem er nun die Interessen Pekings vertritt.
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