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Ukraine-Invasion, Tag 1029: Ukraine wird besetzte Gebiete nicht zurückerobern können, sagt Selenskyj
Strack-Zimmermann warnt vor russischem Angriff auf Nato, Russland nimmt nach Mord an General einen Usbeken fest. Der Nachrichtenüberblick am Abend.
Stand:
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zugegeben, dass sein Land militärisch nicht in der Lage ist, die russischen Streitkräfte von der Krim und aus anderen besetzten Gebieten der Ukraine zu vertreiben. Stattdessen setze er auf diplomatischen Druck, um Russland zu Verhandlungen zu bringen.
„Wir können nicht auf unsere Gebiete verzichten. Das verbietet uns die ukrainische Verfassung. De facto werden diese Gebiete heute von den Russen kontrolliert. Wir haben nicht die Kraft, sie zurückzugewinnen“, sagte Selenskyj in einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Parisien“. „Wir können uns nur auf den diplomatischen Druck der internationalen Gemeinschaft verlassen, um Putin zu zwingen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.“
Letzten Monat noch sagte Selenskyj, die Ukraine könnte darauf verzichten, die besetzten Gebiete zurückzuerobern, wenn es im Gegenzug in die Nato aufgenommen würde. Die Militärallianz aber will sich nicht auf Beitrittsverhandlungen festlegen. Zu „Le Parisien“ sagte Selenskyj nun, dass er nicht auf Sicherheitsgarantien verzichten werde: „Wenn Putin mit seinen Millionen von Männern zurückkehrt, werden wir uns dann wieder allein verteidigen? Die Frage ist nicht, ob wir der Nato beitreten, sondern wie wir unsere Sicherheit gewährleisten können.“
Auf die Frage, ob er selbst mit Wladimir Putin verhandeln würde, antwortete Selenskyj: „Es kommt nicht auf das Gegenüber an. Es geht darum, in welchem Zustand man sich befindet, wenn man verhandelt. Ich sehe uns nicht in einer schwachen Position, aber wir befinden uns auch nicht in einer starken Position.“
Zuerst brauche es Klarheit darüber, ob die Ukraine der Nato oder EU beitreten werde. „Zunächst muss ein Modell, ein Aktionsplan oder ein Friedensplan – nennen Sie es, wie Sie wollen – erstellt werden. Dann können wir ihn Putin oder, im weiteren Sinne, den Russen vorlegen.“
Das Interview mit „Le Parisien“ wurde von einer Gruppe von Leserinnen und Lesern geführt. Einer der Leser fragte Selenskyj auch nach persönlichen Entscheidungen – zum Beispiel der, seit drei Jahren nur noch Uniform zu tragen. Das wies Selenskyj von sich: „Ich trage keine Militäruniform. Ich hätte mir nie erlaubt, sie zu tragen: Dafür respektiere ich das Militär zu sehr. Ich habe eine Art von Kleidung, die der Uniform ähnelt, aber Uniformen können nur von denen getragen werden, die mit der Waffe in der Hand an vorderster Front stehen.“
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- In der Charité wird seit Dienstagabend die Mutter des russischen Oppositionellen Wladimir Kara-Mursa behandelt. Laut Tagesspiegel-Informationen aus Sicherheitskreisen bestand zunächst ein Verdacht auf Vergiftung mit dem Nervengift Nowitschok. Der Kreml-Kritiker teilte am Dienstagabend mit, seine Mutter sei in einem Berliner Krankenhaus, sagte aber, der Verdacht einer Vergiftung habe sich nicht bestätigt. Mehr hier.
- Die aufseiten Russlands kämpfenden nordkoreanischen Einheiten haben nach Einschätzung eines US-Regierungsvertreters bei Gefechten mit der ukrainischen Armee in der russischen Grenzregion Kursk hohe Verluste erlitten. „Nach unserer jüngsten Schätzung hat Nordkorea mehrere Hundert Opfer zu beklagen“, sagte der US-Militärverantwortliche am Dienstag in Washington. Mehr hier.
- Deutschland will nach längeren Verhandlungen nun ein in der Slowakei eingerichtetes Reparaturzentrum für militärisches Großgerät der Ukraine räumen. Absicht sei es, den Instandsetzungshub bis zum 31. Dezember nach Deutschland zu verlegen, bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage. Mehr hier.
- Laut dem Sprecher der ukrainischen Armeeeinheiten in der Region Charkiw, Jewgenij Romanow, lässt das russische Militär Verwundete in großer Zahl auf dem Schlachtfeld zurück. Im Falle einer Verletzung habe jeder russische Soldat die Pflicht, Selbstmord zu begehen. Mehr im Newsblog.
- Nach dem tödlichen Bombenanschlag auf den russischen General Igor Kirillow hat der russische Inlandsgeheimdienst FSB nach eigenen Angaben einen Tatverdächtigen festgenommen. Der Mann aus Usbekistan habe gestanden, dass er vom ukrainischen Geheimdienst SBU angeworben worden sei und von ihm den Sprengsatz erhalten habe. Das teilte der FSB in Moskau mit.
- Russlands Präsident Wladimir Putin bereitet nach Angaben von Marie-Agnes Strack-Zimmermann einen Angriff auf die Nato vor. „Wir wissen, dass Putin sich vorbereitet darauf, möglicherweise Ende der 20er – wobei so eine Zahl immer gegriffen ist – auch einen Nato-Staat anzugreifen“, sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin in Straßburg. Woher sie diese Informationen hat, sagte sie nicht.
- Die EU hat der Ukraine nach Erfüllung von Reformauflagen weitere Finanzhilfen in Höhe von rund 4,1 Milliarden Euro überwiesen. Wie die zuständige EU-Kommission mitteilte, wurden damit mittlerweile insgesamt 16,1 Milliarden Euro aus dem neuen Unterstützungsprogramm ausgezahlt.
- Die militärische Spionageabwehr SBU der Ukraine hat nach eigenen Angaben ein groß angelegtes russisches Agentennetz neutralisiert. Die Angreifer spionierten ukrainische Armeeeinheiten in gleich fünf Regionen der Ukraine aus, so der SBU in einer Erklärung.
- Das neue Nato-Kommando zur Koordinierung der internationalen Ukraine-Hilfen in Wiesbaden nimmt die Arbeit auf. Es werde die Ukraine „in eine Position der Stärke versetzen“, erklärte der Oberbefehlshaber der Nato-Truppen in Europa, Christopher Cavoli, am Dienstagabend am belgischen Stützpunkt in Mons.
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