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Ein ukrainischer Soldat springt am Ufer des Dnipro-Flusses an der Frontlinie nahe Cherson aus dem Boot.

© dpa/Mstyslav Chernov

Ukraine-Invasion, Tag 1015: Das „Selbstmordkommando“ ukrainischer Spezialkräfte am Dnepr

1000 tote Soldaten für nichts? + Scholz gegen Entsendung deutscher Soldaten + Offener Brief von 38 Prominenten. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Stand:

Sie gehörten wahrscheinlich zu den gewagtesten Missionen, die die ukrainische Armee während des Krieges durchgeführt hat – und sie stehen wohl sinnbildlich für den Kriegsverlauf insgesamt. Die Rede ist von den Angriffen, die ukrainische Einheiten während der vergangenen zwei Jahre auf das rechte Ufer des Flusses Dnepr unternommen haben. Zur Erinnerung: Er bildet in der Region Cherson eine natürliche Grenze, an der seit der erfolgreichen Offensive Kiews im Jahr 2022 die Front verläuft.

Über viele Monate hatte Kiew versucht am rechten Ufer, also auf russisch besetztem Gebiet, sogenannte Brückenköpfe zu errichten. Mit diesen kleinen Stellungen sollten russische Einheiten und Waffen gebunden und eine neue Front eröffnet werden. Ein aktueller Bericht in der „New York Times“ wirft jetzt anschaulich einen Blick darauf, wie verlustreich diese Missionen waren.

Durchgeführt wurden die Aktionen meist von im Westen trainierten Spezialeinheiten, die nachts über den teilweise mehrere hundert Meter breiten Dnepr übersetzten; im Feuer von russischer Artillerie, Gleitbomben- und Drohnenbeschuss. Vor allem der Kampf um das von den Ukrainern zeitweise besetzte Dorf Krynky ab Oktober 2023 war extrem verlustreich. Die ukrainischen Soldaten nennen es im Rückblick ein „Selbstmordkommando“.

Ein Soldat schildert, dass die Männer teilweise schon am ukrainischen Ufer getroffen wurden, dann auf ihren Booten im Fluss. Wer doch das rechte Ufer lebend erreichte, musste über die Leichen seiner Kameraden robben, um sich in einem Bombenkrater zu verstecken. Dann mussten sie unter Beschuss weiter, um zu den ukrainischen Einheiten zu stoßen. Wegen der Gefahr wurden die Soldaten am rechten Ufer irgendwann nur noch mittels Drohnen mit Nachschub versorgt. Mehrere Monate hielten die ukrainischen Soldaten aus, bis die Russen Krynky vollkommen zerstörten und sich die letzte ukrainische Einheit in diesem Sommer zurückzog.

Im Laufe des Kampfes um Krynky, der knapp ein halbes Jahr dauerte, hat die Ukraine rund 1000 ihrer besten Soldaten verloren. Wofür? Das militärische Ziel war, russische Einheiten zu binden und so viel Gerät wie möglich zu zerstören. Laut den Ukrainern hat Moskau rund 50 Soldaten pro Tag in der Gegend verloren und mehr als 200 Fahrzeuge. Am Kriegsverlauf selbst haben die Missionen wenig verändert. Seit Sommer ist Russland immer schneller auf dem Vormarsch. An Soldaten und Gerät herrscht bei Moskaus Truppen kein Mangel.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Knapp zwei Jahre nach ihrem „Manifest für Frieden“ startet Parteigründerin Sahra Wagenknecht mit der Autorin Alice Schwarzer und 36 Unterstützern einen neuen Appell für einen Waffenstillstand in der Ukraine. Der Aufruf mit dem Titel „Eine Minute vor Zwölf“ richtet sich „an die deutsche Politik“ und warnt vor „einem großen europäischen Krieg“. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine überarbeitet die Nato ihre Strategie gegen hybride Angriffe. Ziel ist ein engerer Austausch von Geheimdienstinformationen und ein besserer Schutz wichtiger Infrastruktur, wie Bündnis-Generalsekretär Mark Rutte sagte.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich gegen Spekulationen darüber ausgesprochen, welche Rolle deutsche Soldaten einmal bei einer Friedenssicherung in der Ukraine haben könnten. Es sei „ganz unangemessen, jetzt darüber zu spekulieren, was später mal bei einem verhandelten Waffenstillstand und bei einer friedlichen Situation existiert“. Mehr dazu hier.
  • Moskau hat laut dem US-Think-Tank „Institute for the Study of War“ (ISW) seine gesamte Flotte von der syrischen Basis Tartus abgezogen. Es handelt sich dabei laut der Analyse von Satellitenbildern um drei Fregatten, ein U-Boot und zwei Unterstützungsboote. Mehr dazu hier.
  • Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Kremlchef Wladimir Putin eigenen Worten nach nicht von Anfang als dreisten Lügner wahrgenommen. Zu Beginn ihrer Zeit als Bundeskanzlerin habe Putin nicht schamlos gelogen, sagte Merkel in einem von der Journalistin Christiane Amanpour geführten Interview beim Sender CNN. Amanpour hatte die frühere CDU-Chefin gefragt, wie man mit einem Lügner wie Putin verhandeln könne. Mehr dazu hier.
  • Der norwegische Staatsfonds hat aus ethischen Gründen jeweils eine Firma aus Israel und aus Russland aus seinem Portfolio ausgeschlossen. Die norwegische Zentralbank, die den größten Pensionsfonds der Welt verwaltet, teilte mit, dass sich der Fonds aus dem israelischen Telekommunikationsunternehmen Bezeq sowie aus dem russischen Stahlunternehmen Evraz zurückgezogen habe.
  • Der umstrittene rechte Nachrichtenmoderator und Vertraute des designierten US-Präsidenten Donald Trump, Tucker Carlson, hat die Ausstrahlung eines Interviews mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow angekündigt. „Wir sind gestern nach Moskau zurückgekehrt, um den russischen Außenminister zu interviewen“, sagte Carlson in einem in Onlinenetzwerken veröffentlichten Video.
  • Russlands Botschafter bei den Vereinten Nationen hat der Ukraine Verbindungen zu der Dschihadistengruppe Hajat Tahrir al-Scham (HTS) in Syrien vorgeworfen. Die mit HTS kämpfenden Rebellen hätten „nicht nur die Tatsache nicht verheimlicht, dass sie von der Ukraine unterstützt werden, sondern sie stellen dies auch offen zur Schau“, sagte Wassili Nebensia vor dem UN-Sicherheitsrat.
  • Ein russisches Gericht hat einen Mann auf der von Moskau annektierten Halbinsel Krim beschuldigt, für die Ukraine spioniert zu haben und ihn wegen Hochverrats zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht habe festgestellt, dass der Mann einem Vertreter des ukrainischen Geheimdienstes seine Zusammenarbeit angeboten habe, teilte die von Moskau geleitete Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit.
  • Die Nato hat Russland Unterstützung für das nordkoreanische Atomprogramm vorgeworfen. „Im Gegenzug für Truppen und Waffen unterstützt Russland Nordkorea bei seinen Raketen- und Nuklearprogrammen“, sagte Nato-Generalsekretär Mark Rutte.

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