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Ukraine-Invasion, Tag 909: Wie der Krieg die männlich dominierte Arbeitswelt verändert
Scholz verteidigt Umstellung der Militärhilfen. Ostbeauftragter erschrocken über deutsche Ansichten zur Ukraine. Der Nachrichtenüberblick am Abend
Stand:
Noch vor eineinhalb Jahren war Karina Yatsina Kindermädchen. Heute arbeitet die 21-Jährige in einer tiefen Kohle-Mine in der östlichen Ukraine. Die junge Frau ist nur ein Beispiel dafür, wie sehr der Krieg den Alltag der Menschen in der Ukraine verändert hat – und wie sich die Wirtschaft wandeln muss: Männer gehen an die Front und Frauen schließen ihre Lücken in den Fabriken, Büros und Kohle-Minen. Von diesem Wandel berichtet die „New York Times“.
Yatsina ist eine von 130 Frauen, die seit Kriegsbeginn in der Kohle-Mine die Arbeit aufgenommen haben. „Ihre Arbeit ist enorm wichtig, weil die Männer nicht mehr verfügbar sind“, berichtet Sergej Faranov, stellvertretender Minen-Leiter. Ein Fünftel der Belegschaft, rund 1000 Männer, wurden bereits abgezogen.
Der Krieg führt zu einer erzwungenen Veränderung in der ukrainischen Arbeitswelt – die in vielen Bereichen sehr männlich dominiert war. Ein Erbe der Sowjet-Zeit. „Es gab die Ansicht, dass Frauen zweitklassige Arbeiter und weniger verlässlich sind“, berichtet Hlib Vyshlinsky, Direktor des Centers für Wirtschaftsstrategie in Kiew. Frauen seien für viele Berufe lange Zeit ausgeschlossen gewesen. „Die Arbeitswelt war voll von Stereotypen.“
Doch können die Frauen nicht alle Lücken füllen. Vor dem Krieg arbeiteten 47 Prozent der ukrainischen Frauen. Seitdem haben rund 1,5 Millionen Ukrainerinnen ihre Heimat verlassen, heißt es in dem Bericht. Rund drei Viertel aller ukrainischer Betriebe leiden unter Arbeitskräftemangel.
Und doch gibt es immer noch Männer, die sich an die neuen Kolleginnen gewöhnen müssen. „Es ist ungewohnt, eine Frau mit einer Schaufel zu sehen, die Männerarbeit verrichtet“, sagt Dmytro Tobalov, der ebenfalls in einer Kohle-Mine arbeitet. Karina Yatsina jedenfalls hat Freude gefunden an ihrer neuen Arbeitsumgebung – und will nun Elektrotechnikerin werden.
Die wichtigsten Nachrichten des Tages:
- Bundeskanzler Olaf Scholz hat die teilweise Umstellung der Militärhilfe für die Ukraine auf multilaterale Kredite verteidigt. Bereits im Frühjahr sei breit über entsprechende Pläne der westlichen Industriestaaten berichtet worden, der Ukraine künftig einen milliardenschweren Kredit zur Verfügung zu stellen, indem man dafür die eingefrorenen russischen Vermögenswerte nutzt, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in Dresden. Mehr hier
- Seit die Ukraine bei ihrer jüngsten Offensive die Kontrolle über einen Teil des Gebietes Kursk erlangen konnte, mehren sich die Berichte über russische Soldaten, die sich in den umkämpften Gebieten kampflos ergeben und kapitulieren. Militärblogger vermuten: „Die Herrschaft der Großväter“ hat sie lange vorher gebrochen. Mehr hier
- Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), hat sich erschrocken über die Ansichten mancher Deutscher zur Ukraine geäußert. „Es entsetzt mich, wie teilweise über die Ukraine und die Ukrainer gesprochen wird, in Ost und West“, sagte er den Zeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. Mehr hier
- Die Angst vor einer Eskalation des Krieges sei unbegründet, sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Als Beleg führt er die Offensive in Kursk an. Mehr hier
- Der ukrainische Gegenangriff auf das russische Grenzgebiet hat das russische Innenministerium zu einer Sicherheitswarnung veranlasst. Die Behörde rät Bürgern in Kursk, Brjansk und Belgorod davon ab, Datingportale im Internet zu nutzen. Mehr im Liveblog
- Wegen Medienberichten aus ukrainisch besetzten Gebieten in der russischen Grenzregion Kursk hat das russische Außenministerium eine ranghohe Vertreterin der US-Botschaft in Moskau einbestellt.
- Die russische Armee hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau den Ort New York in der Region Donezk im Osten der Ukraine erobert. Die Truppen hätten „eine der größten Ansiedlungen in der Umgebung von Torezk, das strategisch wichtige Logistikzentrum Nowgorodskoje“ unter ihre Kontrolle gebracht, teilte das Verteidigungsministerium unter Verwendung des zu Sowjetzeiten eingeführten Namens am Dienstag mit.
- In der südrussischen Region Rostow haben mehr als 500 Feuerwehrleute am Dienstag am dritten Tag in Folge gegen einen durch einen ukrainischen Drohnenangriff ausgelösten Großbrand in einem Öldepot gekämpft.
- Nachdem die Ukraine wichtige Brücken im russischen Grenzgebiet Kursk ins Visier genommen hat, versuchen Moskaus Truppen sich mit Pontonbrücken über den Fluss Seim zu behelfen. Einer dieser behelfsmäßigen Übergänge ist auf Satellitenbildern von Montag jedoch nicht mehr zu erkennen, berichtet der US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty.
- Die ukrainische Gegenoffensive in der russischen Region Kursk ändert nach Angaben des Pentagons nichts an der Unterstützung der USA für Kiew. US-Präsident Joe Biden habe „sehr deutlich gemacht, dass wir die Ukraine weiterhin und dauerhaft unterstützen und ihr zur Seite stehen werden, solange es nötig ist“, sagte eine Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums.
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